Выбрать главу

„Sie ist das Licht und der Weg.“

„. die Essenz und die Substanz.“

„. Essenz. Substanz.“

„Sie ist der Anfang und das Ende.“

„. Anfang. Ende.“

Husathirn Mueri zitterte. Beim Klang der süßen unschuldigen Knabenstimme streifte ihn ein Anflug von Entsetzen. Das Licht und der Weg? Essenz und Substanz? Was war das für ein Wahnsinn? Träumte er?

Er fühlte ein Würgen im Hals und preßte die Hand auf den Mund. Dieser Kellerraum war fensterlos, und die Luft war heiß und stickig. Der dumpfe penetrante Gestank des salzgetrockneten Fischs aus den Fässern, der wilde Geruch verschwitzter Pelze, das starke stechende Aroma der Sippariu- und Dilifar-Zweige auf dem Altartisch. Ihm wurde übel. Ihm schwindelte im Kopf. Er verschränkte die Finger und preßte die Ellbogen fest gegen die Rippen.

Dann kreischten sie alle wieder in lauten Hjjk-Geräuschen los, der Junge, das Mädchen und die ganze Gemeinde.

Im nächsten Moment, malte er sich aus, wird sich die Erde unter mir auftun, und ich schaue hinab in eine weite Grube, die so voller glitzernder Hjjk-Schwärme ist, daß es aussieht, als kochte es da drunten.

„Ruhig, Herr, nur ruhig“, zischelte Chevkija Aim neben ihm.

Dann sah er, wie der Knabe und das Mädchen vorn am Altar sich bewegten, Früchte und Zweige aufhoben und sie der Gemeinde zeigten und sie wieder niederlegten, während das Volk mit den Füßen trampelte und dröhnende klickende Laute ausstieß. Was bedeutete das Ganze? Und woher kam das alles auf einmal?

Der Junge trug auf der Brust ein blitzendes schwarzgelbes Amulett, ziemlich ähnlich dem, das der tote Kundalimon getragen hatte. Vielleicht war es sogar dasselbe. Das Mädchen hatte ein Armband, ebenfalls aus einem Hjjk-Panzer. Selbst in der herrschenden Düsternis leuchteten die Talismane in übernatürlichem Schein. Husathirn Mueri erinnerte sich, wie die Panzer der Hjjks geleuchtet hatten, wenn sie ihre rätselhaften Runden durch die Straßen von Vengiboneeza machten, als er ein Kind war.

„Kundalimon führt und leitet uns von droben. Er sagt uns: Die Königin ist unsre Trösterin und unsre Lust!“ rief der Junge erneut.

Und wieder respondierte die ganze Gemeinde: „Die Königin ist unsre Trösterin und unsre Lust.“

Doch diesmal sprang drei Reihen weiter vorn ein untersetzter Mann auf und röhrte: „Die Königin ist der eine und einzige wahre Gott!“

Und die Gläubigen plapperten auch das nach: „Die Königin ist der eine und einzige wahre.“

„Nein!“ rief der Knabe laut. „Die Königin ist kein Gott!“

„Aber was ist sie dann? Was?“ Auf einmal war der liturgische Rhythmus gestört. Überall sprangen Leute auf, fuchtelten mit den Armen und riefen: „So sag uns doch, was SIE ist!“

Der Priester-Knabe sprang auf den Altartisch. Sofort hatte er wieder die volle Aufmerksamkeit der Gemeinde.

„Die Königin“, sagte er wieder mit dieser unheimlichen hohen Singsangstimme, „ist von göttlicher Essenz, kraft ihrer Abstammung von dem Volk der Großen Welt, das im Angesichte der Götter lebte.

Aber sie selbst ist nicht Gott.“ Der Junge schien einen Text herunterzuplappern, den er auswendig gelernt hatte. „Sie ist die Erbauerin der Pforte, durch welche die wahren Götter eines Tages zurückkehren werden. Also sprach Kundalimon.“

„Du meinst — die Menschlichen?“ fragte der grobschlächtige Mann. „Sind denn die Menschlichen die wahren Götter?“

„Die Menschen sind. sie sind.“ Dem Knaben auf dem Altar blieben die Worte weg. Seine Augen wurden glasig. Dafür hatte er keinen vorbereiteten Text parat. Er schaute zu dem Mädchen hinab, und sie reckte ihr Sensor-Organ hoch und schlang es in erstaunlich vertraulicher Weise um den Knöchel des Knaben. Verdutzt holte Husathirn Mueri tief Luft. Die Berührung schien dem Knaben wieder Sicherheit zu geben. Er reckte sich wieder hoch und rief: „Die Offenbarung der Menschlichen wird erst noch kommen! Wir müssen weiter auf die Offenbarung der Menschlichen warten! Und bis dahin ist die Königin unser Leitstern und unsere Führerin.“ Dann kamen wieder diese Hjjkklicklaute. „Sie ist unsre Trösterin und unsre Lust!“

„Sie ist unsre Trösterin und unsre Lust!“

Und alle machten jetzt diese respondierenden Klickgeräusche. Es war abscheulich. Der Knabe hatte sie wieder alle unter Kontrolle. Und auch das war scheußlich.

