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«Hallo«, sage ich und versuche, mir meine Nervosität nicht anmerken zu lassen.

«Rudy? Leo Drummond hier«, sagt er herzlich.»Wie geht es Ihnen?«

Die Ethik würde gebieten, daß ich ihm zu diesem Zeitpunkt mitteile, daß ein Recorder läuft, und ihm die Chance gebe, darauf zu reagieren. Aus naheliegenden Gründen haben Deck und ich uns dagegen entschieden. Es hätte keinen Sinn. Was heißt schon Ethik unter Partnern?

«Gut, Mr. Drummond. Und Ihnen?«

«Es geht so. Hören Sie, wir müssen uns auf einen Termin für Dr. Kords Vernehmung verständigen. Ich habe mit seiner Sekretärin gesprochen. Was halten Sie vom 12. Dezember? In seiner Praxis natürlich — um 10 Uhr.«

Kords Vernehmung wird die letzte sein, es sei denn, Drummond fällt sonst noch jemand ein, der auch nur entfernt an dem Fall interessiert ist. Seltsam ist nur, daß er sich die Mühe macht, anzurufen und sich zu erkundigen, ob mir der Termin paßt.

«Ist mir recht«, sage ich. Deck steht neben meinem Schreibtisch, er ist die Anspannung selbst.

«Gut. Es sollte nicht lange dauern. Das hoffe ich jedenfalls, bei fünfhundert Dollar die Stunde. Halsabschneiderisch, finden Sie nicht auch?«

Sind wir jetzt nicht Verbündete? Wir Anwälte gegen die Ärzte?

«Das kann man wohl sagen.«

«Ja, also, übrigens, Rudy, Sie wissen doch, was mein Mandant in Wirklichkeit will?«

«Was?«

«Also, was diese Leute nicht wollen, ist eine Woche in Memphis verbringen und den Prozeß über sich ergehen lassen. Das sind Führungskräfte, Männer mit viel Geld, großen Egos und Karrieren, die sie nicht aufs Spiel setzen wollen. Sie wollen sich vergleichen, Rudy, und ich bin beauftragt, Sie das wissen zu lassen. Wir reden hier nur über einen Vergleich. Eine Schuld wird damit nicht anerkannt, verstehen Sie?«

«Ja. «Ich zwinkere Deck zu.

«Ihr Experte sagt, die Kosten der Knochenmarkstransplantation hätten hundertfünfzig bis zweihunderttausend Dollar betragen, und wir bestreiten diese Zahlen nicht. Nehmen wir mal an, und das ist tatsächlich nur eine Annahme, daß mein Mandant für diese Transplantation hätte aufkommen müssen. Sagen wir, sie hätten es getan, nur angenommen, okay? Dann hätte mein Mandant so an die hundertfünfundsiebzigtausend zahlen müssen.«

«Wenn Sie es sagen.«

«Also bieten wir Ihnen diese Summe als sofortigen Vergleich. Hundertfünfundsiebzigtausend! Keine weiteren Vernehmungen. Sie würden binnen sieben Tagen einen Scheck erhalten.«

«Das glaube ich nicht.«

«Hören Sie, Rudy. Auch eine Million wird diesen Jungen nicht wieder lebendig machen. Sie müssen Ihre Mandantin zur Vernunft bringen. Ich bin ziemlich sicher, daß sie einem Vergleich zustimmen wird. Irgendwann kommt die Zeit, zu der der Anwalt als Anwalt handeln und die Führung übernehmen muß. Dieses arme alte Mädchen hat keine Ahnung, was beim Prozeß passieren wird.«

«Ich rede mit ihr.«

«Rufen Sie sie gleich an. Ich werde hier noch eine Stunde warten, dann muß ich fort. Rufen Sie sie an. «Wahrscheinlich ist die Wanze in meinem Apparat direkt mit dem Telefon dieses niederträchtigen Mistkerls verbunden. Er möchte zu gern, daß ich anrufe, damit er mithören kann.

«Ich melde mich wieder bei Ihnen, Mr. Drummond. Guten Tag.«

Ich lege den Hörer auf, spule das Band im Recorder zurück und spiele es laut ab.

Deck weicht zurück und sinkt auf einen Stuhl. Sein Mund steht weit offen, seine großen Zähne funkeln.»Sie haben unser Telefon angezapft«, sagt er völlig fassungslos, als das Band abgelaufen ist. Wir starren den Recorder an, als könnte einzig und allein er es erklären. Mehrere Minuten lang bin ich von dem Schock buchstäblich gelähmt. Nichts bewegt sich. Nichts funktioniert. Das Telefon läutet, aber keiner von uns greift nach dem Hörer. Im Moment haben wir regelrecht Angst vor ihm.

