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Noch am selben Abend wohnte Michael der ersten Zusammenkunft des Finanzausschusses mit Kahners bei. Das Ganze glich freilich eher einer Unterweisung, wobei Kahners der Vortragende war. Seine Argumentation stützte sich vornehmlich auf die United Jewish Appeal-Spenderlisten der letzten fünf Jahre. »Schauen Sie sich das einmal an«, sagte er und warf die grüne UJA-Broschüre auf den Tisch.

»Schlagen Sie nach, wer jedes Jahr Ihr größter Spender gewesen ist.«

Keiner an dem langen Tisch mußte nachschlagen. »Das war Harold Elkins von den Elkhide-Strickereien«, sagte Michael. »Er gibt fünfzehntausend Dollar jährlich.«

»Und der zweitgrößte?« fragte Kahners.

Michael kniff die Augen zusammen, mußte aber das Buch nicht zu Rate ziehen.

»Phil Cohen und Ralph Plotkin. Jeder gibt siebentausendfünfhundert.«

»Gerade halb soviel wie Elkins«, sagte Kahners. »Und die nächstkleineren?«

Michael war nicht ganz sicher.

»Na schön, ich werd's Ihnen sagen: Da ist einmal ein gewisser Joseph Schwartz mit fünftausend. Das ist ein Drittel von Elkins' Beitrag.

Nun, meine Herrn -«, er machte eine Pause und blickte die Versammlung an. Es war, als würde Mr. Chips seine schwächste Klasse belehren. »Wir können daraus eine wichtige Lehre ziehen.

Schauen Sie sich zum Beispiel d a s da an! « Er warf ein zweites UJA-Büchlein auf den Tisch. »Das ist die Liste der Spenden, die vor sechs Jahren geleistet wurden. Wir ersehen daraus, daß damals Mr. Elkins anstatt fünfzehntausend nur zehntausend gegeben hat. Weiters sehen wir Phil Cohen und Ralph Plotkin mit nur fünftausend statt siebeneinhalbtausend verzeichnet.« Er blickte die Versammlung abermals bedeutsam an. »Merken Sie was?«

»Wollen Sie damit sagen, daß die Relation immer gleich bleibt und die Höhe der Spenden vom höchsten Spender bestimmt wird?« fragte Michael.

»Nicht immer«, erläuterte Kahners geduldig. »Ausnahmen gibt es immer, und die Relation geht natürlich nicht bis ans Ende der Liste.

Voraussagen hinsichtlich der ganz kleinen Spender sind fast unmöglich.

Aber als Faustregel, soweit es die großen, die wirklich wichtigen Spender betrifft, zeigt uns die Aufstellung den künftigen Ablauf der Kampagne. Das hat sich seit Jahren in jeder Gemeinde gezeigt, in der wir so was gemacht haben. Nehmen wir jetzt den Fall, Sam X. gibt für wohltätige Zwecke dieses Jahr weniger als üblich. Was wird Fred Y.

sich sagen? >Wenn Sam, der zweimal so reich ist wie ich, weniger geben kann, warum soll ich dann leugnen, daß die Geschäfte auf zoress waren? Geb ich sonst zwei Drittel von dem, was Sam gibt, werd ich heuer die Hälfte geben!««

»Und wenn Sam seine Spende erhöht?« fragte Sommers gespannt.

Kahners strahlte. »Es ändert sich nichts am Prinzip! Es funktioniert weiter, aber um wieviel günstiger! Fred wird sich sagen: >Was glaubt dieser Sam eigentlich, wer er ist? Ich kann zwar nicht konkurrieren mit ihm, er steckt mich dreimal in den Sack, aber das mach ich ihm immer noch nach! Geb ich sonst zwei Drittel von ihm, geb ich auch diesmal zwei Drittel!< «

»Sie glauben also, daß Harold Elkins' Spende den Schlüssel zu unserer gesamten Kampagne darstellt?« fragte Michael. Kahners nickte.

»Und wie hoch, glauben Sie, sollte der Beitrag sein, um den man ihn bitten könnte?«

»Hunderttausend Dollar.«

Am unteren Ende des Tisches tat jemand einen überraschten Pfiff. »Er macht nicht einmal viel Gebrauch von der schul«, sagte Sommers.

»Aber er ist Mitglied?« fragte Kahners. »Ja.«

Kahners nickte befriedigt.

»Wie interessiert man einen solchen Mann?« fragte Michael. »Ich meine, wie interessiert man ihn hinlänglich, um ihn zu einer so bedeutenden Spende zu motivieren?«

»Indem Sie ihn zu Ihrem Präsidenten machen«, sagte Kahners.

