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«Irgendwelche Vergleichsangebote?«

«Ja, mehrere. Inzwischen sind sie bei hundertfünfundsiebzigtausend angekommen, aber meine Mandantin sagt nein.«

«Das ist ungewöhnlich, aber es überrascht mich nicht.«

«Weshalb nicht?«

«Weil Sie sie am Kanthaken haben. Sie haben Angst vor der Bloßstellung, Rudy. Das hier ist einer der besten Versicherungsfälle, die mir je begegnet sind, und ich habe mir Tausende angesehen.«

«Da ist noch mehr«, sage ich, und dann erzähle ich von den Wanzen in unseren Telefonen und dem Beweis dafür, daß Drummond unsere Gespräche abhört.

«Das hat es auch schon mal gegeben«, sagt er.»Bei einem Fall in Florida. Aber der Vertreter der Anklage hat seine Telefone erst nach dem Prozeß überprüft. Er war argwöhnisch geworden, weil die Verteidigung immer zu wissen schien, was er vorhatte. Aber dies ist etwas anderes.«

«Sie müssen Angst haben«, sage ich.

«Sie sind starr vor Angst, aber lassen Sie uns nicht übermütig werden. Die sind da unten auf freundlichem Territorium. Ihr Staat hält nicht viel von Geldstrafen.«

«Also was schlagen Sie vor?«

«Stecken Sie das Geld ein.«

«Das kann ich nicht. Ich will es nicht. Meine Mandantin will es nicht«

«Gut. Es wird Zeit, diese Leute ins zwanzigste Jahrhundert zu bringen. Wo ist Ihr Aufnahmegerät?«Er springt auf und wandert im Zimmer herum. An einer Wand hängt eine Tafel, und der Professor ist bereit, seine Vorlesung zu halten. Ich hole den Recorder aus meinem Aktenkoffer und stelle ihn auf den Tisch. Stift und Notizblock liegen bereit.

Max legt los, und eine Stunde lang schreibe ich hektisch mit und bombardiere ihn mit Fragen. Er redet über meine Zeugen, ihre Zeugen, die Dokumente, die verschiedenen Strategien. Max hat das Material, das ich ihm geschickt habe, eingehend studiert. Der Gedanke, diese Leute festzunageln, macht ihm Spaß.

«Heben Sie sich das Beste bis zuletzt auf«, sagt der Professor.»Das Band mit diesem armen Jungen, kurz bevor er gestorben ist. Ich nehme an, er sah bemitleidenswert aus.«

«Schlimmer.«

«Großartig. Das wird einen tollen Eindruck auf die Geschworenen machen. Wenn es richtig funktioniert, können Sie in drei Tagen fertig sein.«

«Und dann?«

«Dann lehnen Sie sich zurück und sehen zu, wie sie versuchen, sich da rauszuwinden. «Er hält plötzlich inne, greift nach etwas auf dem Tisch und schiebt es mir zu.

«Was ist das?«

«Das ist die neue Police von Great Benefit, vorigen Monat für einen meiner Studenten ausgestellt. Ich habe dafür bezahlt, und nächsten Monat werden wir sie wieder kündigen. Ich wollte nur einen Blick auf den Text werfen. Raten Sie mal, was jetzt ausgeschlossen ist, in Fettdruck.«

«Knochenmarkstransplantationen.«

«Alle Transplantationen, einschließlich der von Knochenmark. Behalten Sie sie, und benutzen Sie sie beim Prozeß. Ich finde, Sie sollten den Generaldirektor fragen, weshalb die Police nur ein paar Monate, nachdem die Blacks Klage eingereicht hatten, geändert worden ist. Weshalb sind Knochenmarkstransplantationen jetzt eindeutig ausgeschlossen? Und wenn sie in der Black-Police nicht ausgeschlossen waren, weshalb haben sie dann nicht gezahlt? Gutes Material, Rudy. Vielleicht komme ich sogar nach Memphis und sehe mir den Prozeß an.«

«Bitte, tun Sie das. «Es wäre tröstlich, wenn außer Deck noch ein Freund da wäre, der mich beraten kann.

Max hat ein paar Probleme mit unserer Analyse der Schadensakte, und bald stecken wir bis über beide Ohren in Papier. Ich hole die vier Kartons aus meinem Kofferraum, und gegen Mittag sieht der Seminarraum aus wie eine Müllkippe.

Seine Energie ist ansteckend. Beim Lunch erhalte ich die erste von mehreren Lektionen über die Buchhaltung von Versicherungsgesellschaften. Da die Branche nicht dem Bundeskartellrecht untersteht, hat sie ihre eigenen Buchführungsmethoden entwickelt. Praktisch kein noch so erfahrener Buchprüfer kann das Finanzgebaren einer Versicherungsgesellschaft verstehen. Es soll auch nicht verstanden werden, denn keine Versicherungsgesellschaft will, daß die Außenwelt einen Einblick in ihre Machenschaften bekommt. Aber Max hat ein paar Anhaltspunkte.

