«Ja, und er beschuldigt mich«, sage ich wütend.
«Ich verstehe nicht, wie Sie darauf kommen, Mr. Drummond«, sagt Kipler.
«Vielleicht sollten wir das in Ihrem Zimmer erörtern«, sagt Drummond und funkelt mich an.
«Eine kurze Pause«, sagt Kipler zu seinem Gerichtsdiener.
Drummond und ich sitzen Seinen Ehren an seinem Schreibtisch gegenüber. Die anderen vier Trent & Brents stehen hinter uns. Kipler ist ausgesprochen bestürzt.»Ich hoffe, Sie haben gute Gründe«, sagt er zu Drummond.
«Diese Leute sind manipuliert worden«, sagt Drummond.
«Woher wissen Sie das?«
«Das kann ich nicht sagen. Aber ich weiß es.«
«Spielen Sie keine Spielchen mit mir, Leo. Ich will Beweise.«
«Ich kann es Ihnen nicht sagen, Euer Ehren, nicht ohne vertrauliche Informationen preiszugeben.«
«Unsinn! Reden Sie.«
«Es ist wahr, Euer Ehren.«
«Beschuldigen Sie mich?«frage ich.
«Ja.«
«Sie haben den Verstand verloren.«
«Ihr Verhalten ist ziemlich bizarr, Leo«, sagt Seine Ehren.
«Ich glaube, ich kann es beweisen«, sagt er selbstgefällig.
«Wie?«
«Lassen Sie mich mit der Befragung der Leute weitermachen. Die Wahrheit wird ans licht kommen.«
«Bis jetzt hat sich niemand geäußert.«
«Ich habe ja auch kaum angefangen.«
Kipler denkt einen Moment darüber nach. Wenn dieser Prozeß vorüber ist, werde ich ihm die Wahrheit sagen.
«Ich würde gern bestimmte Geschworene direkt ansprechen«, sagt Drummond. Das ist eigentlich nicht üblich, aber es liegt im Ermessen des Richters.
«Was halten Sie davon, Rudy?«
«Keine Einwände. «In Wirklichkeit kann ich es kaum abwarten, daß Drummond damit anfängt, sich die Leute vorzuknöpfen, die wir angeblich beeinflußt haben.»Ich habe nichts zu verbergen. «Zwei der Typen hinter mir husten beziehungsvoll.
«Also gut. Es ist Ihr Grab, das Sie da graben, Leo. Aber halten Sie sich an die Regeln.«
«Was haben Sie da drin gemacht?«fragt Dot, als ich an den Tisch zurückkehre.
«Nur Anwaltskram«, flüstere ich. Drummond steht vor den Geschworenen, die ihn extrem mißtrauisch ansehen.
«Also, ich sagte es bereits. Es ist überaus wichtig, daß Sie es uns sagen, falls jemand Sie aufgesucht und mit Ihnen über diesen Fall gesprochen hat. Bitte heben Sie die Hand, wenn das geschehen ist. «Er hört sich an wie ein Lehrer von Erstkläßlern.
Nirgends eine Hand.
«Es ist eine überaus schwerwiegende Sache, wenn mit einem Geschworenen von einer der an einem Fall beteiligten Parteien direkt oder indirekt Kontakt aufgenommen wird. Es könnte sogar sehr ernste Folgen haben sowohl für die Person, die mit einem Geschworenen gesprochen hat, als auch für den Geschworenen selbst, wenn er es unterläßt, das zu melden. «Das hat einen drohenden Unterton.
Keine Hände. Keine Bewegung. Nichts als eine Gruppe von Leuten, die jetzt schnell wütend werden.
Er verlagert sein Gewicht von einem Fuß auf den anderen, reibt sich das Kinn und wendet sich direkt an Billy Porter.
«Mr. Porter«, sagt er mit tiefer Stimme, und Billy fühlt sich getroffen. Er richtet sich auf, nickt. Sein Gesicht läuft rot an.
«Mr. Porter, ich möchte Ihnen eine direkte Frage stellen, und ich erwarte eine ehrliche Antwort.«
«Wenn Sie eine ehrliche Frage stellen, bekommen Sie auch eine ehrliche Antwort«, sagt Porter wütend. Das ist ein Mann mit einer kurzen Lunte. An Drummonds Stelle würde ich ihn in Ruhe lassen.
Drummond verhält einen Moment, dann stürmt er vor.»Ja, also, Mr. Porter, haben Sie gestern abend am Telefon mit Mr. Rudy Baylor gesprochen oder nicht?«
Ich stehe auf, breite die Arme aus, schaue Drummond an, als wäre ich völlig unschuldig und er hätte den Verstand verloren, sage aber nichts.
«Natürlich nicht«, sagt Porter, und sein Gesicht wird noch röter.
Drummond lehnt sich an die Schranke und umklammert die dicke Mahagonistange mit beiden Händen. Er starrt Billy Porter an, der in der vordersten Reihe sitzt, kaum einen Meter von ihm entfernt.