„Kundalimon!“ brüllte die Menge. „Oh, du hochheiliger Märtyrer Kundalimon, führ uns zur Wahrheit!“

Dann hob der Priesterknabe die Arme über den Kopf. Selbst von ganz hinten konnte Husathirn Mueri erkennen, daß seine Augen von der Glut der Überzeugung loderten.

„Sie ist das Licht und der Weg.“

„Sie ist das Licht und der Weg.“

„Sie ist die Essenz und die Substanz.“

„Sie ist die Essenz...“

„Da, schau!“ wisperte Husathirn Mueri. „Jetzt hat die Kleine ihren Sensor auf seinem.“

„Sie werden gleich tvinnern, Herr. Alle werden es gleich machen.“

„Aber ganz bestimmt nicht! Alle hier an einem Ort gemeinsam?“

„Ja, so machen die’s nun mal“, antwortete Chevkija Aim ungerührt. „Die tvinnern alle zusammen und dabei geht dann die Königin in ihre Seelen ein, so hab ich das jedenfalls gehört. Es ist ein religiöses Ritual bei ihnen.“

Betäubt und ungläubig sagte Husathirn Mueri: „Aber das ist ja die abscheulichste Blasphemie, die es je gab.“

„Ich hab draußen meine Leute warten. Wir können diese ganzen Hjjkophilen binnen fünf Minuten festnehmen und abtransportieren, wenn du befiehlst, und den Schuppen zertrümmern.“ „Nein!“

„Aber du hast doch gesehen, was die.“

„Ich hab nein gesagt. Es darf keine neuen Verfolgungen geben. Das ist der ausdrückliche Befehl des Häuptlings, und der ist dir durchaus bekannt.“

„Verstehe, Herr, aber.“

„Niemand wird festgenommen! Wir lassen dieses Bethaus absolut unbehelligt. Jedenfalls vorläufig. Und überwachen es genau. Wie sonst sollten wir herausfinden, welche Bedrohung da auf uns zukommt, wenn wir dem Feind nicht genau auf die Finger schauen? Kannst du mir folgen?“

Der Hauptmann der Wache nickte. Seine Lippen waren fest zusammengepreßt.

Husathirn Mueri hob den Kopf. Vor ihm erhoben sich die dunklen Schatten der Gläubigen von ihren Fässern, bewegten sich im Raum und bildeten Gruppen. Man hörte nicht mehr das hjjkische Geklicke, sondern statt dessen ein tiefes intensives Summen. Niemand kümmerte sich um die beiden flüsternden Männer im Hintergrund des Raums. Dann wurde es in dem engen Schlauch von Keller übermäßig heiß. Der Raum konnte sich jeden Moment entzünden und in Flammen aufgehen.

Leise sagte Chevkija Aim: „Wir verschwinden jetzt besser.“

Er bekam keine Antwort.

Husathirn Mueri hatte das Gefühl, als hätten seine Beine Wurzeln geschlagen. Am anderen Ende des Kellers tvinnerten der Junge und das Mädchen schamlos vor dem Altar, und nach und nach bildete die Gemeinde Zweierpaarungen und begann in die Kommunion zu treten. Noch nie hatte Husathirn Mueri von so etwas gehört. Nie hätte er sich so etwas einfallen lassen, nicht einmal im Traum. Er schaute entsetzt und fasziniert zu.

Chevkija Aim flüsterte: „Wenn wir hierbleiben, Herr, werden die wollen, daß wir auch.“

„Ja. Ja, wir müssen wohl gehen.“

„Alles mit dir in Ordnung, Herr?“

„Wir — müssen — müssen wohl — gehen.“

„Na, gib uns mal das Händchen, Herr. So. So ist’s recht. Und jetzt — hoch und auf!“

„Ja“, sagte Husathirn Mueri. Seine Füße fühlten sich unter dem Körper wie abgestorben an. Er stützte sich schwer auf seinen Begleiter und stolperte taumelnd auf die Tür zu.

Sie ist das Licht und der Weg. Sie ist die Essenz und die Substanz. Sie ist der Anfang und das Ende.