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»Eigentlich dachte ich an etwas anderes«, antwortete Al. »Ich wollte sagen, daß… ich kann es schwer ausdrücken. Ich meine, daß das alles noch nicht das Ganze ist. Daß noch etwas dahintersteckt, das wir noch nicht entdeckt haben…« Es bereitete ihm offensichtlich Mühe, sich von diesen wenig fruchtbringenden Grübeleien abzuwenden. »Aber jedenfalls dürfte das mit den Gesetzen richtig sein. Ich bin überzeugt, daß die Automaten, die irgendwo gebaut worden sind oder noch gebaut werden, solchen Regeln gehorchen müssen. Wer so weit kommt, daß er sie bauen kann, ist auch vernünftig genug, sich vor ihnen zu schützen. Gerade hier aber taucht eine ganze Menge von Fragen auf. Was geschieht, wenn die Wesen, die die Roboter gebaut haben, ausgestorben sind? Können diese dann ihre Programme selbständig ändern? Und: Wie sehen hier die Grundregeln für Roboter aus? Die Wesen dieses Planeten könnten eine andere ethische Werteskala besessen haben als wir – um nur ein Beispiel zu nennen: Sie könnten eine Vorschrift, alles Lebendige zu schützen, zwischen den ersten und zweiten Satz aus unseren Gesetzen eingefügt haben.«

»Das glaube ich nicht«, entgegnete René, »denn sie haben doch offenbar alle Tiere ausgerottet.«

»Möglich«, sagte Al, ohne sich darauf einzulassen. »Es könnte schließlich für sie auch ein komplizierteres Gesetzsystem bestehen, als es für uns selbst gilt. Aber das ist, glaube ich, gar nicht das Entscheidende, denn im Prinzip kann es ja auch kein anderes Ziel gehabt haben als das, daß die Automaten ihre Erbauer schützen mußten, daß sie ihnen Gehorsam schuldig waren und daß sie sich selbst und anderes nicht beschädigen durften. Nun aber kommt das, was mir unklar ist: Wie sehr unterscheiden wir uns von den Intelligenzwesen dieses Planeten? Oder anders formuliert: Betrachtet uns der Robotmechanismus als seine Herren? Und es gibt noch eine andere naheliegende Möglichkeit: Betrachtet er uns als Roboter – sozusagen als Kollegen?«

René schnippte verblüfft mit den Fingern.

»Tatsächlich – das ist das wahrscheinlichste!«

»Eben«, sagte Al. »Sie haben uns genau untersucht. Aber was für Mittel stehen ihnen zur Verfügung, um ein intelligentes Lebewesen von einem Roboter zu unterscheiden? Daß wir eines von beiden sein müssen, wurde ihnen sicher klar – aus unseren vernünftigen Reaktionen bei den Tests. Aber zu welchem Ergebnis sollen sie weiter gekommen sein? Wir verstehen die hiesige Sprache nicht. Wir können ihnen nicht befehlen. Und vor allem: Wir unterscheiden uns auch äußerlich von ihren Erbauern!«

»Wir kennen ihre Technik nicht. Und sie nicht die unsere. Daran liegt es«, sagte René. »Wir sind für sie Roboter, und sie behandeln uns als solche. Wir können froh sein, daß sie uns nicht vernichtet haben! Wie sollen wir uns verhalten?«

»Solange wir ohne Gewalt vorgehen, ist nichts zu befürchten. Aber ich glaube, wir werden nicht weit kommen. Ihre Hauptpflicht ist, die Bewohner dieses Planeten zu schützen, und sie werden diese Aufgabe erfüllen, selbst wenn diese längst tot sind. Diese Aufgabe geht also zweifellos vor der Regel, Roboterorganismen unbeschädigt zu erhalten. Sobald wir also erst in die Nähe des Geheimnisses gekommen sind, dürfen wir mit keiner Rücksicht mehr rechnen.«

»Al«, fragte René, »geht es dir noch immer darum, gegen Jak zu gewinnen?«

Al drehte sich zu ihm und blickte ihm forschend in die Augen. Jetzt versteht er mich, dachte er, jetzt endlich versteht er mich.

»Jak ist mir völlig gleichgültig, und ebenso Wurst ist es mir, ob wir gewinnen oder verlieren. Selbst das Aussehen der Einwohner interessiert mich wenig. Ich möchte etwas ganz anderes wissen, wie noch nie etwas zuvor.« Er senkte die Stimme, als wollte er René ein Geheimnis anvertrauen. »Ich will wissen, was aus ihnen geworden ist. Es ist nämlich das, was auch aus uns einst werden wird.«

Sie schwiegen einige Minuten und beobachteten, wie der Flaum des Abendrots die Glas- und Kunststoffflächen mit einem geheimnisumwitterten, verheißungsvollen Schimmer überhauchte. Hinter alldem, was hier durchsichtig und klar vor ihnen lag, barg sich das Rätselhafte. Sie blickten sich an, und es dämmerte ihnen, daß ihre Aufgabe ins Gigantische gewachsen war.

