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Verteidiger: »Stand unsere Automatik mit den Rezeptions- und Kontrollorganen des Maschinengeländes in Verbindung?«

Registratur: »Ja.«

Verteidiger: »Aus ihrem Verhalten, besonders aus den Zerstörungen des letzten Tages im Bestehen der Stadt, wäre zu schließen gewesen, daß Gefahr auch für die tiefen Geschosse bestand. Warum wurde nichts unternommen?«

Registratur: »Das Programm sah kein Eingreifen in den Oberflächenregionen vor. Die Automatik lernt nur an dem, was tatsächlich eintritt. Das Programm kann erst danach geändert werden.«

Verteidiger: »Ich darf also feststellen, daß es außer der Deckplatte keinen Schutz gegen Einwirkungen intelligenter Wesen von außen gab. Warum gab es keinen solchen Schutz?«

Registratur: »Die Menschen waren befriedet. Maschinen und Automaten stehen unter Selbstkontrolle. Biologische Neuentwicklung war ausgeschlossen, da wir den Planeten sterilisiert hatten. Das Einwirken von Intelligenzen aus dem interplanetarischen Raum war ausgeschlossen, weil sich auf den Nachbarplaneten kein Leben befand und sich auch keines bilden konnte – wir hatten sie ebenfalls sterilisiert. Das Einwirken von Intelligenzen aus dem interstellaren Raum schien ausgeschlossen, weil es sich bei unserem System um eine isolierte Sonne handelt. Alle planetenbehafteten Sonnen, auf denen es Lebewesen geben könnte, sind mehr als fünf Millionen Lichtjahre von uns entfernt. Da sich nichts Materielles mit Überlichtgeschwindigkeit bewegen kann, war mit genügender Wahrscheinlichkeit auszuschließen, daß fremde Lebewesen auf unseren Planeten kommen.«

Verteidiger: »Das wär’s. Ich danke.«

Vorsitzender: »Sind noch Zeugen zu vernehmen? Hat der Ankläger noch eine Frage? – Da das nicht der Fall ist, schließe ich die Beweisaufnahme und bitte den Ankläger, mit seinem Plädoyer zu beginnen.«

Ankläger: »Ich möchte vorausschicken, daß die Zerstörung von hochorganisiertem Leben, insbesondere von intelligenten Lebewesen, im ganzen Weltraum ein fluchwürdiges Verbrechen ist. Es steht außer Zweifel, daß das auch für die Welt der Angeklagten gilt; denn auch in ihrem Recht sind für Mord die schwersten Strafen vorgesehen. Diese Tatsache läßt sich durch nichts verschleiern oder abschwächen, auch nicht durch Berufung auf Regeln, Gehorsam, Kameradschaft oder etwas Ähnliches.

Die einzigen Entschuldigungsgründe, die man gegen die Anklage der Tötung anführen könnte, sind Nichtwissen oder Zwang durch Bedrohung des eigenen Lebens. Ich kann beweisen, daß in unserem Fall beide Milderungsgründe nicht zutreffen.

Doch zunächst zu den Ausreden des Angeklagten, mit denen er sich auf seine Gehorsamspflicht bezog. Diese Entschuldigung ist völlig haltlos, denn er hat selbst zugegeben, daß die Spielregeln gewaltsames Hindern, Verletzen und gar Töten verbieten. Das gilt nicht nur für die Beteiligten, sondern offensichtlich auch für die Organismen und Gegenstände, die die Angeklagten antreffen. Beweis für die im Grunde friedliche Natur des Spiels ist die Tatsache, daß es den Beteiligten verwehrt ist, Hilfsmittel anzuwenden, mit denen sie störend in den Haushalt der von ihnen betretenen Welt eingreifen können. Die Angeklagten haben also keinen Grund, sich mit Bezug auf die Regeln herauszureden. Im Gegenteiclass="underline" Daß sie sich so leichtfertig über diese Regeln hinweggesetzt haben, beweist, wie wenig ihnen Recht und Gesetz gelten. Dazu kommt noch ihre Gleichgültigkeit dem Tod der eigenen Kameraden gegenüber.

Ich komme nun zum Argument des Nichtwissens. Dieser Punkt ist wohl von vornherein auszuschließen, denn das ganze Spiel ging doch darum, auf die höchstentwickelten Lebewesen zu treffen – offenbar ein Überbleibsel aus jener Zeit, da Forschung noch keine Unterhaltung, sondern ernste Lebensaufgabe war. Der Schuß konnte also nur diesem Ziel dienen. Die Angeklagten waren sich im klaren, daß sie der Deckplatte nicht anders beikommen konnten, und so versuchten sie es eben auf Biegen oder Brechen durch eine Sprengung, ohne sich davon durch irgendeinen Gedanken abbringen zu lassen, daß sie auf diese Art Leben verletzen und vernichten konnten.

