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„Du wirst uns doch nicht im Stich lassen?“ fragte Husathirn Mueri, als hätte er ihn mit dem Zweitgesicht durchforscht.

„Aber keineswegs, deine Gnaden.“

„Also, was beunruhigt dich dann noch?“

„Ich würde gern Genaueres über die versprochene Belohnung wissen, wenn es dich nicht stört.“

Husathirn Mueri wich glatt aus: „Diese ganze Geschichte hat sich dermaßen schnell entwickelt, daß ich bisher noch keine Zeit hatte, alle Einzelheiten zu berücksichtigen. Ich werde dir dazu mehr sagen können, heute nachmittag bei den Spielen. Doch eines kann ich dir immerhin versichern: Die Belohnung wird angemessen sein, mehr als angemessen.“ Und erneut dieses einschmeichelnde Lächeln, beruhigend, verschwörerisch: Wir stecken doch da gemeinsam drin, und eine Hand wäscht die andre. „Man wird sich deiner annehmen. Du weißt doch, du kannst dich in der Sache auf mich verlassen. Also, kann ich mit dir rechnen?“

Ich hätte eher Vertrauen zu einem Rattenwolf als zu dir, dachte Curabayn Bangkea. Aber es gab kein Zurück mehr. „Selbstverständlich kannst du das“, sagte er.

Hinterher, nachdem sein Besucher gegangen war, saß Curabayn Bangkea eine ganze Weile still da und ließ den Atem durch seinen Leib ein- und ausgehen. Den ersten Schock hatte er überwunden. Sein Zorn war verflogen, nun begann er die Vorteile zu sehen.

Nicht nur die Vorteile, die ihm daraus erwachsen mußten, daß er eine kitzlige Geheimmission erledigen würde, für die man ihn ganz speziell auserkoren hatte, auch nicht die Macht, die ihm durch seine Mitwirkung an der Beseitigung Kundalimons über Husathirn Mueri, ja sogar über Taniane zuwachsen würde. Nein, da war auch die Tötung selbst — und was durch sie bewirkt werden würde. Die Ausmerzung von etwas, das ihn zur Raserei trieb, das Ausreißen eines unerträglichen Stachels. Wenn ich sie schon nicht kriegen kann, dachte er, dann hat er sie wenigstens auch nicht. Der Gedanke an den Mord selbst erregte ihn angenehm. Sich hinter den Kerl zu schleichen, der sich erfrecht hat, Niallis Geliebter zu werden. ihn zu packen. ihn in einen dunklen Gang zu zerren. den Lebensfunken langsam aus ihm herauszudrücken.

Vielleicht war dies genau das Purgativ, das er brauchte und das ihn von diesen unmöglichen wilden quälenden Gedanken befreien würde. Von der zwanghaften Besessenheit, die ihn schon so lange in den Klauen hielt. Seit Tagen schon kein anderer Gedanke in seinem Hirn als der an Nialli Apuilana. Kaum ein wenig Schlaf und niemals Ruhe: Nialli und Kundalimon, Kundalimon und Nialli. fieberische Wahnvorstellungen. wie sie in diesem kleinen Zimmer mit dem Hjjk-Gesandten zusammen war, und wie der sie mit perversen Zärtlichkeiten überschüttete, die er im Nest gelernt hatte, sie mit irgendwelchen exotischen abscheulichen und abstoßenden hjjkischen Liebestechniken begattete, die sie in seiner Umarmung zu ekstatischen keuchenden Lustschreien brachte.

Höchstwahrscheinlich waren auch Husathirn Mueris Gründe, warum er die Tat wünschte, irgendwie mit Nialli verknüpft und hatten überhaupt nichts mit der ‚Verderbnis der Jugend‘ zu tun. Denn warum sollte sich Husathirn Mueri einen Hjjkfurz um sowas kümmern? Nein, die Tatsache, daß die Kleine und Kundalimon ein Liebespaar waren, das war wichtig! Zweifellos konnte Husathirn Mueri das nicht schlucken! Und deshalb war er zu ihm gekommen, weil er wußte, daß er die Sache besser erledigen konnte als irgendwer sonst. Wer würde schließlich schon den Wachhauptmann eines derartigen Verbrechens verdächtigen? Wer überhaupt auf solch einen Gedanken kommen?

Er überlegte, was er als Belohnung fordern sollte. Seine Verhandlungsposition würde ziemlich stark sein. Ein Wort aus seinem Mund, und die Stadt würde von einem Riesenskandal erschüttert werden. Und das war denen bestimmt bewußt. Also, er würde bestimmt auf Tauscheinheiten bestehen, und zwar einem ganzen Packen. Und auf einer Beförderung in einen höheren Rang. Und auf Weibern — nein, nicht Nialli, natürlich, denn sie würden sie ihm niemals preisgeben, keiner würde so etwas können, aber schließlich gab es ja noch viele andere ‚höhere‘ Damen, die in ihrer Gunst weniger exklusiv waren, und eine davon, doch, die konnten sie ihm schon erlauben, wenigstens für eine Weile.

