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»Willst du den Herrn, deinen Gott, lieben mit all deinem Herzen, mit all deiner Seele und mit all deinem Vermögen?« fragte er. »Ja«, flüsterte sie, ernst geworden.

»Und die Gebote«, sagte er, »die ich dir nun gebe, sollen eingepflanzt sein in deinem Herzen: mit Eifer sollst du sie weitergeben deinen Kindern, sie sollen auf deinen Lippen sein, wenn du sitzest in deinem Haus und wenn du gehest auf deiner Straße, wenn du liegst zu Bett und wenn du aufstehst am Morgen.

Du sollst sie tragen als Zeichen über deiner Hand und als Siegel zwischen deinen Augen. Du sollst sie schreiben an die Pfosten deines Hauses und über seine Tore: daß ihr möget eingedenk sein all meiner Gebote und tun nach meinen Worten und geheiliget sein dem Herrn eurem Gott.«

Rabbi Gross trat auf sie zu und legte ihr die Hände auf den Scheitel.

»Du bist aufgenommen in das Haus Israel«, sprach er. »Die hier versammelten Rabbiner heißen dich willkommen und geben dir den Namen Leah bas Avrahom, mit welchem du künftig wirst gerufen werden in Israel.«

»Möge Er, der da segnete unsere Mütter Sara, Rebekka, Rachel und Lea, auch dich segnen, unsere Schwester Leah bas Avrahom, heute am Tage deiner Aufnahme in die Gemeinschaft Israels und deiner Bekehrung inmitten des Volkes unseres Herrn, der da ist der Gott Abrahams. Der Segen des Herrn sei mit dir auf allen deinen Wegen, und gesegnet sei das Werk deiner Hände, Amen.« Dann überreichte ihr der jüngste der Rabbiner die Übertrittsurkunde, und sie las: IN GEGENWART GOTTES UND DIESES RABBINISCHEN RATES

Hiemit erkläre ich, daß ich die Gesetze des Judentums anzunehmen wünsche, seinen Bräuchen und Zeremonien anhängen und dem jüdischen Volk angehören will.

Ich tue dies aus freiem Willen und in voller Kenntnis der wahren Bedeutung aller Grundsätze und Glaubensübungen der jüdischen Lehre.

Ich bete darum, daß mein Entschluß mich zeit meines Lebens führen möge, auf daß ich würdig sei der geheiligten Gemeinschaft, der ich ab heute angehören darf. Ich bete darum, stets der Rechte und Pflichten eingedenk zu sein, die meine Zugehörigkeit zum Haus Israel mir auferlegt. Ich erkläre, fest entschlossen zu sein, ein jüdisches Leben und ein jüdisches Haus zu führen.

Sollte ich mit männlichen Kindern gesegnet werden, so gelobe ich, sie dem Bunde Abrahams zuzuführen. Ich gelobe ferner, alle Kinder, mit denen Gott mich segnen möge, getreu dem jüdischen Glauben und seinen Übungen und im Sinne der jüdischen Hoffnungen und des jüdischen Lebens zu erziehen.

Höre Israel, der Herr unser Gott ist einig und einzig! Geheiliget sei sein Name in Ewigkeit.«

Und sie unterzeichnete das alles, und ihre Hand zitterte nicht mehr, als es der Anlaß erlaubte, und die Rabbiner zeichneten als Zeugen, und Mrs. Rubin küßte sie abermals und ward von ihr wiedergeküßt, und dann dankte sie den Rabbinern, und jene schüttelten ihr die Hand. Der jüngste der Rabbiner versicherte ihr noch, sie sei die hübscheste Bekehrung gewesen, an der er je gehofft hatte, teilnehmen zu können, und dann lachten sie alle, und sie dankte ihnen aufs neue und verließ die Synagoge. Draußen war es windig, und der Himmel war noch immer grau. Und obwohl sie sich nicht verwandelt fühlte, wußte sie dennoch, daß ihr Leben von Stund an ganz anders sein würde als alles, was sie jemals für sich erträumt hatte. Einen Augenblick lang, aber auch nur einen Augenblick lang, dachte sie an ihren Vater und erlaubte sich, darüber traurig zu sein, daß die Mutter nicht mehr da war. Dann aber, rasch die Straße entlangschreitend, sehnte sie sich mehr und mehr nach einer Telephonzelle, darin sie endlich ihr Schweigen brechen und ihr welterschütterndes Geheimnis offenbaren könnte.

