Das hatte ich natürlich vorausgesehen. Ich wollte die Vernehmung von Mr. Reisky auf dramatische Weise beenden. Aber damit, daß es lustig werden würde, hatte ich weiß Gott nicht gerechnet. Mrs. Beverdee Hardaway, eine untersetzte, einundfünfzig Jahre alte Schwarze, die in der Mitte der vordersten Reihe der Geschworenenbank sitzt, lacht auf Reiskys absurde Antwort hin laut auf. Es ist ein plötzliches Auflachen, offensichtlich spontan, weil sie es so schnell wie möglich unterdrückt. Beide Hände fliegen zu ihrem Mund hoch. Sie knirscht mit den Zähnen und beißt die Kiefer zusammen und schaut sich hektisch um, um zu sehen, wieviel Schaden sie angerichtet hat. Aber ihr Körper zuckt leicht weiter.
Zu Mrs. Hardaways Pech, für uns dagegen recht erfreulich, ist der Moment ansteckend. Mr. Ranson Pelk, der direkt hinter ihr sitzt, wird von irgend etwas angesteckt, ebenso Mrs. Ella Faye Salter, die neben Mrs. Hardaway sitzt. Binnen Sekunden nach der ursprünglichen Eruption hat sich das Lachen über die Bänke der Geschworenen ausgebreitet. Einige Geschworene sehen Mrs. Hardaway an, als wäre noch immer sie die Missetäterin. Andere richten den Blick auf Reisky und schütteln in belustigter Verblüffung den Kopf.
Reisky geht vom Schlimmsten aus. Er nimmt an, er selbst wäre der Grund dafür, daß sie lachen. Sein Kopf sackt herunter, und er betrachtet den Fußboden. Drummond entscheidet sich dafür, es einfach zu ignorieren, aber es muß fürchterlich weh tun. Bei seinen jungen Strahlemännern ist kein Gesicht zu sehen. Sie haben alle ihre Nase in Akten und Bücher gesteckt. Aldy und Underhall betrachten ihre Socken.
Kipler würde am liebsten mitlachen. Er duldet die Heiterkeit kurze Zeit; erst als sie sich zu legen beginnt, läßt er seinen Hammer niederfahren, als wollte er offiziell die Tatsache festhalten, daß die Geschworenen über die Aussage von Payton Reisky gelacht haben.
Es geht ganz schnell. Die absurde Antwort, das Auflachen, das Unterdrücken, das Glucksen und Kichern und das skeptische Kopfschütteln, all das dauert nur ein paar Sekunden. Bei einigen Geschworenen stelle ich jedoch eine gewisse Erleichterung fest. Sie möchten lachen, ihrer Ungläubigkeit Ausdruck geben, und indem sie das tun, können sie, wenn auch nur eine Sekunde lang, Reisky und Great Benefit unmißverständlich mitteilen, was sie von dem halten, was sie da zu hören bekommen.
So kurz er auch ist, es ist ein goldener Moment. Ich lächle sie an. Sie lächeln mich an. Sie glauben alles, was meine Zeugen sagen. Drummonds Zeugen glauben sie kein Wort.
«Keine weiteren Fragen, Euer Ehren«, sage ich verächtlich, als hätte ich die Nase voll von diesem verlogenen Schurken.
Drummond ist offensichtlich überrascht. Er dachte, ich würde den ganzen Tag damit verbringen, mit den Handbüchern und den Statistiken auf Reisky einzuhämmern. Er raschelt mit Papier, füstert T. Price etwas zu, dann steht er auf und sagt:»Unser nächster Zeuge ist Richard Pellrod.«
Pellrod ist leitender Schadenssachbearbeiter. Bei der Vernehmung war er ein fürchterlicher Zeuge, der so tat, als bräche er unter der Last seines Amtes fast zusammen. Sein Auftreten ist keine Überraschung. Sie mußten etwas unternehmen, um Jackie Lemancyzk mit Dreck bewerfen zu können. Pellrod war ihr direkter Vorgesetzter.
Er ist sechsundvierzig, von mittlerem Körperbau mit einem Bierbauch, wenig Haar, einem nichtssagenden Gesicht, Leberflecken und einer dicken Brille. Dieser arme Kerl ist in keiner Hinsicht körperlich anziehend, aber es macht ihm offensichtlich nichts aus. Ich wette, wenn er sagt, Jackie Lemancyzk wäre nur eine Hure, die versucht hat, auch ihn zu umgarnen, dann werden die Geschworenen wieder laut auflachen.
Pellrod hat den jähzornigen Charakter, den man von einem Mann erwarten kann, der seit zwanzig Jahren in der Schadensabteilung arbeitet. Er ist nur eine Spur freundlicher als der durchschnittliche Rechnungseintreiber und kann den Geschworenen weder Wärme vermitteln noch Vertrauen einflößen. Er ist eine Firmenratte auf einem der niederen Ränge und hat wahrscheinlich solange, wie er sich erinnern kann, an demselben Schreibtisch gesessen.
