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Sie glucksten und ließen den Blick nicht voneinander, aber keiner sprach.

„Also?“ half Hresh, „Was habt ihr zwei ausgeheckt?“

Nialli wandte den Kopf ab und kicherte erstickt in ihre Schulter hinein. Aber Kundalimon blickte ihn fest und starr an und lächelte in der für ihn charakteristischen schiefen seltsamen Art.

Der Junge wirkte jetzt gar nicht mehr wie ein Wildling. Er hatte ein bißchen Gewicht zugelegt und sah gar nicht mehr so weltfremd aus und fast nicht mehr wie ein gespenstischer Gast von einem fernen unbekannten Planeten, sondern eigentlich eher mehr wie all die anderen jungen Männer in der Stadt. Und er schien voll einer bisher ungewohnten neuen Kraft und Sicherheit zu sein.

Schließlich sagte Nialli: „Also, die Geschichte ist nicht so ganz leicht, Papa. Und ich weiß gar nicht, wo ich anfangen soll.“

„Schön, dann laß mich mal raten. In dem Fall werde ich wohl kaum den Barak Dayir brauchen, was? Also — du und Kundalimon, ihr liebt euch, wie?“

„Ja.“ Es war ein gehauchtes Flüstern.

Hresh war nicht im geringsten überrascht. Von Beginn an war es ihm als beinahe unvermeidlich erschienen, daß diese beiden Kinder sich finden würden.

„Und wir sind Tvinnr-Partner, Vater.“

Das auch noch? Damit hatte er nicht gerechnet. Mit dieser noch tieferen Verbindung. Aber auch dies nahm er relativ gelassen zur Kenntnis. Kein Wunder, daß die zwei dermaßen glühten!

„Tvinnr-Partner, aha. Sehr schön. Sehr gut. Tvinnern reicht so weit über die Kopulation hinaus, wißt ihr. Na klar, inzwischen wißt ihr das. Es ist die wirkliche echte Vereinigung.“

„Ja. Wir haben es entdeckt“, sagte Nialli. Sie fuhr mit der Zungenspitze über die Lippen. „Vater.“

„Na nun komm schon, erzähl mir auch den Rest.“

„Weißt du das denn nicht auch schon?“

„Du willst eine Partnerschaft mit ihm eingehen?“

„Mehr als das“, sagte sie.

Er verzog die Stirn. „Mehr? Was kann es denn mehr geben?“

Sie gab darauf keine Antwort, sondern wandte sich Kundalimon zu, der sprach: „Ich werde sehr bald wieder zum Nest zurückkehren. Die Königin ruft mich zurück. Mein Werk hier ist getan. Und so bitte ich Nialli Apuilana, mit mir zu gehen, zum Nest und zur Königin.“

Die leisen Worte schnitten Hresh durchs Herz wie Sicheln.

„Was?“ stammelte er. „Ins Nest?“

Drängend und in überstürzten Worten sagte Nialli: „Du kannst einfach nicht wissen, wie das dort ist, Vater. Keiner kann das, der nicht selber dort war. Was für ein Ort das ist; was für Leute das sind. Wie reich und erfüllt ihr Leben ist, wie tief. Sie leben in einer Luft voller Träume und Magie und Wunder. Und du atmest diese Nest-Luft, und sie füllt deine Seele, und du kannst nie wieder sein wie früher, nicht nachdem du die Nest-Bindung gespürt und die Königin-Liebe begriffen hast. Ach, es ist so ganz anders, als wie wir hier leben. Unser Leben ist so beängstigend einsam, Vater. Trotz der Kopulation. Sogar noch trotz des Tvinnerns. Wir sind ganz allein, jeder ganz allein für sich, verkapselt in unserem Kopf, und trotten im Göpeljoch unserer kleinen Existenz im Kreis herum. Aber dort haben sie eine Vision von der Welt als einem Ganzen, einer Einheit, einem gemeinsamen Ziel und einem durchgehenden Muster, und alles und jeder ist mit allem und jedem verknüpft. Ach, Vater, bei uns denken alle, die dort sind übles unheimliches Ungeziefer, umherhuschende summende, scheußlich mechanisches Zeug, aber das ist nicht wahr, Vater, es ist ganz und gar nicht so, sie sind überhaupt nicht so, wie wir sie uns vorstellen! Jedenfalls will ich zu ihnen gehen. Ich muß! Mit Kundalimon. Er und ich, wir gehören zusammen, und wir beide gehören — dorthin!“

Hresh starrte seine Tochter betäubt und sprachlos an.

Auch dies war wohl unvermeidlich, seitdem sie aus dem Nest zurückgekommen war. Er hitte es vorhersehen müssen. Doch er hatte sich nicht erlaubt, das zu sehen oder gar darüber nachzudenken.

