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Sie halfen einander und kamen bald wohlbehalten unten an. Aus einem fernen Winkel drangen Geräusche.

»Da hinten!« flüsterte René. »Kommt schnell!«

Auf Zehenspitzen schlichen sie über den Weg, der sich als hellgraues Band zwischen den schlafenden Maschinenungeheuern dahinschlängelte.

Katja brachte nur wenig Mühe auf, mit einemmal stolperte sie und hielt sich im letzten Moment an einem senkrecht stehenden, wendelartig gebogenen Metallgebilde. Der Stoß lief durch den elastischen Stoff, wurde reflektiert, ein Ton wie von einer reißenden Saite ertönte, klang ab, wiederholte sich mit jedem durchlaufenden Echo, zwar leiser, aber immer noch aufreizend in der Stille der Halle.

Stimmen, Geräusche, Aufschläge von Schuhen auf Metall…

Wild blickte Don umher.

»Hierher!«

Er sprang vom Weg hinunter, auf einen breiten Vorsprung, der von einer gebuckelten Metalloberfläche abstand, kroch über die gekrümmte Fläche hinweg, ein Schemen in der Düsternis…

Die Schritte kamen rasch näher.

Al sprang die Stufe hinunter – sie war nur einen Meter tief – und streckte Katja und René die Hand entgegen. Hinter Don turnten sie über das Rund der Metalloberfläche…

Oben hielten drei Schatten…

Don war weit vor ihnen, sie hetzten weiter, um ihn nicht aus den Augen zu verlieren. Er schwang sich über eine Barriere… Da geschah es – ein Rechen wischte die Bahn entlang. Don schrie gellend auf…

Jetzt tönte die Luft, sie sang, schneidend, ohne Unterbrechung, ohne Schwanken…

Blitzartig jagte ein greller blauer Schein über die Flächen, die Kanten entlang, er fing sich an den Ecken und Spitzen, hing in den Linienreihen der Drähte… zwölf weißblaue Kugelblitze pulsierten im gleichen, metronomhaften Takt…

Ein Erwachen, Sichrühren, Sichbewegen verbreitete sich wie von einem Windhauch getragen. Das Stampfen von Kolben, das Sausen von Flügelrädern, das Ächzen von Ketten, das Knistern eines Feuerwerks von aufhuschenden Funken übertönte die Schreie Dons.

Bleich überkreidet von der blauen Helligkeit, standen drei unbewegliche Gestalten oben am Weg vor einem Vorhang aus Lichtflecken und zurückweichenden Schatten.

»Atomzerfall«, ächzte René.

Jetzt lief er neben dem Förderband her, auf das Don getreten war, sah, wie er in einem schwarzen Loch verschwand, stemmte sich auf den Weg hinauf, stürmte weiter, sah, wie Don wieder zum Vorschein kam – eine Schaufel schob ihn über eine Reihe von Sieben, bis er durch die weiten Maschen des letzten kollerte… in eine der Rinnen hinein, die sie als erstes in diesem Raum gesehen hatten. Sich überschlagend, vergeblich nach Halt suchend glitt er die Neigung abwärts, tauchte in eine Öffnung, wurde weiter vorn ausgespien, ruckte über den Schüttelmechanismus, dann kam das glockenartige Gebilde, eine Art Fangnetz aus Draht, über ihn, warf ihn empor, kippte ihn über jener Grube aus, in der sie vor einigen Stunden das blaue Glimmen gesehen hatten…

René war schon stehengeblieben. Er preßte die Hände vors Gesicht.

So schnell, wie es begonnen hatte, hörte es auf. Es war still. Tödlich still.

Nach der Fülle von Licht brauchte die Dämmerung eine Weile, um ihr beruhigendes Grau auf die Dinge zu hauchen.

Auf dem Weg oben ertönten Schritte. Jak, Tonio und Heiko zogen ab, ohne sich um die andere Gruppe zu kümmern.

René suchte Al und Katja, die jeder allein für sich wie verloren am Rand des Laufbandes standen. Auch sie verließen den Raum schweigend. Sie wanderten unter dem Gefunkel der fremden Sternbilder zu ihrem Lagerplatz hinter der Mauer.

5

Die drei achteten nicht auf die Sterne. Sie waren müde und abgespannt, und wenn sie Don sein Mißgeschick auch gönnten, so fühlten sie sich doch seltsam unsicher ohne die Autorität des Freundes, der immer sofort gehandelt und die anderen mitgerissen hatte. Vor allem aber standen sie noch unter dem Eindruck der gewaltigen Kräfte, die verborgen in Batterien, Kondensatoren, Drähten, Röhren und Behältern schlummerten und nur eine Nebensächlichkeit brauchten, um mechanisch ihren Aufgaben nachzugehen, gleichgültig, ob diese noch Sinn hatten oder nicht.

