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»Nein«, fuhr er fort, »es gibt nicht viele jüdische Mädchen in der Gegend. Kaum eine im richtigen Alter, um mit ihr auszugehen.« Sie sah ihn mit spöttischem Blick an. »Ihr habt doch eine Bezeichnung für nichtjüdische Frauen. Wie heißt das Wort nur?« »Wir? Meinen Sie schiksse?«

»Ja.« Dann, nach einer Pause: »Bin ich eine schiksse? Ist das der Name, der Ihnen einfällt, wenn Sie mich ansehen?«

Ihre Blicke verfingen sich. Sie sahen einander an, lange. Ihr Gesicht war bleich in der aufkommenden Dunkelheit, er nahm die sanfte Rundung der Wangen unter den hohen Backenknochen wahr, den vollen, aber festen Mund, der vielleicht ein wenig zu groß war, um schön zu sein.

»Ja«, sagte er, »das ist's wohl, was mir einfällt.«

Am Morgen nach dem ssejder fuhr er weiter und war überzeugt, daß er den Gasthof der Familie Marcus frühestens in vier oder fünf Wochen wieder aufsuchen würde. Aber schon drei Tage später war er von neuem auf dem Weg nach Mineral Springs. Er versuchte sich einzureden, daß er auf Mort Beerman neugierig sei, aber dann ärgerte er sich und wünschte alle Ausflüchte zum Teufel und dachte: Seit ich mich auf diese verrückte Hinterwäldler-Existenz eingelassen habe, war ich keinen Tag lang wirklich auf Urlaub, habe ich mit keiner Frau mehr geredet wie ein Mensch, nur immer wie ein Rabbiner. Außerdem ist's ja möglich, daß sie einen Freund hat, der mit Beerman kam, oder daß sie schon abgereist ist.

Als er aber im Gasthof eintraf, war sie noch da, und weit und breit war kein Freund zu sehen, nur Beerman war inzwischen gekommen.

Er hatte schütteres Haar, einen gewissen Sinn für Humor und einen übertragenen Buick, und das stolze Elternpaar Marcus hatte ihn vom ersten Augenblick an wie einen Sohn aufgenommen.

An diesem Abend spielten Leslie und Michael Bridge gegen das jungverlobte Paar, Michael reizte schlecht und verrechnete sich andauernd, aber das störte niemanden, denn sie tranken guten Schnaps, den Nathan Marcus aus seinem Keller geholt hatte, und lachten unaufhörlich über Dinge, an die sie sich schon nach einer halben Stunde nicht mehr erinnern konnten.

Als er am nächsten Morgen zum Frühstück kam, fand er Leslie allein. Sie trug einen Baumwollrock und eine schulterfreie Bluse, die ihn unwillkürlich zwang, den Blick abzuwenden.

»Guten Morgen. Hat man Sie ganz allein gelassen?«

»Ja, Mrs. Marcus hat eine neue Wirtschafterin einzuführen, und Mr.

Marcus ist unterwegs, um Gemüse einzukaufen.«

»Und das junge Paar?«

»Die wollen allein sein«, flüsterte sie.

Er lachte. »Ich bin ihnen nicht bös deshalb.«

»Ich auch nicht.« Sie beschäftigte sich mit ihrer Grapefruit. »Sagen Sie, hätten Sie Lust, fischen zu gehen?«

»Im Ernst?«

»Natürlich. Ich habe einem kleinen Jungen Hebräischunterricht gegeben, und er hat mich dafür im Fischen unterrichtet. Er hat mir damit ganz ungeahnte neue Perspektiven eröffnet.«

»Ich komme sehr gern mit.«

»Fein, dann los.« Er warf noch einen kurzen Blick auf ihre Bluse.

»Aber ziehen Sie lieber irgend etwas Altes an. Dieses Land kann hart sein wie Stein - wie wir sagen. «

Langsam fuhr er nach Big Cedar Hill. An einem Anlegeplatz am Fluß machte er halt, um einen Eimer voll Döbelköder zu kaufen. Er hatte alle Fenster heruntergekurbelt, und die warme Frühlingsluft strömte herein, mit dem erregenden Geruch nach schmelzendem Eis. Das Mädchen trug nun Leinenschuhe, Jeans und einen alten grauen Pullover. Sie streckte und rekelte sich neben ihm, mit allen Anzeichen unverhohlenen Wohlbehagens.

Er fuhr über die Brücke und parkte am jenseitigen Ufer. Leslie nahm eine Decke über den Arm, und er folgte ihr mit den Ködern und der Angelrute. Der Pfad, der am Rand der Schlucht dahinführte, war schmal und gesäumt von Büschen, die schwer von kleinen roten und großen weißen Blüten waren. Leslies Jeans waren so verblichen, daß das Garn an manchen Stellen fast weiß war.