«Ich denke, wir sollten Kipler informieren«, sage ich schließlich. Die Worte kommen schwer und langsam heraus.

«Das finde ich nicht«, sagt Deck, nimmt seine dicke Brille ab und wischt sich die Augen.

«Warum nicht?«

«Lassen Sie uns überlegen. Wir wissen oder glauben zu wissen, daß Drummond oder sein Mandant unsere Telefone angezapft hat. Drummond weiß auf jeden Fall über die Wanzen Bescheid. Aber wir haben keine Möglichkeit, das zu beweisen, keine Möglichkeit, ihn auf frischer Tat zu ertappen.«

«Er wird es bestreiten, bis er tot ist.«

«Richtig. Also was kann Kipler unternehmen? Ihn ohne handfeste Beweise anklagen? Ihm noch ein bißchen mehr die Hölle heiß machen?«

«Darin hat er inzwischen Übung.«

«Und beim Prozeß wird es nicht die geringste Rolle spielen. Wir können den Geschworenen nicht sagen, daß Mr. Drummond und sein Mandant während der Beweisaufnahme schmutzige Spielchen getrieben haben.«

Wir starren den Recorder noch eine Weile länger an, versuchen beide, das zu verdauen und uns unseren Weg durch den Nebel zu ertasten. In einem Ethikseminar im vorigen Jahr war die Rede von einem Anwalt, der eine strenge Verwarnung erhielt, weil er ein Telefongespräch mit einem anderen Anwalt heimlich aufgezeichnet hatte. Ich bin schuldig, aber meine kleine Sünde verblaßt, wenn man sie mit Drummonds verachtungswürdigem Tun vergleicht. Das Problem ist, daß ich dran bin, wenn ich dieses Band vorlege. Drummond wird nie verurteilt werden, weil niemand es ihm nachweisen kann. Wie tief steckt er mit drin? War es seine Idee, unsere Telefone anzuzapfen? Oder benutzt er einfach gestohlene Informationen, die sein Mandant ihm zukommen läßt?

Auch das werden wir nie erfahren. Und aus irgendeinem Grund spielt es keine Rolle. Er ist informiert.

«Wir können es zu unserem Vorteil nutzen«, sage ich.

«Genau das habe ich auch gerade gedacht.«

«Aber wir müssen vorsichtig sein, sonst schöpfen sie Verdacht.«

«Ja, wir sollten es uns für den Prozeß aufsparen. Den perfekten Moment abwarten und diese Kerle dann an der Nase herumführen.«

Langsam fangen wir beide an zu grinsen.

Ich warte zwei Tage, dann rufe ich Drummond an und teile ihm die betrübliche Nachricht mit, daß meine Mandantin sein schmutziges Geld nicht haben will. Sie ist ein bißchen komisch, gestehe ich ihm. An einem Tag hat sie Angst vor dem Prozeß, am nächsten will sie ihren Auftritt vor Gericht. Im Augenblick will sie kämpfen.

Er ist nicht im mindesten mißtrauisch. Er kehrt zu der für ihn typischen harten Masche zurück, droht mir mit der Wahrscheinlichkeit, daß das Geld für immer vom Tisch verschwindet, daß es ein harter Prozeß bis zum bitteren Ende werden wird. Ich bin sicher, das hört sich gut an für die Lauscher in Cleveland. Ich frage mich, wie lange es dauert, bis sie dieses Gespräch zu hören bekommen.

Das Geld sollte genommen werden. Dot und Buddy würden mehr als hunderttausend bekommen, mehr Geld, als sie je ausgeben können. Ihr Anwalt würde mindestens sechzigtausend kassieren, ein hübsches Sümmchen. Aber Geld bedeutet nichts für die Blacks. Sie haben nie welches gehabt, und sie träumen nicht davon, jetzt reich zu werden. Das einzige, was Dot will, ist, daß irgendwo offiziell festgehalten wird, was Great Benefit ihrem Sohn angetan hat. Sie will ein endgültiges Urteil, das bestätigt, daß sie recht gehabt hat und daß Donny Ray gestorben ist, weil Great Benefit ihn umgebracht hat.

Was mich betrifft, so bin ich überrascht über meine Fähigkeit, das Geld zu ignorieren. Natürlich ist es eine Versuchung, aber sie verzehrt mich nicht. Ich bin nicht am Verhungern. Ich bin jung, und es wird andere Fälle geben.

Und von einem bin ich überzeugt: Wenn die Leute von Great Benefit so viel Angst haben, daß sie unsere Telefone anzapfen, dann haben sie ganz bestimmt dunkle Geheimnisse.