Obwohl die Nacht hell war wie alle anderen Nächte, war es doch nicht einfach, den Weg zurückzufinden. Sie benötigten eine halbe Stunde, ehe sie an der Mauer ankamen. Zehn Minuten später lagen sie auf ihren Gummimatratzen im Zelt. Sie zogen ihre Schlafsäcke bis über die Ohren, um nichts zu sehen und nichts zu hören – Produkte einer jahrmillionenalten Entwicklung des Selbstbewußtseins, der Abkehr von der Natur und der Anpassung an eine künstliche Umwelt und doch noch tierhaft in ihrem Bestreben, sich zu verkriechen.

»Al!«

Katja flüsterte, um René nicht zu wecken, der sich im Schlaf unruhig hin und her wälzte.

»Was gibt’s, Kat?«

»Ich hab’ dich schon zweimal etwas gefragt.«

Al seufzte.

»Ich weiß.«

»Bedeute ich dir so wenig?«

»Aber Katja, versteh doch – das hier ist…«

»Al, wir brauchen uns nicht mehr abzumühen, nicht mehr zu ärgern und zu quälen…«

Al versuchte sie zu unterbrechen:

»Bitte Kat, hör mir doch…«

Katja redete unbeirrt weiter.

»Vielleicht kann ich mich noch umregistrieren lassen. Vielleicht werden wir als Paar zugelassen – und dann… Willst du es nicht?«

»Ja, Katja, doch…«

»Dann laß doch diesen albernen Planeten, diese langweiligen Maschinen, diese ganze miese Stadt…«

Sie hatte ihre Stimme erhoben, und Al zischte: »Pst«, René drehte sich schnaufend herum.

»Al, ich bin doch nur wegen dir so lange geblieben. Du weißt nicht, wie schrecklich hier alles für mich ist. Denk doch daran, wie wundervoll es sein könnte! Wir würden gemeinsam mit der Fernlenkbox spielen, uns durch die plastischen Räume treiben lassen, die Farbmelodien und die Stereos erleben! Geben wir es gemeinsam auf?«

»Warte doch, bis es vorbei ist! Kat, wenn du nur begreifen könntest!«

»Gibst du das für mich auf? Nicht später und nicht nachher – gleich?!«

Al schwieg.

»Gibst du es auf?« drängte Kat.

»Nein«, sagte Al, »aber…«

»Du brauchst nichts mehr zu sagen. Es genügt mir«, sagte Katja hart. Sie rollte sich in ihren Schlafsack im letzten Winkel des Zeltes und gab keinen Laut mehr von sich.

Am nächsten Morgen fuhren sie jäh aus dem Schlaf. Jemand hob die Zeltplane auf, helles Licht fiel herein, und eine Stimme rief:

»He, ihr Langschläfer! Aus den Federn! Heraus mit euch!«

Katja schlüpfte aus den Hüllen, hüpfte zwischen den noch eingehüllten Körpern Als und Renés hinaus und warf sich Don an die Brust.

»Hallo, Kat! Was sagst du nun? Al, René, ihr Schlafmützen!«

Al setzte sich schlaftrunken auf.

»Woher kommst du?«

»Heraus mit euch, ihr beiden!« schrie Don in blendender Laune. »Mir ist nichts passiert!«

Al streifte den Schlafsack ab und kroch umständlich aus dem Zelt. Er boxte Don freundschaftlich in die Seite. Im Moment hatte er allen Zwist vergessen.

»So erzähl schon!«

Auch René gesellte sich zu ihnen.

»Also«, begann Don, »als ich über die Förderfläche laufen wollte, kam ein riesiger Rechen angefahren und streifte mich in eine Art Gang hinein. Es war gar nicht viel anders als bei der Prüfung gestern vormittag – es gab einige Haltestellen, wo ich bestrahlt, angespritzt, angeblasen und noch einiges wurde – dann ging es weiter, auf einer rutschigen Fläche bergab. Ich war der reinste Spielball, wurde um und um gedreht, in eine Art Trichter geschaufelt, dann folgte die Reise über die holpernde Unterlage – mir hob es den Magen bis zum Hals, so wurde ich durcheinandergeschüttelt. Und zuletzt hob mich etwas hoch empor – und ließ mich fallen. Ich landete weich, in einem nachgiebigen Gewebe – sanft fuhr ich eine Spirale hinab, das Netz gab nach, ich saß im Freien. Das ist alles!«