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„Schweige, du!“ donnerte Salaman und hob erneut die Hand, als wollte er erneut zuschlagen. Heftig winkte er dann den Palastwachen im Thronsaal. „Du da und du — ihr überführt den Edlen Athimin sogleich ins Nordgefängnis, wo er in Gewahrsam bleibt, bis ich weitere Order über seinen Verbleib sende.“

„Vater!“

„Du wirst genügend Zeit haben, über deine Fehler nachzudenken, während du dort in deiner Zelle sitzt“, sagte der König. „Ich lasse dir Schreibzeug bringen, damit du einen ausführlichen Bericht abfassen kannst über deine geistesgestörten Glaubenstänzer. Und darin wirst du mir alles sagen, was du mir aus Feigheit oder Hinterlist verheimlicht hast, bis ich es heute früh teilweise aus dir herausholen konnte. Denn das ist noch nicht alles. Ich bin ganz sicher, da steckt noch mehr dahinter. Und du wirst es mir sagen. Alles! Hast du mich verstanden?“ Er fuhr mit dem Arm durch die Luft „Bringt ihn hier weg!“

Athimin schaute ihn betäubt und verwirrt an. Doch ei sagte nichts und wehrte sich auch nicht im geringsten, als die ebenso verblüfften Wachen ihn aus dem Großen Saal geleiteten.

Salaman ließ sich wieder auf seinem Thron nieder. Er lehnte sich schwer und tief atmend an den glatten Obsidian. Nach all dem wütenden Gebrüll merkte er jetzt, wie er ganz mühelos wieder in jene gottähnliche Ruhe zurückglitt, die ihn in der Morgendämmerung in seinem Pavillon erfüllt hatte.

Seine Hand allerdings brannte noch von dem Schlag, den er Athimin versetzt hatte.

Zwei meiner Söhne habe ich in einer einzigen Nacht geschlagen, dachte er.

Er konnte sich nicht erinnern, irgendeines seiner Kinder jemals zuvor geschlagen zu haben, und nun hatte er gleich zwei in wenigen Stunden körperlich gedemütigt und überdies noch Athimin inhaftieren lassen. Wahrlich, die Schwarzen Winde bliesen. Und Biterulve hatte sich über eine Anordnung hinweggesetzt und war zu ihm in den Pavillon gekommen. Glaubte er vielleicht, weil man ihm einmal den Zutritt gestattet hatte, daß er von jetzt an beliebig dort antanzen dürfe? Und auch Athimin — was für eine kühne Frechheit, die Information über diese neue Sekte für sich zu behalten! Glattes schuldhaftes Amtspflichtsversäumnis war das! Und derlei mußte bestraft werden, auch wenn einer der Königlichen Prinzen sich dessen schuldig gemacht hatte. Nein, besonders wenn es ein Prinz aus dem Königshaus war!

Dennoch, den lieben, sanften Biterulve zu schlagen. und den gesetzten, recht kompetenten Athimin, der eines Tages durchaus König in der Stadt sein mochte, falls seinem Bruder Cham ein Unglück zustoßen sollte.

Ach was. Sie würden ihm eben vergeben müssen. Immerhin war er ja ihr Vater — und außerdem ihr König! Und es wehten ja diese Schwarzwinde.

Salaman rückte bequem auf dem Thron zurecht und fuhr streichelnd über die Armstützen. Sein Geist war still; und dabei raste es dort in einem Tempo, das sein Begriffsvermögen fast überforderte. Gedanken, Ideen, Pläne fegten durch sein Gehirn wie tobende Windstöße. Er knüpfte unerwartete Fakten zusammen, erkannte neue Möglichkeiten. Streben diese Neugläubigen wirklich das Martyrium an? Gut. Sehr gut! Wir werden ihnen dazu verhelfen. Wir werden hier in Bälde Verwendung für ein paar Opfermutige haben. Wenn die sich nach dem Martyrium sehnen, fein, dann sollen sie es kriegen. Und damit ist dann jedermann bestens gedient. Denen und uns.

Er würde sich mal ausführlich mit dem Anführer dieser bekennerfreudigen Tanzgruppe unterhalten müssen!

Geräusche in der Vorhalle. „Der Prinz Thu-Kimnibol“, verkündete ein Vorbote.

Dann stand die hochragende Gestalt von Harruels Sohn unter dem Türbogen.

„Schon im Begriff, uns zu verlassen?“ fragte Salaman.

„Wenige Stunden noch, und wir brechen auf“, antwortete Thu-Kimnibol. „Falls der Sturm nicht erneut losgeht.“ Er kam näher. „Dein Sohn hat mir gesagt, daß im Laufe der Nacht ein Bote aus Dawinno eingetroffen ist.“

„Ja. Ein Beng. Ein Gardist. War in den Sturm geraten, der arme Kerl. Ist mir praktisch in den Armen krepiert. Er hatte einen Brief für dich. Da, dort drüben auf dem Tisch.“

„Mit deiner Erlaubnis, Cousin“, sagte Thu-Kimnibol.

