»Ihr seid bloß feig«, sagte Don. »Feig und dumm dazu. Na, geht doch!« schrie er plötzlich. »Ich warte hier inzwischen und spiele mit dem Ding hier! Vielleicht geht es los!«
»Sei bloß vorsichtig!« sagte Jak drohend. Und zu Al gewandt: »Habt ihr herausgefunden, was sich unter dem Deckel befindet?«
»Wir hatten nicht viel Zeit«, erklärte René. »Aber wir haben auch etwas von den unteren Räumen gesehen.«
»Was?«
»Schwer zu beschreiben«, antwortete René unsicher. »Es sind – … nun – Dinge wie Blumen, sehen aus wie Orchideen. Und sie sitzen in Käfigen.«
Don lachte laut heraus, sagte aber nichts.
Jak runzelte die Stirn.
»Ist das alles?« fragte er. »Habt ihr Lebewesen unten gesehen?«
René sah sich in die Enge getrieben.
»Nur die Blumen.«
»Der Orchideenkäfig. Ich weiß«, sagte Jak. »Na, dann steht fest, was wir zu tun haben. Heiko, mach die Rakete fertig!«
Heiko thronte noch immer oben auf dem schmalen Führersitz des Kranwagens. Nun ließ er ihn wieder anlaufen, um die daran hängende Lafette in die richtige Position zu bringen.
»Ihr habt euch Blödsinn vormachen lassen«, sagte Jak nebenher zu Al.
»Klinkt den Haken aus!« bat Heiko. Don sprang hinzu und löste die Halterung. Heiko fuhr einige Meter beiseite, sprang hinunter und trat an den Karren, auf dem das Gerüst mit der Rakete montiert war. Er rückte daran herum und visierte den Hügel an.
»Ihr werdet alles in die Luft sprengen!« sagte Al. »Nichts von allem, was wir noch finden könnten, wird übrigbleiben.«
Don tat so, als hätte er nichts gehört. Er trat an das Gerüst, langte durch die Stäbe und klatschte seine Hand auf das Metall.
»Ein wenig klein, das Ding hier«, sagte er. »Das soll eine Atombombe sein!«
Heiko nahm ihn ernst.
»Sie genügt für unsere Zwecke, du wirst sehen!«
»Können wir jetzt schießen?« fragte Jak.
»Wollt ihr vielleicht hierbleiben, während ihr schießt?« fragte René entsetzt.
»Wovor hast du Angst? Vielleicht vor der radioaktiven Wolke?« spottete Don.
»Jak«, sagte Al eindringlich, »René hat recht. Wir sind hier viel zu nah am Explosionsherd. Ihr sprengt euch selbst in die Luft!«
»Wir können nicht weiter zurück«, sagte Heiko. »Hinter uns ist die Mauer. Wie soll ich mit der Rakete und der Abschußvorrichtung drüber hinwegkommen?«
»Wir können nicht weiter zurück«, sagte nun auch Jak. »Wir schießen sie ab, und zwar von hier. Wenn ihr wollt, könnt ihr davonlaufen. Aber beeilt euch, wir warten nicht lang!«
Al schüttelte den Kopf.
»Ihr habt doch gar keine Ahnung von der Wirkungskraft dieser Bombe. Es muß ja gar keine Atombombe sein!«
»Was sonst?« fragte Jak.
»Irgend etwas viel Schlimmeres«, antwortete Al noch immer völlig ruhig, als hätte er es mit ungelehrigen Schülern zu tun. »Diese Technik ist uns doch weit voraus. Denkt an die Abschirmung! Sie kann Waffen entwickelt haben, die wir uns gar nicht vorzustellen vermögen. Ihr könnt doch nicht alles riskieren…«
Don brachte es nicht fertig, ruhig zuzuhören.
»Hör doch endlich auf zu predigen!«
»Laß ihn reden«, sagte Jak. »Was können wir nicht riskieren, Al?«
»Das alles hier! Diese Möglichkeit, Neues zu erfahren. Aber nicht nur das! Jak, diese Leute sind weiter gekommen als wir. Sie haben das Atomzeitalter überstanden; es ist das erste Mal, daß wir eine solche Kultur finden – außer uns selbst! Aber wo sind sie? Was ist mit ihnen geschehen? Ich muß das wissen, Jak, bitte – versteh doch – hier können wir erfahren, was auch aus uns einst werden wird!«
Jak schaute ihm nachdenklich ins Gesicht.
