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«Was ist mit dem Ersuchen des Vertreters der Anklage nach Information über die Zahl der im Laufe der letzten beiden Jahre ausgegebenen Policen und außerdem über die Zahl der im gleichen Zeitraum erhobenen Ansprüche und die Zahl der abgewiesenen Forderungen?«

Drummond holt tief Luft und macht ein unglaublich verlegenes Gesicht.»Wir arbeiten dran, Euer Ehren, ich schwöre es. Die Information ist über diverse Regionalbüros überall im Lande verstreut. Mein Mandant hat einunddreißig Staatsbüros, siebzehn Bezirksbüros und fünf Regionalbüros; da ist es äußerst schwierig…«

«Hat Ihr Mandant Computer?«

Er windet sich.»Natürlich. Aber das ist keine Sache, bei der man einfach ein paar Tasten drückt, und schwupp! schon bekommt man einen Ausdruck.«

«Der Prozeß beginnt in drei Wochen, Mr. Drummond. Ich will diese Information.«

«Wir tun, was wir können, Euer Ehren. Ich erinnere meine Mandanten jeden Tag daran.«

«Beschaffen Sie sie! — «beharrt Kipler und richtet sogar den Finger auf den großen Leo F. Drummond. Morehouse, Hill, Plunk und Grone sacken allesamt ein paar Zentimeter zusammen, hören aber trotzdem nicht auf, sich Notizen zu machen.

Wir kommen zu weniger heiklen Dingen. Wir stimmen darin überein, daß für den Prozeß zwei Wochen angesetzt werden sollten, obwohl Kipler mir anvertraut hat, daß er nichts unversucht lassen wird, den Prozeß auf fünf Tage zu beschränken. Nach zwei Stunden ist die Konferenz beendet.

«Und nun, meine Herren, wie steht es mit Vergleichsverhandlungen?«Natürlich habe ich ihm erzählt, daß ihr letztes Angebot hundertfünfundsiebzigtausend Dollar betrug. Ich habe ihm auch erzählt, daß Dot Black nichts an einem Vergleich liegt. Sie will kein Geld. Sie will Blut sehen.

«Was wäre Ihr höchstes Angebot, Mr. Drummond?«

Die fünf tauschen befriedigte Blicke aus, als stünde ein überaus dramatisches Ereignis bevor.»Also, Euer Ehren, heute morgen hat mein Mandant mich ermächtigt, zweihunderttausend Dollar als Vergleichssumme anzubieten«, sagt Drummond mit einem ziemlich schwächlichen Versuch, Eindruck zu schinden.

«Mr. Baylor?«

«Tut mir leid. Meine Mandantin hat mich angewiesen, keinen Vergleich abzuschließen.«

«Ohne Rücksicht auf den Betrag?«

«So ist es. Sie will eine Jury auf den Bänken dort drüben, und sie will, daß die ganze Welt erfährt, was ihrem Sohn widerfahren ist.«

Schock und Bestürzung auf der anderen Seite des Tisches. Ich habe noch nie soviel Kopfschütteln gesehen. Auch der Richter schafft es, einen verblüfften Eindruck zu machen.

Seit der Beerdigung habe ich kaum mit Dot gesprochen. Die paar kurzen Unterhaltungen, die ich versucht habe, sind nicht gut gelaufen. Sie trauert und ist zornig, und das ist völlig verständlich. Sie gibt Great Benefit, dem System, den Ärzten, den Anwälten und manchmal sogar mir die Schuld an Donny Rays Tod. Und auch das verstehe ich. Sie braucht das Geld nicht und will es nicht haben. Sie will Gerechtigkeit. Wie sie das letzte Mal, als ich vorbeischaute, auf der Vorderveranda sagte:»Ich will diese Schweine aus dem Geschäft.«

«Das ist ungeheuerlich«, sagt Drummond dramatisch.

«Es wird ein Prozeß stattfinden, Leo«, sage ich.»Bereiten Sie sich darauf vor.«

Kipler deutet auf eine Akte, und seine Sekretärin gibt sie ihm. Er händigt Drummond und mir eine Liste aus.»Also, das sind die Namen und Adressen der möglichen Geschworenen. Zweiundneunzig, glaube ich, aber bestimmt sind einige von ihnen inzwischen umgezogen oder anderweitig verhindert.«

Ich nehme die Liste und fange sofort an, die Namen durchzugehen. In diesem Staat lebt ungefähr eine Million Menschen. Bilde ich mir wirklich ein, ich könnte einen von ihnen kennen? Lauter Fremde.