24

Michael kam schon am nächsten Tag in New York an. Er war mit dem Kombiwagen nach Little Rock gefahren und dann in ein schaukelndes, stoßendes Verkehrsflugzeug gestiegen, das sich durch ein Frühjahrsgewitter nach La Guardia vorankämpfte. Sie erwartete ihn schon am Flughafen, und während er auf sie zustürzte, schien es ihm, daß jede Begegnung mit ihr wie das erste Mal war und daß er nie müde sein würde, ihr Gesicht anzusehen.

»Was ich nicht verstehen kann, ist die Geschichte mit der mikwe«, sagte er im Taxi, nachdem er sie genugsam geküßt hatte. »Bei einem reformierten Rabbiner hättest du dir die ganze Prozedur erspart! «

»Es war so ergreifend«, sagte sie leise. »Und ich wollte mir nichts daran ersparen, es soll doch von Dauer sein.«

Aber als sie am nächsten Nachmittag zusammen in die Schaarai-

Schomayim-Synagoge kamen, sahen sie sich einem bleichen und fassungslosen Rabbi Gross gegenüber.

»Warum haben Sie mir das nicht gesagt?« wandte er sich an Leslie.

»Hätt ich gewußt, daß Ihr Zukünftiger der Michael Kind ist, ich schwör, niemals hätt ich mich dazu hergegeben, Sie zur Jüdin zu machen.«

»Sie haben mich ja nicht gefragt«, sagte sie. »Nichts lag mir ferner, als Sie hereinzulegen.«

»Max«, sagte Michael, »ich tue nur, was auch Moses getan hat. Sie ist Jüdin. Du hast sie dazu gemacht.«

Rabbi Gross wehrte ab. »Bist du Moses? Ein Narr bist du, ein Dummkopf. Und ich hab dabei mitgeholfen! «

»Trotzdem, wir möchten von dir getraut werden, Max«, sagte Michael still. »Wir wünschen es beide von Herzen.«

Aber Rabbi Gross nahm die Bibel vom Tisch und schlug sie auf. Mit wiegendem Oberkörper und laut lesend nahm er keine Notiz mehr von ihnen, als wäre er allein in der schul.

Die hebräischen Gebetsworte verschlossen Michael die Lippen.

»Gehen wir«, sagte er zu Leslie.

Draußen auf der Straße sah sie zu ihm auf. »Sie können doch nicht...

das Ganze rückgängig machen? Oder können sie doch, Michael?«

»Du meinst deinen Übertritt? Nein, natürlich nicht.« Er nahm ihre Hand und hielt sie fest. »Laß dich nicht von ihm durcheinanderbringen, Liebe.«

Während das Taxi stadtwärts fuhr, hielt sie seine Hand fest. »Wen wirst du als nächsten bitten - ich meine, die Trauung zu vollziehen?«

»Ich denke an einen meiner Studienkollegen aus dem Institut.« Er überlegte einen Augenblick lang und sagte dann: »Milt Greenfield ist Rabbiner in Bathpage.«

Noch am selben Nachmittag rief er von einer Telephonzelle in einem Drugstore der Lexington Avenue an. Die Stimme Rabbi Greenfields war voll Anteilnahme, wurde dann aber leiser und distanziert.