Und nun zum letzten möglichen Argument, dem des unwiderstehlichen Zwanges. Auch ihm steht die Aussage des Angeklagten selbst gegenüber, daß sein Leben durch eine Weigerung in keiner Weise gefährdet gewesen wäre. Er hat einfach nichts Entscheidendes gegen den tödlichen Schuß getan. Wenn er sich auf Kameradschaft bezieht, dann ist ihm entgegenzuhalten, daß er die Konsequenzen einer solchen Art von Kameradschaft eben auf sich nehmen muß. Und das gilt für den zweiten Angeklagten ebenso. Es kommt hier keineswegs darauf an, wer den Schuß schließlich abgefeuert hat, sondern wer an den Vorbereitungen dazu mitgewirkt hat; das Abschießen der Rakete war nur eine sekundäre Handlung. An diesen Vorbereitungen aber waren die Angeklagten genauso beteiligt wie ihre Gefährten, die heute leider nicht vor diesem Gericht stehen. Sie haben das durch ihr Verhalten und besonders auch durch ihren Aufenthalt vor dem Eingang zu den tiefen Geschossen kurze Zeit vor der Explosion bewiesen. Ich halte sie sogar für noch mehr schuldig als die anderen Beteiligten, denn sie scheinen sich am ehesten darüber klargewesen zu sein, daß es unter der Deckplatte Leben gab.

Es ist meine Aufgabe, die Schuld der Angeklagten zu beweisen. Das habe ich getan, und ich bin überzeugt, daß mir die unbestechliche Apparatur der Logistikanlage nur beistimmen kann. Es dürfte kein Zweifel daran bestehen, daß die Angeklagten des Mordes in zweiundvierzig und der schweren Körperverletzung in hundertzwanzig Fällen schuldig zu sprechen sind. Sie haben für ihre Untaten mit der höchsten Strafe, die ihr Gesetz kennt, mit der Todesstrafe, zu büßen.«

Vorsitzender: »Ich bitte den Verteidiger, mit seinem Plädoyer zu beginnen.«

Verteidiger: »Es ist eine der Aufgaben des Verteidigers, alle Gründe dafür zu finden und anzuführen, um die Tat des Angeklagten in milderem Licht erscheinen zu lassen. Diese Aufgabe fällt mir in diesem Fall nicht schwer, im Gegenteil, die Argumente gegen die Anschuldigung des Staatsanwalts drängen sich fast von selbst auf. Sie sind so umfassend, daß die ganze Anklage als nicht stichhaltig entlarvt wird und das Ergebnis nicht eine mildere Beurteilung, sondern völlige Entlastung meiner Mandanten ist.

Um dies zu beweisen, muß ich auf ihre Lebensumstände eingehen. Ich will davon absehen, darzulegen, daß sie Menschen derselben Art sind, wie wir sie hier zu schützen und zu betreuen haben. Trotzdem ist mir aber wohl der Vergleich mit ihnen erlaubt, und so kann ich ihre Situation am besten durch jenen Zustand kennzeichnen, den die Bewohner dieses Planeten erreicht hatten, als sie die Gartenhäuser des äußeren Ringes benutzten. Schon Tausende Generationen vor ihnen waren alle Aufgaben erfüllt, alle Ziele erreicht, alles Wissen errungen worden. Was ihnen zu tun blieb, war, ihr Leben der Kunst, der Unterhaltung, dem Vergnügen zu widmen. Mit materiellen Aufgaben hatten sie nichts mehr zu tun, sie brauchten nicht für Nahrung, Kleidung, Heizung, Wohnung zu sorgen, nicht zu arbeiten, nicht zu forschen, nicht zu kämpfen.

Diese Situation unterscheidet sich nur in einem von jener bei den Angeklagten, nämlich durch die Möglichkeit interstellarer Reisen. Selbstverständlich führen sie diese nicht als Forschungsreisen durch, sondern in jener spielerischen Weise, die sie als einzige Lebensart kennen. Kindern gleich wandern sie durch fremde Welten, ohne eigentlich zu wissen, was sie tun. Wie es unter diesen Umständen gar nicht anders denkbar ist, gibt es Unfälle, Todesfälle – aber der Trieb, sich davor zu fürchten, sich dagegen zu wehren, ist ihnen abhanden gekommen. Sie nehmen sie hin wie Verlustpunkte in einem Spiel, als Mißgeschick, als Panne. Das ist durch ihr Verhalten eindeutig bewiesen.

Wie verhalten sich solche Wesen nun dem fremden Tod gegenüber? Nie standen sie vor der Notwendigkeit, fremdes Leben schützen zu müssen. Das besorgen ihre Automaten. Sie können tun, was sie wollen – nie kann etwas Ernstliches geschehen, nie wird jemand geschädigt, verletzt oder gar getötet. Wer kann es ihnen verübeln, daß sie gar nicht an die Möglichkeit denken, sie könnten Unheil stiften? Wer ist schuld – sie selbst oder vielmehr jener, der es zuläßt: der Automat? Ich werde darauf gleich zurückkommen.