Das Kapital von Great Benefit beträgt zwischen vierhundert und fünfhundert Millionen Dollar, von denen ungefähr die Hälfte in Rücklagen versteckt ist. Das ist es, was den Geschworenen erklärt werden muß.

Ich wage nicht, das Undenkbare vorzuschlagen, am ersten Weihnachtsfeiertag zu arbeiten, aber Max ist nicht zu bremsen. Seine Frau ist in New York bei ihrer Familie. Er hat nichts anderes zu tun und möchte tatsächlich, daß wir uns auch durch die restlichen beiden Kartons mit Dokumenten hindurcharbeiten.

Ich fülle drei Blöcke mit Notizen und ein halbes Dutzend Kassetten mit seinen Gedanken über alles mögliche. Als er, am 25. Dezember irgendwann nach Einbruch der Dunkelheit, endlich sagt, wir wären durch, bin ich völlig erschöpft. Er hilft mir, die Kartons wieder vollzupacken und sie zu meinem Wagen zu schleppen. Es schneit wieder heftig.

Max und ich sagen uns an der Vordertür der Fakultät auf

Wiedersehen. Ich kann ihm gar nicht genug danken. Er wünscht mir alles Gute, läßt mich versprechen, daß ich ihn vor dem Prozeß mindestens einmal die Woche anrufe und während des Prozesses jeden Tag. Es wäre durchaus möglich, daß er dazu nach Memphis käme, wiederholt er noch mal.

Zum Abschied winke ich ihm durch das Schneegestöber zu.

Ich brauche drei Tage, um nach Spartanburg, Ohio, zu kommen. Der Volvo liegt gut auf der Straße, vor allem im Schnee und Eis des Upper Midwest. Ich rufe Deck einmal über mein Autotelefon an. In der Kanzlei ist es ruhig, sagt er. Niemand hat nach mir gefragt.

Ich habe die letzten dreieinhalb Jahre damit verbracht, lange Stunden zu studieren, um meinen Abschluß zu schaffen, und zwischendurch, wann immer ich konnte, bei Yogi's zu arbeiten. Ich hatte kaum Freizeit. Diese Billigreise durch das Land mag den meisten Leuten öde vorkommen, aber für mich ist es ein Luxusurlaub. Er reinigt meinen Kopf und meine Seele, und er erlaubt mir, an andere Dinge als nur die Juristerei zu denken. Ich werfe einigen Ballast über Bord. Sara Plankmore zum Beispiel. Alter Groll wird abgetan. Das Leben ist zu kurz, um Leute zu verabscheuen, die einfach nichts dafür können, daß sie so etwas tun. Die schmerzhaften Sünden von Loyd Beck und Barry X. Lancaster erhalten irgendwo in West Virginia Absolution. Ich schwöre, damit aufzuhören, mir wegen Miss Birdie und ihrer elenden Familie Sorgen zu machen. Sollen sie ihre Probleme doch ohne mich lösen.

Über viele Meilen hinweg träume ich von Kelly Riker, von ihren perfekten Zähnen, den gebräunten Beinen und der melodischen Stimme.

Wenn ich mich mit juristischen Dingen beschäftige, konzentriere ich mich auf den bevorstehenden Prozeß. In meiner Kanzlei gibt es nur eine einzige Akte, die Aussicht hat, in die Nähe eines Gerichts zu kommen. Also gibt es auch nur einen Prozeß, an den ich denken muß. Ich übe meine Eröffnungsrede vor den Geschworenen. Ich knöpfe mir die Gangster von Great Benefit vor. Ich weine fast, als ich mein Schlußplädoyer halte.

Ich werde von ein paar Autofahrern, die mich überholen, angestarrt, aber wenn schon — niemand kennt mich.

Ich habe mit vier Anwälten gesprochen, die Great Benefit verklagt haben oder gerade verklagen. Die ersten drei waren nicht sehr hilfreich. Der vierte Anwalt wohnt in Spartanburg. Er heißt Cooper Jackson, und an seinem Fall ist irgend etwas eigenartig. Er wollte es mir am Telefon nicht sagen (dem Telefon in meiner Wohnung), aber er hat gesagt, ich könnte gern bei ihm vorbeikommen und mir seine Akte ansehen.

Er residiert in einem Bankgebäude in der Innenstadt, eine kleine Kanzlei mit sechs Anwälten in modernen Büros. Ich habe ihn gestern von irgendwo in North Carolina aus über mein Autotelefon angerufen, und er hat heute Zeit für mich. Um die Weihnachtszeit ist wenig zu tun, hat er gesagt.