40

Michael und Kahners suchten gemeinsam Harold Elkins auf. Die Tür des adaptierten Bauernhauses, in dem der Fabrikant wohnte, wurde von Mrs. Elkins geöffnet, einer weißblonden Frau in rosaseidenem Schlafrock.

»Oh, der Rabbi«, sagte sie und schüttelte ihm die Hand. Ihr Händedruck war fest und kühl.

Er stellte Kahners vor.

»Hal erwartet Sie. Er ist hinterm Haus und füttert die Enten. Wollen Sie nicht zu ihm gehen?«

Sie führte die Besucher um das Haus herum. Michael bemerkte, daß ihr Gang frei und schön und völlig unbekümmert war. Er sah nun auch, daß ihre Füße unter dem schwingenden Saum des Schlafrocks nackt waren, lang und schmal und mit sorgfältig gepflegten Zehennägeln, die in der beginnenden Dunkelheit wie kleine rote Muscheln leuchteten.

Sie brachte die Besucher zu ihrem Mann und kehrte dann allein ins Haus zurück.

Elkins war ein alter Mann mit grauem Haar und gebeugten Schultern; trotz des warmen Abends trug er einen Pullover umgehängt. Er stand am Ufer eines kleinen Teiches, umringt von etwa fünfzig schnatternden Enten, denen er Körner streute.

Er fuhr damit noch fort, während die beiden sich ihm vorstellten. Die Enten waren groß und schön, mit ihren schillernden Federn und den roten Schnäbeln und Füßen.

»Was ist das für eine Rasse?« fragte Michael. »Brautenten«, sagte Elkins und streute weiter seine Körner. »Die sind aber prächtig«, sagte Kahners.

»Mhm.«

Einer der Vögel setzte mit unruhigem Flügelschlag zum Flug an, erhob sich aber nur wenige Fuß über das Wasser.

»Sind sie wild?« fragte Michael. »Und ob!

»Warum fliegen sie dann nicht weg?«

»Ich hab ihnen die Flügel gestutzt«, sagte Elkins, und seine Augen funkelten.

»Tut ihnen das nicht weh?« fragte Michael unwillkürlich. »Können Sie sich nicht mehr erinnern, wie Ihnen zumute war, als Ihnen zum erstenmal die Flügel gestutzt wurden?« fragte Elkins grob. Da sie schwiegen, fügte er grinsend hinzu: »Auch die Enten sind darüber hinweggekommen.«

Er nahm eines der Körner zwischen seine blutlosen Lippen und beugte sich über den Teich. Eine große Ente, deren Gefieder edelsteingleich in allen Farben des Regenbogens schillerte, ruderte heran, erhob sich königlich und holte sich das Korn vom Mund des alten Mannes.

»Die sind mir die liebsten«, sagte er. »Ich liebe sie wirklich. Besonders in Orangensauce.« Er warf die letzten Körner aus, zerknüllte den leeren Sack und warf ihn weg. Dann wischte er die Hände an seinem Pullover ab. »Sie sind nicht hergekommen, um meine Enten zu bewundern.«

Sie setzten ihm den Grund ihres Besuches auseinander. »Warum wollen Sie mich zum Präsidenten machen?« fragte er und musterte sie scharf aus der Deckung seiner weißen wilden Brauen.

»Wir wollen Ihr Geld«, sagte Kahners ohne Umschweife. »Und Ihren Einfluß.«

Elkins grinste. »Kommen Sie ins Haus«, sagte er.

Mrs. Elkins lag auf der Couch und las ein Taschenbuch mit einer nackten Leiche auf dem Umschlag. Sie blickte auf und lächelte den Eintretenden zu. Ihr Blick begegnete Michaels Blick und ließ ihn nicht los. Michael war sich der Gegenwart ihres Gatten und Kahners'

bewußt, die rechts und links von ihm standen, aber wie unter einem widersinnigen Zwang vermochte er nicht, den Blick abzuwenden. Nach einer Zeit, die unendlich lang schien, obwohl es in Wirklichkeit nur ein Moment war, lächelte sie abermals und unterbrach den Kontakt, indem sie ihre Lektüre wieder aufnahm. Ihre Figur unter dem rosa Schlafrock war gut, aber in den Augenwinkeln zeigten sich schon kleine Fältchen, und das fahle Haar sah im gelben Licht der Wohnzimmerlampe wie Stroh aus.

Elkins nahm an dem Louis-quatorze-Schreibtisch Platz und schlug ein umfangreiches Scheckbuch auf. »Wieviel wollen Sie?«