»Es ging«, murrte Don unangenehm berührt.
Jak fuhr belustigt fort:
»Dann waren wir euch drei Tage voraus, aber es dauerte eine Weile, bevor wir auf den Dreh mit der Spiegelung kamen. Wir kletterten dann an einem Seil hinunter. Nun waren wir im Zentrum – und es ging wieder nicht weiter. Gleich zu Beginn steckten uns die Automaten in eine Art Prüfanlage, dann ließen sie uns aber wieder frei, und wir konnten uns in Ruhe umsehen. Die Fabriken sind recht ulkig, aber von den Einwohnern bemerkten wir keine Spur. Seid ihr auch auf die Idee gekommen, daß sie sich vor irgendeiner Katastrophe versteckt und verkrochen haben und dann gestorben sind?«
Er sah sich fragend um, doch er erhielt keine Antwort. Don hatte hierüber keine Meinung, und Al war zu begierig darauf, etwas Neues zu erfahren, als daß er die Erläuterungen Jaks durch mühsame und wahrscheinlich fruchtlose Erklärungen unterbrochen hätte.
»Natürlich erschien uns dieser Hügel am interessantesten. Und das hat sich auch in gewissem Sinn bestätigt. Er ist das Steuerzentrum für die Stadt. Aber nicht nur das: Wir haben noch etwas anderes gefunden, und das will ich euch gleich zeigen.«
Die Gänge hatten ihr Aussehen nicht verändert, doch die Räume, zu denen sie führten und die sie verbanden, waren ein wenig anders eingerichtet als in den oberen Geschossen. Während die Installationen dort fast eintönig waren, gab es hier unten eine unbeschreibliche Fülle der verschiedenartigsten Apparaturen. Manche Räume schienen einfache Schaltkabinen zu sein, andere aber ähnelten eher Laboratorien für komplizierte physikalische, chemische und biologische Experimente; manche Abteilungen sahen wieder wie Archivräume aus, mit ihrer Unzahl von Fächern voll von Bändern, Platten, Rollen und ähnlichen Dingen jener Beschaffenheit, die für Zwecke der Dokumentation prädestiniert sind.
Al fesselte all das sehr, aber Jak steuerte unbeirrt weiter in die Tiefe. Schließlich erreichten sie eine niedere großflächige Halle, deren Decke von regelmäßig angeordneten Pfeilern gestützt war. Sie war leer. Sie schien das System der Gänge nach unten abzuschließen, denn es gab keine der üblichen Vorrichtungen, mit denen Menschen und die vermutlich menschenähnlichen Bewohner dieses Planeten Räume voneinander zu trennen oder miteinander zu verbinden pflegten – keine Türen oder Tore, Fensteröffnungen oder Gangmündungen. Dagegen befand sich etwas Auffälliges am Boden, und selbst das nur an einer Stelle: eine tellerförmige Vertiefung, etwa zwanzig Meter im Durchmesser, und innerhalb der Mulde weitere gleichgeformte Vertiefungen, einander ringförmig umschließend, aber exzentrisch angeordnet, die eingeschlossenen stets ein wenig tiefer hinunterreichend als die einschließenden. Wenn man genauer hinsah, dann bemerkte man, daß die runden Formen abgestuft waren, als wäre alles aus kleinen würfelförmigen Bausteinen zusammengesetzt.
Jak trat an den Rand und sagte:
»Das ist es. Was haltet ihr davon?«
Im Gegensatz zum grauen Material der übrigen Boden- und Wanddeckenverkleidung, jener Masse, mit der das ganze Innere des Hügels verkleidet zu sein schien, war der Baustoff des Bodens und des eingelassenen Tellers Metall, ein spiegelndes, aber ungewöhnlich dunkles, fast schwarzes Metall.
»Es scheint etwas darunter zu stecken«, sagte René. Er klopfte auf der Masse herum, legte sich nieder und hielt das Ohr darauf. »Nichts festzustellen.«
»Man müßte es öffnen«, sagte Don.
»Und wie?« fragte Heiko.
Al legte die Hand an den Rand des äußeren Ringes. Er fühlte sich kühl und erstaunlich glatt an. Al war, als erhielte er über seine Hand Verbindung mit Regungen und Strömungen, die dort unten lebendig waren, aber im stillen schalt er sich sofort wegen dieser absurden Idee. Er konnte aber nicht verhindern, daß sein Herz bis zum Hals hinauf schlug. Ein seltsames Gefühl wogte in ihm hoch, und eine innere Stimme flüsterte ihm zu: »In irgendeinem der Schalträume dürfte die Möglichkeit liegen, das Tor zu öffnen. Wir müssen herausfinden, wie diese Geräte zu bedienen sind, wir–«
Don fiel ihm roh ins Wort: »Ich habe eine Idee.« Er wartete einen Moment, um seinen Worten den richtigen Nachdruck zu verleihen. »Wir sprengen diesen Deckel auf!«
»Womit?« fragte Jak interessiert.
