»Wer will noch mal, wer hat noch nicht«, rief Kahners. »Na, nicht so schüchtern, meine Herrschaften! Nützen Sie diese einmalige Gelegenheit. Hier und jetzt wird Ihr Opfer benötigt.« Drüben in der Ecke erhob sich ein gewisser Abramowitz und zeichnete eintausend Dollar. Kahners strahlte - aber nur, bis er den Namen auf seiner Liste abgehakt hatte. Offensichtlich hatte er von Mr. Abramowitz mehr erwartet. Als dieser sich gesetzt hatte, wurde er von seinem Gegenüber in ein angeregtes Gespräch verwickelt. An jedem der Tische begann nun ein agent provocateur für die Spendenaktion Stimmung zu machen, nur an Michaels Tisch forderte niemand zu weiteren Spenden auf. Man saß unbehaglich da und blickte einander an. Sollte, so fragte Michael sich plötzlich, sollte am Ende er selber vom Komitee zum Einpeitscher ausersehen sein? Doch der soeben mit breitem Lächeln sich nähernde Kahners machte seinen Zweifeln ein Ende.
»Schlecht steht es um ein Land und übel um die Zeit, wenn nur der Wohlstand wächst und nicht die Menschlichkeit«, sagte er. »Goldsmith«, bemerkte Sandy Berman düster.
»Oh, ein Student, wie ich höre! « Und Kahners legte eine Spenderkarte vor ihn hin.
»Schlimmer - ein Lehrer! « Berman ließ die Karte unbeachtet. Kahners lächelte und fuhr fort, jedem der Dasitzenden eine Karte auf den Tisch zu legen. »Was haben Sie nur?« fragte er. »Eine einfache Spendenaktion.
Zücken Sie Ihre Federn und zeichnen Sie, meine Herren, zeichnen Sie! «
»Es ist besser, du gelobtest nichts, denn daß du nicht hältst, was du gelobtest«, sagte Berman.
»Prediger Salomonis«, sagte Kahners, diesmal ohne zu lächeln. Er sah von einem zum andern. »Hören Sie«, sagte er. »Wir haben wie das liebe Vieh für diese Kampagne geschuftet. Wie das liebe Vieh! Und zwar für Sie! Für Sie und Ihre Kinder! Zum Wohle der ganzen Gemeinde!
Wir haben von den Hauptspendern beispielgebende Beträge erhalten, Beträge, wo Ihnen die Augen herausfallen werden. Allein Harold Elkins hat fünfzigtausend Dollar gegeben! Fünfzigtausend! Jetzt ist es an Ihnen, ebenso generös zu sein. Generös auch vor sich selbst. Schauen Sie, es soll doch ein demokratischer Tempel werden. Und damit er das wird, muß auch der kleine Mann sein Schärflein dazu beitragen.«
»Die Sache ist nur, daß es überhaupt nicht demokratisch dabei zugeht«, sagte ein eulenhaft aussehender Jüngling am anderen Tischende. »Es ist doch so, daß den finanziell Schwächsten das Geben am schwersten gemacht wird.«
»Jeder nach seinen Kräften. Alles ist proportional gestuft«, sagte Kahners.
»Sagen Sie! Sehen Sie, ich bin ein kleiner Buchhalter. Ein Arbeitnehmer.
Soll ich verdienen zehntausend im Jahr. Das bringt mich in die Zwanzig-Prozent-Kategorie. Geb ich nun fünfhundert Dollar, kann ich davon einhundert abschreiben. Also kostet mich meine Spende immer noch vierhundert. Nehmen wir dagegen einen Unternehmer mit, sagen wir, vierzigtausend pro Jahr.« Der Sprecher rückte nervös an seiner Brille. »In seiner Steuergruppe kann er vierundvierzigeinhalb Prozent abschreiben.
Gibt er zweitausend Dollar, macht er sich viermal so groß wie ich, und hintenherum bringt er beinah die Hälfte seiner Spende wieder herein.«
Die Umsitzenden begannen dieses Phänomen zu diskutieren. Nichts als Spitzfindigkeiten. Mit der Statistik beweise ich Ihnen alles! Gentlemen«, sagte Kahners, »möchte jemand von Ihnen jetzt gleich unterzeichnen?«
Keiner rührte sich.
»Dann entschuldigen Sie mich. Es war mir ein Vergnügen.« Und schon trat er an den nächsten Tisch. Wenige Minuten darauf begann die Gesellschaft sich aufzulösen.
»Kommen Sie noch mit auf einen Kaffee?« fragte Leslie June Berman.
»Wie wär's mit Howard Johnson's?«
June blickte fragend auf ihren Mann und stimmte dann zu.