»Gut, Al«, sagte er. »Ich habe dich reden lassen. Ich habe dir zugehört. Du willst wissen, was aus ihnen geworden ist. Schön. Ich verstehe zwar nicht, warum das so wichtig ist, aber das ist deine Sache. Jetzt aber hör mir gut zu. Ich will auch wissen, was da unten in dem Hügel ist, und zwar bald. Bald oder gar nicht. Denn, und das sage ich, damit du auch mich verstehst« – jetzt klang seine Stimme schneidend –, »ich habe genug von hier. Mir ist das hier zu langweilig. Es widert mich an! Ich will versuchen, den Deckel zu heben und hineinzusehen, und dann: ade! Wenn es nicht gelingt, ist es auch recht. Es ist mir also völlig gleichgültig, was mit uns geschieht. Und gar aus der Stadt! Soll sie doch in die Luft gehen. Und darum«, er wurde wieder leise, »und darum schießen wir jetzt.«
Al nickte. Es war wirklich nichts zu machen. Starr sah er zu, wie Heiko noch einmal durch das Visier spähte und dann erwartungsvoll zu Jak schaute, wie dieser den Arm hob und wieder senkte, wie Heiko einen Auslöser ergriff, der an einer langen Zuleitung hing, und den Knopf drückte.
Der bisher tote Metallkörper des Geschosses begann zu zittern, und das Gestänge zitterte mit. Dann schoß am Heck ein feuriger Strahl heraus, die Rakete schob sich einen Meter vor, zischend und dröhnend schien sie noch einmal zum Halten zu kommen, und dann fegte sie mit riesiger Geschwindigkeit fort, in einer geraden Linie auf den Hügel zu.
Es dauerte fast eine Sekunde, während der nichts geschah. Hierauf schien mit einem Mal die Luft zu zerreißen. Es ging lautlos vor sich… Das letzte, was Al sah, war eine glühende Wand, die auf ihn zulief.
Der dritte Versuch
1
Hier oben brannte die Sonne viel stärker als einst unten im Tal, aber auch der Wind war kräftiger und kühlte alle schattigen Partien in Sekundenschnelle bis zum Gefrierpunkt ab. Manchmal brachte er Wolken von Sand herbei, feinen Sand, der bald in Augen, Ohren und Mund drang, unangenehm zwischen den Zähnen knirschte, die Kleidung füllte und die Haut aufrieb, wenn man die Glieder bewegte.
Al und René standen auf glasigen Krusten und Schlacken. Sie blickten auf die Ebene, die hundert Meter unter ihnen lag. Die Luft war noch immer mit berauschendem Thymianduft gesättigt; sein Ursprung schien jetzt, da es keine Pflanzen mehr gab, noch rätselhafter als früher.
Es war nun das dritte Mal, daß sie auf diesem Planeten erwacht waren. Diesmal hatten sie sich länger gedulden müssen, denn nichts von den Einrichtungen war erhalten geblieben. Sie wußten nicht, ob die Explosion alles vernichtet hatte oder ob die Umwandlung während jener unerklärlichen Ereignisse erfolgt war, die danach eingetreten sein mußten.
Es gab keine Stadt mehr, kein Flachland, kein Tal. Es gab nur eine Wüste, die wie ein Meer unter ihnen im Kessel lag, gut zwei Kilometer über dem Niveau des alten Talgrundes. Ein Großteil der Oberfläche war mit Sand bedeckt; er konnte aber nicht tief hinunterreichen, denn an manchen Stellen ragten Felsen über die Oberfläche hinaus. Es handelte sich nicht um Klippen oder Blöcke, sondern um bauchige Massen, manchmal auch um flache Stufen. Es sah aus, als hätte jemand Wachs ausgegossen und dieses wäre rasch erstarrt, noch bevor sich seine Oberfläche vollkommen glätten konnte. Diese Wüste erstreckte sich ohne Unterbrechung bis an die gegenüberliegenden Gebirgshänge, die als dunkler Strich am Horizont lagen.
»Ich glaube, es hat keinen Sinn mehr«, sagte René.
»Meinst du, daß alles vernichtet ist?« fragte Al.
»Von der Stadt ist jedenfalls nichts übriggeblieben.«
Al blickte ihn abschätzend von der Seite an.
»Denkst du eigentlich noch an die Luftspiegelungen?«
René lachte verblüfft auf. »Das wäre natürlich eine Erklärung für alles. Daß ich daran nicht gedacht habe! Meinst du, daß die Steine und der Sand Schwindel sind?«
»Das werden wir gleich feststellen.«
Sie hatten das Lager an einer Stelle errichtet, von der sie durch ein Kar mühelos absteigen konnten. Gleich darüber begannen die Wände sich steil aufzubäumen. Um eine ebene Fläche für die Gebäude und als Landeplatz für den Hubschrauber zu gewinnen, hatten sie einen keilförmigen Einschnitt ins Gestein getrieben.