Er griff hastig nach dem Schreiben, starrte es aufmerksam eine Weile an, dann riß er es auf, ohne sich das Siegel genauer anzuschauen. Er las es langsam, vielleicht mehrmals mit über das Velin gleitenden Fingern durch. Anscheinend fiel das Lesen Thu-Kimnibol nicht gerade leicht. Schließlich blickte er auf und sprach: „Von meinem Häuptling. Wie gut, daß ich bereits zum Aufbruch bereit bin, mein Cousin. Ich, werde hiermit sofort nach Dawinno zurückbeordert. Dort gibt’s Ärger, sagte Taniane.“

„Ärger? Macht sie irgendwelche spezifischen Angaben?“

Thu-Kimnibol zuckte die Achseln. „Nein. Sie sagt nur, es steht ziemlich schlimm.“ Er begann auf und ab zu stapfen. „Cousin, die Sache beunruhigt mich tief. Zuerst diese zwei Mordfälle, dann trifft die Herbstkarawane hier ein und berichtet von Aufruhr und Verwirrung und einer neuen Religion, und jetzt auch noch das! Ich soll sofort heimkommen, sagt sie! Es steht sehr schlimm! Yissou, ich wünschte, ich wäre jetzt dort! Ach, wenn man doch nur Flügel hätte, lieber Cousin!“ Er schwieg, um die Fassung wieder zu finden. Dann fragte er mit völlig veränderter Stimme: „Gevatter, kannst du mir etwas darüber sagen?“

„Worüber, mein Cousin?“

„Dieses Durcheinander in Dawinno. Ich frage mich, ob du nicht vielleicht aus eigenen. ähem, Informationsquellen Kenntnis hast, was mich dort drunten erwarten könnte.“

„Nichts.“

„Aber diese geschickten hochbezahlten Agenten, die du einsetzt.“

„Haben mir nicht das geringste berichtet, Cousin. Gar nichts!“ Das Schweigen zwischen ihnen war nicht von langer Dauer, aber es hatte etwas Klebrig-Zähes an sich. „Ja, du glaubst doch nicht etwa, ich würde dir Informationen aus deiner eigenen Stadt vorenthalten wollen, Thu-Kimnibol? Wir zwei, du und ich, wir sind doch Verbündete, ja sogar Freunde! Oder hast du das vergessen?“

Mit leiser Schamesröte sagte Thu-Kimnibol dann: „Vergib mir, Cousin! Ich hab mich bloß gefragt.“

„Du weißt ebensoviel wie ich über das, was da drunten bei euch los ist. Aber, Gevatter, hör mir mal zu, hör zu! Vielleicht steht es nicht gar so übel, wie Taniane glaubt. Sie hat eine schwere Zeit hinter sich. Und sie wird allmählich alt, sie ist müde, und sie hat zudem auch noch eine Tochter, die Schwierigkeiten macht. Nein, nein, bei deiner Heimkunft wirst du vielleicht feststellen, daß es ein paar Problemchen gibt, ein bißchen Durcheinander, aber ich verspreche dir, du wirst kein Chaos vorfinden, und die Stadt brennt auch nicht — und kein Hjjk wird im Präsidialpalast Königinnen-Liebe predigen. Taniane hat nur ganz einfach entschieden, daß sie in dieser Zeit der Prüfung deine ruhige Hand an ihrer Seite haben möchte. Und genau das wirst du ihr ja sein. Du hilfst ihr dabei, das Notwendige zu tun, um die Ordnung wiederherzustellen, dann wird alles wieder bestens sein. Immerhin bringst du ja auch einen Allianzvertrag mit nach Hause, und nach dem Bündnis gibt es einen Krieg. Ich sag dir das eine, lieber Cousin: Nichts bringt die Leute in einem unruhigen Land rascher wieder zur Vernunft als die Aussicht auf einen saftigen, feinen Krieg!“

Thu-Kimnibol lächelte. „Ja, vielleicht. Was du da sagst. Also, das klingt — vernünftig.“

„Aber sicher doch!“ Salaman zelebrierte eine ausdrucksvolle Abschiedsgeste. „Also dann, Guten Weg! Du hast hier getan, was möglich war. Jetzt braucht deine Heimatstadt deine Hilfe. Ein Krieg steht vor der Tür, und du wirst der Mann der Stunde sein, wenn es zum Kampf kommt.“

„Aber wird es dazu kommen? Ach, Salaman, wir haben darüber gesprochen, daß wir einen Zwischenfall brauchen, eine Provokation, etwas, was die ganze Sache ins Rollen bringt, etwas, das ich einsetzen kann, um die Leute zu bewegen, daß sie Truppen hierher in den Norden entsenden, die sich mit den deinigen verbünden.“