«Wir wählen die Geschworenen eine Woche vor dem Prozeß aus, also stellen Sie sich auf den 1. Februar ein. Sie dürfen ihren Hintergrund recherchieren. Jeder direkte Kontakt ist natürlich ein schweres Vergehen.«

«Wo sind die Fragebögen?«fragt Drummond. Jeder voraussichtliche Geschworene muß einen Fragebogen ausfüllen und Angaben über Alter, Rasse, Geschlecht, Arbeitgeber, Art der von ihm betriebenen Arbeit und Schulbildung machen. Oft sind dies die einzigen Informationen, die ein Anwalt über einen Geschworenen hat, wenn es ans Auswählen geht.

«Wir arbeiten daran. Sie werden morgen abgeschickt. Sonst noch etwas?«

«Nein, Sir«, sage ich.

Drummond schüttelt den Kopf.

«Ich will diese Information über die Policen und Ansprüche bald haben, Mr. Drummond.«

«Wir bemühen uns, Euer Ehren.«

Ich esse allein zu Mittag in dem vegetarischen Restaurant in der Nähe des Büros. Schwarze Bohnen und Risotto, Kräutertee. Jedesmal, wenn ich hier hereinkomme, fühle ich mich gesünder. Ich esse langsam, stochere in meinen Bohnen herum und starre auf die zweiundneunzig Namen auf der Geschworenenliste. Drummond mit seinen unbegrenzten Ressourcen wird ein Team von Rechercheuren damit beauftragen, diese Leute ausfindig zu machen und ihr Leben zu erforschen. Sie werden heimlich ihre Wagen und ihre Häuser fotografieren, herausfinden, ob sie in irgendwelche Rechtsstreitigkeiten verwickelt waren, sich ihre Kreditunterlagen beschaffen, die Geschichte ihrer Arbeitsverhältnisse zurückverfolgen und nach Schmutz wie eventuellen Scheidungen, Konkursen oder Anklagen wegen irgendwelcher Vergehen wühlen. Sie werden der Öffentlichkeit zugängliche Unterlagen durchstöbern und herausfinden, wieviel diese Leute für ihre Häuser bezahlt haben. Das einzige streng Verbotene ist persönlicher Kontakt, entweder direkt oder durch einen Mittelsmann.

Wenn wir dann alle im Gerichtssaal versammelt sind, um die endgültigen zwölf auszuwählen, werden Drummond und Genossen über jeden dieser Leute eine hübsche Akte haben. Diese Akten werden nicht nur von ihm und seinen Mitstreitern begutachtet, sondern außerdem von einem Team von professionellen Juryberatern gründlich analysiert werden. In der Geschichte der amerikanischen Jurisprudenz sind die Juryberater eine relativ neue Spezies. Sie sind gewöhnlich Anwälte, die über eine gewisse Fähigkeit und Erfahrung im Beurteilen der menschlichen Natur verfügen. Viele von ihnen sind gleichzeitig Psychiater oder Psychologen. Sie ziehen durchs

Land und verkaufen ihre exzessiv teuren Fähigkeiten an Anwälte, die sie sich leisten können.

Während des Studiums habe ich eine Geschichte über einen Juryberater gehört, der von Jonathan Lake für ein Honorar von achtzigtausend Dollar angeheuert worden war. Die Geschworenen sprachen ein Urteil über mehrere Millionen Dollar, das Honorar war also nicht mehr als eine Kleinigkeit.

Drummonds Juryberater werden im Gerichtssaal sitzen, wenn wir die Geschworenen auswählen. Sie werden diese nichtsahnenden Leute unauffällig beobachten. Sie werden Gesichter und Körpersprache analysieren, Kleidung und Verhalten und Gott weiß was sonst noch.

Ich dagegen habe Deck, der selbst bereits ein Fall für eine Studie in menschlicher Natur ist. Wir werden Butch und Booker eine Kopie der Liste geben und allen anderen Leuten, denen vielleicht ein oder zwei Namen bekannt sein körnten. Wir werden ein paar Anrufe tätigen, vielleicht ein paar Adressen überprüfen, aber unser Job ist wesentlich härter. Wir werden in erster Linie darauf angewiesen sein, die Leute anhand ihres Auftretens im Gerichtssaal auszuwählen.

Kapitel 41

Ich gehe jetzt mindestens dreimal pro Woche in das Einkaufszentrum, gewöhnlich um die Abendbrotzeit. Ich habe sogar meinen eigenen Tisch an der Promenade, dicht an dem Geländer oberhalb der Eisbahn, wo ich Hühner-Chow-mein von Wong's esse und den Kindern beim Schlittschuhlaufen zuschaue. Von dem Tisch aus kann ich auch den Fußgängerverkehr beobachten, ohne selbst gesehen zu werden. Sie ist nur einmal vorbeigekommen, allein und, wie es aussah, ohne ein bestimmtes Ziel. Ich wünsche mir nichts sehnlicher, als mich neben sie zu schieben, ihre Hand zu nehmen und sie in eine schicke kleine Boutique zu führen, wo wir uns zwischen den Gestellen verstecken und über irgend etwas reden können.