Als sie an Kahners vorüberkamen, hatte sich der gerade Abramowitz vorgeknöpft, den Spender der eintausend Dollar. »Könnten Sie morgen abend gegen halb neun zu David Binder kommen?« fragte er eben. »Es ist sehr wichtig - wir würden Sie sonst nicht drum bitten. Wir würden großen Wert darauf legen.«
Im Restaurant angelangt, bestellten sie in gedrückter Stimmung. »Rabbi«, meinte Sandy, »ich möchte Ihnen ja nicht nahetreten, aber das war einfach furchtbar! «
Michael nickte. »Aber auch Ziegel und Zement kosten Geld. Und dieses Geld einzutreiben, ist ein ekelhaftes und undankbares Geschäft. Jemand muß es doch tun.«
»Lassen Sie sich von denen doch nicht unter Druck setzen«, sagte Leslie.
»Schließlich muß jeder selber am besten wissen, wieviel er geben kann.
Geben Sie das, und denken Sie nicht länger daran.« »Wieviel können wir schon aufbringen! « sagte June. Sie wartete, bis das Serviermädchen den Kaffee und die Sandwiches abgestellt hatte. »Es ist doch ein offenes Geheimnis, wie schlecht ein junger Universitätsdozent in Wyndham bezahlt ist. Die Universität zahlt Sandy ganze fünftausendeinhundert im Jahr -«
»Junie«, sagte Sandy.
» Fünftausendeinhundert, sage ich, plus weitere zwölfhundert für die Sommerkurse. Und weil wir einen Wagen brauchen, wird Sandy im Herbst auch noch zwei Abendkurse für kaufmännisches Englisch übernehmen müssen. Macht noch einmal bare achtzehnhundert.
Zusammen ergibt das ein Jahreseinkommen von achttausendeinhundert Dollar. Und diese ... Idioten ... schreiben uns vor, eintausendsiebenhundertfünfzig Dollar für den Tempel auf den Tisch zu legen.«
»Das sind doch nur vorläufige Schätzungen«, sagte Michael. »Ich weiß positiv, daß das Komitee froh ist, einen Bruchteil davon hereinzubekommen.«
»Zweihundertfünfzig, mehr kann ich nicht«, sagte Sandy. »Dann stellen Sie einen Scheck über zweihundertfünfzig aus, und wenn man Ihnen
>Danke schön< sagt, so erwidern Sie >Gern geschehen!< « meinte Leslie.
Aber Michael winkte ab. »Es soll eine Mindestgrenze von siebenhundertfünfzig festgelegt werden«, sagte er.
Stille.
»Also, dann nicht, Rabbi«, sagte Sandy.
»Und wie wird das mit der Hebräischen Schule für Ihre Kinder?« »Ich zahle den Unterrichtsbeitrag wie bisher. Einhundertvierzig pro Jahr für alle drei, plus dreißig im Monat für die Fahrt.« »Das wird nicht mehr gehen. Der Geschäftsführende Ausschuß hat beschlossen, daß nur mehr spendende Mitglieder ihre Kinder schicken dürfen.«
»Ist ja großartig«, sagte June Berman.
»Und was ist mit der großen alten Idee, die schul soll allen, ohne Unterschied, ob arm oder reich, für ihre Gottsuche offenstehen?« fragte Sandy.
»Wir reden von der Mitgliedschaft, Sandy. Kein Mensch wird Sie aus dem Tempel weisen.«
»Aber Sitz wird keiner mehr da sein für mich.« »Sitz wird keiner mehr da sein.«
»Und wie ist das, wenn einer die siebenhundertfünfzig nicht aufbringen kann?« fragte June.
»Dafür gibt es jetzt den Armenausschuß«, sagte Michael lustlos. »Das ist aber nicht so schlimm. Ich sitze selber darin. Auch Ihr Freund Murray Engel. Und Felix Sommers, der Chef Ihres Mannes. Und Joe Schwartz.
Lauter vernünftige Leute.«
Leslie hatte Berman nicht aus den Augen gelassen. »Schauerlich«, sagte sie leise.
Sandy lachte bitter. »Armenausschuß! Wissen Sie, was der Geschäftsführende Ausschuß mich kann? Ich bin kein Armenfall. Ich bin Lehrer. Universitätsdozent.«
Sie beendeten ihren Imbiß. Als die Rechnung kam, wollte Michael zahlen. Aber da er wußte, daß Sandy es gerade heute nicht zulassen würde, überließ er das Zahlen ihm.
Eine Stunde später, man ging schon zu Bett, erörterten Michael und Leslie das Für und Wider des Falles.
»Du solltest dich in Gegenwart von Gemeindemitgliedern nicht abfällig über die Kampagne äußern«, sagte er.
»Aber muß man denn zu solchen Methoden greifen? Die Christen kommen auch ohne solche ... Würdelosigkeit ... zu dem, was sie brauchen. Könnte man nicht einfach ein Zehntel vom Einkommen einheben, und damit Schluß?«