Don blinzelte ihm zu.
»Womit? Das ist die Frage. Aber ich kann sie beantworten. In dieser Stadt gibt es Raketen, es muß darin auch Sprenggeschosse geben – Bomben, wahrscheinlich Atombomben. Wir suchen sie – und knacken das Schloß.«
»Das ist das Unvernünftigste, was ich je gehört habe«, rief Al erregt und trat auf Don zu. Da fühlte er eine Hand auf seiner Schulter. Jak grinste ihn an.
»Ich finde das gar nicht dumm. Das ist sogar sehr gut! Wir sprengen diesen Topf hier auf – warum nicht?« Er nickte vergnügt vor sich hin. »Ihr braucht nicht mitzutun«, sagte er zu Al und René. »Unterhaltet euch mit den Schaltungen. Aber stört uns nicht. Wir suchen!«
Jak, Don und Heiko gingen fort und waren bald im nächsten Wendelraum verschwunden, durch den sie heruntergekommen waren. Al und René blickten ihnen nach.
10
Nachdem die Kameraden sie verlassen hatten, war es sehr still geworden. Leblosigkeit und Einsamkeit beherrschten die Gänge. Sie hätten gern etwas gesprochen, nur um die Stille zu durchbrechen, aber es gab nicht viel zu sagen. René hatte den Wunsch, die Laboratorien zu durchsuchen, und so wanderten sie über die geneigten Wege zur nächsten Etage hinauf.
»Wenn wir noch etwas finden wollen, dann bleibt uns nicht mehr viel Zeit«, sagte Al niedergeschlagen.
René versuchte ihn zu trösten.
»Vielleicht finden sie keine Bombe.«
»Warten wir ab!« sagte Al ohne Hoffnung.
Sie betraten eines der Laboratorien, und für René versank die Gegenwart. Er spähte in Mikroskope, schraubte an Flügelrädchen, untersuchte Waagen, verfolgte ausschlagende Zeiger, projizierte Spektren auf gerasterte Skalen, er wanderte von einem Gerät zum andern, drehte, schaltete, verschob…
»Ich sehe mich inzwischen in den Archiven um«, sagte Al, doch er war nicht sicher, ob ihn René gehört hatte. Er schaute in einige Räume und blieb dann in einem stehen, in dem etwas stand, das einer Einrichtung für Totalwiedergabe nahe kam. Er wußte, daß es gefährlich war, sich des Geräts zu bedienen, weil diese Verfahren in Gehirnvorgänge eingreifen, war sich aber nicht darüber klar, wie sich die induzierten Reize in diesem Fall auswirken würden. Zuerst untersuchte er die Schaltbrettchen, die an den Enden der Stuhllehnen saßen. Wenn sie demselben Zweck angepaßt waren wie jene auf der Erde, dann konnte sich die Anordnung und die Anpassung an die Wiedergabequalitäten nicht allzusehr von den gewohnten unterscheiden. Er drehte ein wenig an den Schrauben, überlegte genau und kam dann zu einer Hypothese für die Bedienung, die sich zwar erst als richtig erweisen mußte, ihm aber doch recht wahrscheinlich erschien. Es blieb ein Wagnis, aber er wollte so schnell wie möglich so viel wie möglich erfahren, und so mußte er es auf sich nehmen. Er setzte sich in den Stuhl, erdete den Knöchel und stülpte den Helm, der den auf der Erde gebräuchlichen verblüffend glich und ihm auch ausgezeichnet paßte, über den Schädel. Dann legte er die Unterarme auf die Lehnen und die Hände vor die Regelschrauben. Der Platz für seine Arme war ein wenig beengt, aber wenn er die Ellenbogen nach hinten schob, paßten sie ganz gut in die leicht geschwungenen, rinnenartig ausgehöhlten Stützen.
Nun drückte er mit dem Daumen der Linken einen Knopf nieder. Er hatte vorher festgestellt, daß er durch ein zweimaliges Niederdrücken wieder ausschalten konnte, und darum ließ er die Fingerkuppe in Kontakt mit der leicht konkav gewölbten Oberfläche des Schaltknopfes stehen. Unruhig wartete er…… das Licht wurde schwächer.