Michael konnte sich vorstellen, wie sie in diesen sehr engen Jeans durch das Campus fuhr, über die Lenkstange eines Fahrrads gebeugt. Die Sonne sprenkelte ihr Haar mit kleinen Lichtflecken.

Sie folgten dem Pfad, bis das Ufer flacher wurde und der Fluß in langsamer Strömung sich in ein breiteres Bett ergoß. Schließlich fanden sie einen geeigneten Platz auf einem grasbewachsenen Abhang und breiteten die Decke aus; Treibholz hatte an dieser Stelle im Fluß eine Staustufe gebildet, an deren Fuß das Wasser tief und sehr klar war. Schweigend sah Leslie zu, wie Michael einen Köder aus dem Eimer holte und ihn an die Angel spießte, vorsichtig, um die Wirbelsäule nicht zu verletzen und die Elritze am Leben zu erhalten.

»Tut ihm das weh?«

»Ich weiß es nicht.« Er warf die Angel aus, ein paar Augenblicke lang sahen sie den Köder in der Mitte des Tümpels treiben, sahen, wie er sich in die Tiefe schlängelte, wo das Wasser grünlich war und sehr kalt aussah, bis er ihren Blicken entschwand.

Eine Blüte trieb nahe dem Ufer im Wasser, und Leslie beugte sich über die Böschung, um sie aufzufischen. Ihr Pullover schob sich ein wenig hinauf und ließ Michael zwei Handbreit ihres nackten Rückens und eine verlockende Andeutung des Hüftansatzes über dem gürtellosen Hosenbund sehen, aber schon saß sie wieder aufrecht, die nasse Blüte in der Hand: sie war groß und weiß, aber eines ihrer vier Blätter war gebrochen. »Was ist das?« fragte das Mädchen und betrachtete voll Staunen die Blüte.

»Hartriegel«, sagte er.

»Mein Vater hat mir Geschichten vom Hartriegel erzählt«, erwiderte sie.

»Was für Geschichten?«

»Legenden. Aus dem Holz des Hartriegels hat man das Kreuz gemacht. Mein Vater ist Geistlicher. Kongregationalist.«

»Das ist schön.« Michael zog prüfend an der Leine.

»Das glauben Sie«, sagte das Mädchen. »Er war für mich der Pfarrer, wie für alle anderen Leute, aber er war so damit beschäftigt, Gott und seiner Gemeinde zu dienen, daß er nie Zeit hatte, auch mein Vater zu sein. Achten Sie darauf, Rabbi, wenn Sie je eine Tochter haben sollten.«

Er wollte erwidern, aber dann wies er auf die im Wasser treibende Leine, die allmählich unter den Wasserspiegel zu sinken begann, gezogen von etwas Unsichtbarem. Er stand auf, rollte die Leine auf die Winde, und dann tauchte der Fisch auf, ein stattlicher grünschillernder Fisch von gut dreißig Zentimeter Länge, mit weißem Bauch und breitem Schwanz, mit dem er zweimal um sich schlug, bis er sich von der Leine befreite und im Tümpel untertauchte. Michael zog die Leine ein. »Ich hab zu schnell angezogen und vergessen, den Haken einrasten zu lassen. Mein Lehrer würde sich meiner schämen.«

Sie sah ihm zu, wie er einen frischen Köder auf die Angel spießte und diese von neuem auswarf. »Ich bin fast froh«, sagte sie. »Werden Sie mich auslachen, wenn ich Ihnen etwas sage?«

Er schüttelte den Kopf.

»Ich war Vegetarierin, von meinem vierzehnten Lebensjahr bis lang in meine Hochschulzeit. Ich war einfach der Meinung, es sei Sünde, lebendige Wesen zu essen.«

»Und wieso haben Sie Ihre Meinung geändert?«

»Ich hab sie eigentlich nicht geändert. Aber dann hab ich begonnen, mit Burschen auszugehen, und wir gingen gemeinsam essen, eine ganze Gruppe junger Leute, und alle aßen sie Steak, und ich kaute an meinem Salat, und der Fleischgeruch machte mich fast verrückt.

Schließlich hab ich eben auch Fleisch gegessen. Aber noch immer ist mir der Gedanke verhaßt, daß wir anderen Lebewesen Schmerz zufügen.«

»Gewiß«, sagte er. »Kann ich verstehen. Aber jetzt sollten Sie lieber hoffen, daß dieses Lebewesen oder einer seiner Verwandten nochmals anbeißt. Dieser Fisch ist nämlich Ihr Lunch.« »Sonst haben wir nichts zu essen?« fragte sie.

Er schüttelte wieder den Kopf.

»Gibt es ein Restaurant in der Gegend?« »Nein.«

»Du lieber Himmel«, sagte sie, »Sie sind völlig verrückt. Plötzlich habe ich einen Mordshunger.«