»Willst du das auch ganz sicher, Michael?«

»Sei nicht so dumm. Wenn ich nicht sicher wäre, würde ich dich nicht anrufen.«

»Gut, wenn das so ist - dann freue ich mich, daß du gerade mich angerufen hast, du alter Gauner«, sagte Greenfield abschließend. In der Nacht, als die Eltern schon schliefen, saß Michael in seinem altvertrauten Zimmer wach über der Modern Reader's Bible und suchte nach der Übersetzung jener Bibelstelle, die Max Gross ihm entgegengeschleudert hatte, um ihn aus der Synagoge zu jagen.

Endlich fand er sie. Sprüche 5, 3.

Denn die Lippen der Fremden sind süß wie Honigwein, und ihre Kehle ist glatter als Öclass="underline" aber hernach bitter wie Wermut und scharf wie ein zweischneidiges Schwert. Ihre Füße laufen zum Tod hinunter, ihre Gänge führen ins Grab.

Sie geht nicht stracks auf dem Wege des Lebens; unstet sind ihre Tritte, daß sie nicht weiß, wo sie geht.

Er hatte befürchtet, keinen Schlaf finden zu können. Aber noch während des Gebetes nickte er ein. Als er am anderen Tag erwachte, erinnerte er sich seiner Träume nicht.

Beim Frühstück beobachtete er seine Mutter mit Unbehagen. Leslie hatte mit ihrem Vater telephoniert und dann lange und still vor sich hingeweint. Auf Michaels Vorschlag, den Reverend John Rawlings aufzusuchen und alles durchzusprechen, hatte sie nur stumm den Kopf geschüttelt. Voll Erleichterung drang er nicht weiter in sie.

Er verspürte auch keine Lust, seine Eltern jetzt schon einzuweihen, denn er wußte, daß er damit eine Szene heraufbeschwor, und das schob er gerne hinaus.

Er war eben bei seiner zweiten Tasse Kaffee angelangt, da läutete das Telephon.

Rabbi Sher war am Apparat.

»Woher wissen Sie, daß ich in New York bin?« fragte Michael nach dem Austausch der üblichen Höflichkeitsphrasen.

»Ich habe zufällig mit Milt Greenfield gesprochen«, sagte Rabbi Sher.

Das ist ganz Milt, dachte Michael.

»Können Sie auf einen Sprung bei mir im Büro vorbeikommen?«

fragte Rabbi Sher.

»Ja, heute nachmittag.«

»Es besteht für mich kein Zweifel, daß Sie Ihren Entschluß reiflich erwogen haben«, sagte Rabbi Sher betont liebenswürdig. »Ich möchte nur sichergehen, daß Sie sich auch aller möglichen Folgen einer solchen Verbindung bewußt sind.«

»Ich heirate eine Jüdin.«

»Möglicherweise ruinieren Sie sich eine brillante Rabbinatskarriere.

Solange Sie das wissen, ist alles in Ordnung, wenn auch vielleicht ...

nicht sehr realistisch. Ich wollte nur sichergehen, daß Sie nicht vielleicht die Folgen übersehen haben in einer Anwandlung von -« er suchte nach Worten.

»Sinnloser Leidenschaft.«

Rabbi Sher nickte. »Genau das.«

»Ist es nicht so, daß wir zeit unseres Lebens angesichts der weltlichen Verirrungen drauf bestehen, daß auch Juden nur Menschen sind, und daß alle Menschen gleich sind vor Gott. Wenn wir mit unseren Kindern über die Protokolle der Weisen von Zion reden, betonen wir ausdrücklich, daß wir einzig dazu auserwählt sind, die Bürde des Bundes zu tragen. Aber tiefer unter all dem liegt jene Angst, die uns zum vorurteilsbeladensten Volk der Erde gemacht hat. Warum ist das so, Rabbi?«

Von draußen drangen ferne Hupgeräusche an ihr Ohr. Rabbi Sher trat ans Fenster und sah auf das Verkehrschaos der Fifth Avenue hinunter. Nichts als Taxis. Viel zu viele. Außer es regnet und du brauchst eines, dachte er. Er wandte sich um. »Wie sonst hätten wir fünftausend Jahre überdauert?«