Doch. Ja.

Alles rückte in Sekundenschnelle in Curabayn Bangkeas Kopf an den rechten Ort.

Er erhob sich, stülpte sich den Helm über und erledigte den Rest seiner morgendlichen Aufgaben. Danach brachte ihn ein Wagen der Stadtwache zum Stadion, und er nahm in dem leichten Regen, der fiel, an der Eröffnungszeremonie und den ersten Wettkämpfen teil.

Taniane präsidierte, und neben ihr saß Nialli Apuilana. Das machte ihm seine Aufgabe viel einfacher, daß sie hier war und nicht bei Kundalimon. Wie schön sie ist, dachte er. Ihr Pelz war regendurchnäßt, man sah jede Schwingung ihres Körpers darunter. In der Häuptlingsloge hockte auch der Chronist Hresh bei ihnen, gelangweilt in sich zusammengesunken, als liege ihm ganz und gar nichts daran, vor aller Welt zu verheimlichen, wie sehr ihn dies alles anödete. Doch Nialli Apuilana saß kerzengerade da, ihre Augen blitzten hellwach, und sie schnatterte fröhlich vor sich hin.

Er starrte sie so lange an, bis er es nicht mehr aushalten konnte, dann wandte er sich ab. Er ertrug es einfach nicht, sie längere Zeit zu sehen. Diese ganze unerreichbare Schönheit — es war zu frustrierend, zu beunruhigend für ihn, der Anblick Niallis bewirkte, daß seine Eingeweide sich verkrampften.

Später ließ der Regen dann wieder nach. Er verließ das Stadion durch einen der unterirdischen Zugänge und begab sich zurück ins Stadtzentrum. Um diese Stunde machte Kundalimon gewöhnlich seinen Spaziergang den Mueri-Weg hinunter und in den Park. Curabayn Bangkea war bereit. Er postierte sich am Ausgang eines schmalen Gäßchens im Schatten einer Straße direkt unterhalb des Mueri-Hauses. Zehn Minuten, fünfzehn, eine halbe Stunde lang. Die Straße war verlassen. Fast alle waren im Stadion bei den Spielen.

Und da kam er auch schon, der Junge. Und er war ganz allein.

„Kundalimon?“ rief Curabayn Bangkea leise.

„Wer ist da? Was.?“

„Hier bin ich. Mich schickt Nialli Apuilana zu dir. Mit einem Zeichen ihrer Liebe.“

„Ich kenne dich. Du bist Cura.“

„Genau der. Da, laß es mich dir übergeben.“

„Sie ist heute bei den Spielen. Ich hab mir gedacht, ich gehe später dann zu ihr.“

„Geh statt dessen lieber zu deiner Königin!“ sagte Curabayn Bangkea und schlang Kundalimon den seidenen Würgeschal um den Hals. Der Gesandte setzte sich zur Wehr, er stieß mit den Füßen und den Ellbogen, doch nutzte dies nichts gegen Curabayn Bangkeas gewaltige Stärke. Er zog das Tuch fest. Er stellte sich die Hände dieses Mannes auf den Brüsten Niallis vor, seine Lippen auf ihrem Mund, und er zerrte fester zu. Ein paar Augenblicke lang gab Kundalimon heisere krächzende Hjjk-Laute von sich, aber vielleicht war es ja auch nur das Todesröcheln. Seine Augen quollen hervor. Seine Lippen wurden schwarz. Dann sackten ihm die Beine unter dem Körper weg. Curabayn Bangkea ließ ihn sacht zu Boden gleiten und schleifte ihn tiefer in das Gäßchen hinein. Dort lehnte er ihn gegen eine Mauer wie einen Betrunkenen und verließ ihn. Es war kein Atem mehr in ihm. Curabayn Bangkea wickelte sich den Strangulationsschal um das Handgelenk, als wäre es ein Zierband, und begab sich zu seinem Wagen zurück, den er drei Straßen entfernt abgestellt hatte. Eine halbe Stunde darauf war er wieder im Stadion. Er war überrascht, wie gelassen und ruhig er war. Aber es war ja auch alles dermaßen glatt gegangen; ein echter Profi-Job, ganz ohne Frage. Rasch und sauber. Hopp-und-ex. Und jetzt war die Stadt wieder sauberer.

Husathirn Mueri hatte seine Loge auf der Regierungstribüne dicht neben dem Hauptaufgang. Curabayn Bangkea blickte zu ihm hinüber und nickte. Er glaubte, ein antwortendes Nicken zu erkennen, war sich dessen aber nicht sicher.