«Sind Sie sicher, Mr. Porter?«fragt er.
«Ich bin verdammt sicher, Mann!«
«Ich glaube, Sie haben es doch getan«, sagt Drummond, der sich jetzt nicht mehr unter Kontrolle hat. Damit ist er zu weit gegangen. Bevor ich Einspruch erheben und bevor Kipler ihn zur Ordnung rufen kann, springt Mr. Billy Porter auf und stürzt sich auf den großen Leo F. Drummond.
«Wagen Sie es nicht, mich einen Lügner zu nennen, Sie Dreckskerl!«brüllt Porter und packt Drummond bei der Kehle. Drummond fällt über die Schranke, seine eleganten Slipper fliegen durch die Luft. Frauen kreischen. Geschworene springen von ihren Sitzen auf. Porter sitzt über Drummond, der zappelt und sich windet und tritt und versucht, einen oder zwei Hiebe anzubringen.
T. Pierce Morehouse und M. Alec Plunk Junior springen auf und treffen als erste auf dem Schlachtfeld ein. Die anderen folgen. Der Gerichtsdiener eilt herbei. Zwei der Geschworenen versuchen, die Kämpfenden auseinanderzubringen.
Ich bleibe sitzen und genieße die Prügelei. Kipler erreicht die Schranke ungefähr zu dem Zeitpunkt, als Porter zurückgezogen wird und Drummond wieder hochkommt und die Kombattanten sicher voneinander getrennt worden sind. Ein Slipper wird unter der zweiten Reihe gefunden und Leo zurückgegeben, der seinen Anzug abklopft und dabei ein wachsames Auge auf Porter hat. Porter wird festgehalten und beruhigt sich rasch wieder.
Die Juryberater sind schockiert. Ihre Computermodelle sind im Eimer, ihre ausgeklügelten Theorien keinen Pfifferling mehr wert. Zu diesem Zeitpunkt sind sie völlig nutzlos.
Nach einer kurzen Unterbrechung stellt Drummond den formellen Antrag, alle Geladenen zu entlassen. Kipler lehnt ab.
Mr. Billy Porter wird von der Geschworenenpflicht entbunden und verläßt schnaubend den Saal. Ich glaube, er wollte Drummond noch ein bißchen mehr verpassen. Hoffentlich wartet er draußen, um sein Werk zu vollenden.
Den frühen Nachmittag verbringen wir mit dem mühsamen Prozeß der Auswahl der Geschworenen. Drummond und Genossen meiden entschlossen all die Leute, die Deck und ich am Vorabend am Telefon erwähnt haben. Sie sind überzeugt, daß wir uns an diese Leute herangemacht und sie irgendwie überredet haben, nichts davon verlauten zu lassen. Sie sind so wütend, daß sie mich nicht ansehen.
Das Resultat ist aus meiner Sicht eine Traumjury. Sechs schwarze Frauen, alle Mütter. Zwei schwarze Männer, einer ein College-Absolvent, der andere ein invalider ehemaliger Lastwagenfahrer. Drei weiße Männer, von denen zwei der Gewerkschaft angehören. Der dritte wohnt nur vier Querstraßen von den Blacks entfernt. Eine weiße Frau, Gattin eines namhaften Grundstücksmaklers. Ich konnte sie nicht vermeiden, aber ich mache mir ihretwegen keine Sorgen. Für einen Urteilsspruch sind nur neun der zwölf Geschworenen erforderlich.
Um vier Uhr nachmittags weist Kipler ihnen ihre Plätze an und vereidigt sie. Er weist sie darauf hin, daß der Prozeß in einer Woche beginnt und daß sie mit niemandem über den Fall sprechen dürfen. Dann tut er etwas, das mir zuerst einen Mordsschrecken einjagt, das ich bei weiterem Nachdenken jedoch für eine großartige Idee halte. Er fragt beide Anwälte, mich und Drummond, ob wir ein paar Bemerkungen an die Geschworenen richten würden, außerhalb des Protokolls und ganz informell. Einfach ein bißchen was über unseren Fall erzählen. Nichts Ausgeklügeltes.
Ich natürlich habe nicht damit gerechnet, vor allem deshalb, weil es so etwas noch nie gegeben hat. Trotzdem schüttele ich meine Nervosität ab und trete vor die Geschworenen. Ich erzähle ihnen einiges über Donny Ray, über die Police und darüber, weshalb wir glauben, daß Great Benefit ein Unrecht begangen hat. Nach fünf Minuten bin ich fertig.
Drummond tritt vor die Geschworenen, und selbst ein Blinder könnte das Mißtrauen spüren, daß er in ihnen gesät hat. Er entschuldigt sich für den Zwischenfall, gibt aber unklugerweise Porter den größten Teil der Schuld. Was für ein selbstgefälliger Mensch. Er liefert seine Version der Fakten, sagt, Donny Rays Tod täte ihm sehr leid, aber zu behaupten, sein Mandant wäre daran schuld, wäre einfach lächerlich.