„Wann?“ fragte er. Und: „Wie bald?“

„In einigen Tagen, einer Woche vielleicht. Kundalimon ist hier noch nicht ganz fertig. Er lehrt die Kinder die Nest-Wahrheit und die Königin-Liebe. Damit sie verstehen lernen, wie es den älteren Leuten wohl kaum möglich wäre. Und er will ihnen noch einiges mehr sagen und zeigen. Danach werden wir fortgehen. Aber ich wollte mich nicht einfach so davonstehlen, ohne es dr vorher zu sagen. Taniane kann ich’s nicht sagen — die würde das niemals erlauben. Die würde mich glatt einsperren lassen, ins Kittchen, um mich am Weggehen zu hindern — aber du, du bist eben anders, du siehst alles so viel tiefer und eindringlicher.“

Trotz des Schocks, der in ihm noch nachbebte, gelang Hresh ein Lächeln.

„Was ich sehe, meine liebe Nialli, ist nur, daß du mich in deiner Angelegenheit zum Mitverschwörer gemacht hast. Und wenn ich darüber mit deiner Mutter spreche, dann wirst du mir das niemals verzeihen, stimmt’s?“

„Aber du wirst ja nicht mit ihr darüber reden, mit überhaupt niemand. Das weiß ich.“

Hresh betrachtete seine Fingerkuppen. In seiner Brust breitete sich etwas kalt und bedrückend aus. Erst jetzt traf ihn das so ganz, was Nialli gesagt hatte: Seine Tochter, sein einziges Kind, war von diesem Augenblick an für immer für ihn verloren, und er konnte nichts dagegen tun, gar nichts!

„Also gut“, sagte er schließlich und hoffte, daß sie ihm die Trauer nicht an der Stimme anmerken werde. „Ich werde stumm sein.“

„Ich wußte, du würdest das tun.“

„Eins allerdings mußt du für mich tun, ehe du fortgehst. Sonst gilt unsere Abmachung nicht, und Taniane erfährt binnen einer Stunde genau, was ihr beiden vorhabt.“

Nialli strahlte wieder. „Was du willst, Vater. Sag es nur.“

„Ich möchte, daß ihr mir vom Nest berichtet. Beschreibt mir, wie die Königin ist, sagt mir, was Nest-Bindung bedeutet und Königin-Liebe und alle diese anderen Begriffe. Du hast alles für dich behalten, Nialli, seit du wieder in der Stadt gelebt hast. Begreifst du nicht, wie sehr mich das interessiert hat, Nialli? Aber ich konnte dich natürlich nicht zwingen, mir etwas zu sagen. Und du hast ja nicht das kleinste bißchen erzählen wollen, nie. Aber jetzt mußt du! Sag mir alles. Ich muß es wissen. Denn du bist die einzige Person, die mich diesbezüglich instruieren kann. Und sobald heute die Spiele beendet sind, wirst du das bitte auch tun! Das ist das einzige, worum ich dich bitte, ehe du mit Kundalimon ins Nest zurückkehrst. ehe du mich für immer verläßt!“

Curabayn Bangkea war eifrig damit befaßt, in der kleinen Zelle im Annexbau der Basilika, in der er sein Büro hatte, seinen Helm zu polieren, als Husathirn Mueri auftauchte. Die Stimmung des Wachhauptmanns war düster, und das schon seit etlichen Tagen. Das Bild der Nialli Apuilana verfolgte ihn im Wachen und im Schlaf. Sie tanzte vor ihm, nackt, in seinen Träumen, lockend, spöttisch lächelnd, stets seinem Zugriff sich entwindend. Es verlangte ihn nach ihr mit einer Lust, die er selbst als absurd und ungeheuerlich begriff. Denn sie war eine Frau, die in mehr als nur einer Hinsicht völlig außerhalb seiner Reichweite war: eine Angehörige der höchsten Nobelklasse der Stadt, und er selber — nichts weiter als ein Wachbeamter der Justizbehörde. Er hatte keinerlei Chancen, und das Ganze war einfach lachhaft. Aber dennoch zerfraß es ihm das Herz. Beständig hatte er diesen bitteren Metallgeschmack im Mund, und dieses unablässige Pochen in der Brust unter den Rippen, und alles nur, weil er an sie denken mußte. Diese törichten, erbärmlichen, idiotischen Phantasievorstellungen und Selbstzerfleischungen! Und so hoffnungslos, absolut hoffnungslos! Hin und wieder er haschte er einen Blick auf sie in den Straßen der Stadt, stets weit entfernt, in achtvoller Distanz, aber sie blickte dennoch verächtlich und voller Abscheu in seine Richtung, als wäre er irgendwas, das aus dem Abflußrohr herausgekrochen war.