»Wie sollen wir vorgehen?« fragte René noch einmal. »Gibt es überhaupt einen Weg für uns – so hilflos, wie wir jetzt sind? Weißt du einen Weg?«

»Es gibt die Möglichkeit, einmal alles Kindische und Alberne beiseite zu lassen, diese sportlichen Regeln und Absprachen, die für andere Orte und andere Zwecke gut sein mögen, aber nicht für hier. Wir könnten doch einmal alle Mittel aufwenden, die uns zur Verfügung stehen. Es wird schwer sein, denn eine solche Aufgabe hat es seit Jahrtausenden nicht mehr gegeben. Wir dachten, es gibt keine Aufgaben mehr, oder sie interessierten uns nicht. Aber«, fügte er nachdenklich hinzu, »es wird nicht nur schwer sein, sondern es wird auch lange dauern.«

Er verstummte. Mit einem Anflug von Rührung sah er, wie erwartungsvoll ihn René anblickte. Er sagte:

»Es könnte noch einen anderen Weg geben!«

»Welchen?« fragte René.

»Wir könnten uns mit den Automaten verständigen«, sagte Al.

»Dann erfahren wir alles – ohne Mühe«, flüsterte René mit neuer Zuversicht.

»Vielleicht«, schränkte Al ein, aber in diesem »vielleicht« schwang die größte Hoffnung seines Lebens.

8

Nach einer weiteren Nacht im Zelt, einer Nacht voll erwartungsvoller Träume, erwachten sie, als sich Don geräuschvoll erhob und nach außen kroch. »Glaubst du, daß du ihn von unserem Plan überzeugen kannst?« fragte René leise.

Al streckte und dehnte sich.

»Das wird schwierig sein, aber ich will es versuchen.«

»Was tuschelt ihr da?« murmelte Katja im Halbschlaf. »Wie spät ist es?«

»Zeit zum Aufstehen«, sagte Al und verließ hinter René das Zelt.

Wenig später hatten sie sich wieder unten, am Fuß der Leiter innerhalb der Mauer, versammelt.

»Habt ihr eure Waffen noch?« fragte Don.

»Willst du es noch einmal mit einer Schießerei versuchen?« fragte René.

»Na klar! Glaubst du, ich gebe so rasch auf? Immerhin haben wir schon einen von ihnen beseitigt. Es sind nur mehr zwei da. Natürlich müssen wir uns vorsehen. Wir zerschlagen alle Objektive in der Umgebung und nützen die Zeit, während der die Automaten nicht verfolgen können, was wir tun. Hat jemand was dagegen?«

René stieß Al heimlich an.

»Der Plan ist gut«, sagte er, »aber wir haben es uns gestern noch einmal überlegt. Wir haben einen anderen Plan. Sag’s ihm, Al!«

Al tat es, und Don hörte eine Weile stirnrunzelnd zu. Dann unterbrach er die Erklärungen, indem er sich demonstrativ die Ohren zuhielt.

»Auf was für seltsame Ideen ihr kommt, wenn man euch allein läßt!« rief er. »Wollt ihr jetzt mit technischen Studien anfangen? Mit Sprachtheorie und philosophischem Kram? Merkt euch doch endlich, daß man das Ziel am besten erreicht, wenn man geradewegs darauf losgeht! Ich will etwas – und nehme es mir. Das ist es.«

»Was hast du bisher auf diese Weise erreicht?« fragt René.

Don schlug nun einen lehrhaften, überredenden Ton an.

»Seht, Jungens, ich will ja gar nicht behaupten, daß ihr auf eure Art nichts erreicht. Aber das dauert doch viel zu lange. Inzwischen sind Jak und Heiko ans Ziel gekommen, und wir können durch die Finger schauen.«

»Ach Don«, sagte Al bekümmert, »sieh doch endlich ein, daß man hier andere Mittel anwenden muß. Schau dir dieses Ding hier an!« Er zog die Pistole aus Dons Gürtel und hielt sie ihm unter die Nase. »Mit solchem Spielzeug willst du dich gegen Maschinen wehren, gegen eine Intelligenz, die du überhaupt nicht begreifst und die das alles hervorgebracht hat!« Er ließ die Waffe auf den Kunststoffboden vor Dons Füße fallen, packte ihn an der Schulter und schubste ihn herum. »Schau sie dir an, diese riesige Fabrik! Aber ich will dir noch etwas anderes verraten: Das alles ist noch gar nichts. Es ist viel zu einfach. Es ist zwar anders als bei uns, anders aufgebaut, anders eingerichtet, aber es gleicht unserem eigenen System trotzdem ganz erschreckend. Es steht auf derselben Entwicklungsstufe wie unsere eigene Technik. Aber bei denen hier, verstehst du, ist das doch längst vorbei! Die sind schon viel weiter. Irgendwo ist also noch etwas, das erst später kam – etwas, das einer höheren Stufe zugehört! Es muß irgendwo sein! Und das ist viel komplizierter und mächtiger, als du dir vorstellen kannst. Deine Absichten und deine Pläne sind einfach lachhaft!«