»Aber das Mädchen, das ich heirate, ist Jüdin.«

»Ihr Vater ist kein Jude.«

»Aber ist Judentum eine Frage des Blutes? Oder ist es ein ethischer, ein theologischer Begriff, eine Art zu leben?«

Rabbi Sher kniff die Augen zusammen. »Bitte, Michael, keine Diskussion! So einzigartig ist Ihre Situation auch wieder nicht, das wissen Sie. Wir haben so etwas schon gehabt, und es hat immer eine Menge Schwierigkeiten damit gegeben.« Er trat vom Fenster zurück.

»Sie sind also fest entschlossen?«

Michael nickte.

»Dann wünsche ich Ihnen viel Glück.« Er streckte Michael die Hand entgegen, und dieser schüttelte sie.

»Noch etwas, Rabbi«, sagte er. »Sie sollten jetzt jemand anderen für die Ozarks suchen.«

Sher nickte. »So jung verheiratet, werden Sie nicht dauernd unterwegs sein wollen.« Er legte die Finger zusammen. »Damit ergibt sich die Frage Ihrer weiteren Verwendung. Vielleicht hätten Sie Interesse an einer akademischen Laufbahn? Bei einer der Stiftungen für kulturelle Belange? Wir bekommen viele derartige Anfragen.«

Nach einer Pause setzte er hinzu: »Auf akademischem Boden ist man doch weniger engstirnig.«

»Ich will eine Gemeinde haben.« Michael wich dem Blick des anderen nicht aus.

Rabbi Sher seufzte. »Ein Gemeindeausschuß besteht aus Eltern. Wie immer Sie selbst über Ihre Heirat denken mögen - Eltern werden darin fast unvermeidlich ein schlechtes Beispiel für ihre Kinder sehen.«

»Ich will eine Gemeinde haben.«

Der Ältere hob hilflos die Schultern. »Ich werde mein möglichstes tun, Michael. Kommen Sie doch mit Ihrer Frau vorbei, wenn Sie ein bißchen Zeit haben. Ich möchte sie gern kennenlernen.« Und sie schüttelten einander nochmals die Hände.

Nachdem Michael gegangen war, ließ sich Rabbi Sher in seinen Sessel fallen, blieb eine Weile reglos sitzen und summte geistesabwesend die Toreador-Melodie aus »Carmen« vor sich hin. Dann drückte er den Summer auf seinem Schreibtisch.

»Lillian«, sagte er zu der eintretenden Sekretärin, »Rabbi Kind wird nicht mehr in die Ozarks gehen.«

»Soll ich die Karte in den Ordner Offene Stellen geben?« fragte sie.

Sie war eine verblühende Frau in mittleren Jahren, und sie tat ihm immer wieder leid.

»Bitte, tun Sie das«, sagte er. Nachdem sie gegangen war, summte er weiter den Bizet vor sich hin, alles, was ihm von den Melodien aus

»Carmen« noch irgend einfiel - dann drückte er nochmals den Summer.

»Halten Sie die Ozarks-Karte noch eine Weile zurück«, sagte er zu Lillian. »Vielleicht werden wir diesen Posten überhaupt nicht besetzen können, wenn wir nicht einen verheirateten Mann finden, der bereit ist, zu reisen.«

Ihr schneller Blick fragte, ob er nun endlich wisse, was er wolle. »Das ist aber sehr unwahrscheinlich«, sagte sie.

»Allerdings«, stimmte er zu.

Er trat ans Fenster, stützte die Hände auf die Brüstung und sah hinunter. Unten tobte der Fifth-Avenue-Verkehr wie eine Schlacht, die Hupen schrillten wie die Schreie von Verwundeten. Diese Taxis, dachte er, ruinieren die ganze Stadt.