Und er ist der Beste, den sie haben! Sie können Lufkin, Aldy oder Keeley nicht wieder hereinholen, weil die bei den Geschworenen bereits jede Glaubwürdigkeit verloren haben. Auf Drummonds Liste steht noch ein halbes Dutzend Männer aus der Zentrale in Cleveland, aber ich bezweifle, daß er einen von ihnen aufrufen wird. Was können sie schon sagen? Die Handbücher existieren nicht? Ihre Firma lügt nicht und unterschlägt keine Dokumente?
Drummond und Pellrod arbeiten sich eine halbe Stunde lang durch ein gründlich geprobtes Skript, wieder atemberaubende interne Vorgehensweisen in der Schadensabteilung, wieder heroische Anstrengungen von Great Benefit, die Versi-cherten fair zu behandeln, wieder Gähnen bei den Geschworenen.
Richter Kipler beschließt, sich in die Langweilerei einzuschalten. Er unterbricht das einstudierte Frage- und Antwortspiel und sagt:»Herr Anwalt, können Sie zu etwas anderem übergehen?«
Drummond macht einen schockierten und verletzten Eindruck.»Aber, Euer Ehren, ich habe das Recht auf eine eingehende Befragung dieses Zeugen.«
«Das haben Sie. Aber der größte Teil dessen, was er bisher gesagt hat, ist der Jury bereits bekannt. Das ist pure Wiederholung.«
Drummond kann es einfach nicht glauben. Er ist fassungslos und versucht, ziemlich erfolglos, so zu reagieren, als würde er vom Richter schikaniert.
«Ich kann mich nicht erinnern, daß Sie den Vertreter der Anklage aufgefordert haben, seine Verhöre abzukürzen.«
Das hätte er nicht sagen sollen. Er versucht, diesen Wortwechsel zu verlängern, aber er legt sich mit dem falschen Richter an.»Das liegt daran, daß Mr. Baylor die Geschworenen wach hält, Mr. Drummond. Und jetzt gehen Sie zu etwas anderem über.«
Mrs. Hardaways Ausbruch und das anschließende Gelächter hat die Geschworenen offensichtlich gelockert. Sie sind jetzt lebhafter und eher bereit, auf Kosten der Verteidigung zu lachen.
Drummond funkelt Kipler an, als gedächte er, diese Sache bei anderer Gelegenheit noch mal zur Sprache und ins rechte Lot zu bringen. Zurück zu Pellrod, der dasitzt wie eine Kröte, mit nur halb geöffneten Augen und zur Seite geneigtem Kopf. Es wurden Fehler gemacht, gesteht Pellrod mit einem schwachen Versuch, Reue zu zeigen, aber keine schwerwiegenden. Und, ob man es glaubt oder nicht, die meisten Fehler gehen auf das Konto von Jackie Lemancyzk, einer jungen Frau mit vielen Problemen.
Für eine Weile zurück zur Black-Akte. Pellrod spricht über einige der weniger belastenden Dokumente. Er äußert sich nicht über die Ablehnungsschreiben, sondern verbringt statt dessen eine Menge Zeit mit Papierkram, der irrelevant und unwichtig ist.
«Mr. Drummond«, unterbricht Kipler streng,»ich habe Sie gebeten, zu etwas anderem überzugehen. Diese Dokumente liegen den Geschworenen vor, und diese Aussagen wurden bereits von anderen Zeugen gemacht. Und jetzt sehen Sie bitte zu, daß Sie vorankommen.«
Drummonds Gefühle sind verletzt. Er wird von einem unfairen Richter vermahnt und gemaßregelt. Er braucht einige Zeit, um sich wieder zu fassen. Er ist mit seiner Leistung nicht auf der Höhe.
Sie entschließen sich zu einer neuen Strategie hinsichtlich des Schadenshandbuchs. Pellrod sagt, es ist nur ein Leitfaden, nicht mehr und nicht weniger. Er persönlich hat seit Jahren keinen Blick mehr in das verdammte Ding geworfen. Es wird so oft geändert, daß die erfahrenen Schadenssachbearbeiter es einfach ignorieren. Drummond zeigt ihm Abschnitt U, und, es ist kaum zu glauben, er hat ihn noch nie gesehen. Hat für ihn ebensowenig Bedeutung wie für die vielen Sachbearbeiter, die ihm unterstehen. Er persönlich kennt keinen einzigen Sachbearbeiter, der dieses Handbuch zu Rate zieht.
Also wie werden die Ansprüche in Wirklichkeit bearbeitet? Pellrod sagt es uns. Von Drummond dazu aufgefordert, befördert er einen hypothetischen Anspruch durch die normalen Kanäle. Schritt um Schritt, Formular um Formular, Aktennotiz um Aktennotiz. Pellrods Stimme verbleibt in derselben Oktave, und er langweilt die Geschworenen zu Tode. Lester Days, einer der Geschworenen in der hinteren Reihe, nickt ein. Überall Gähnen und schwere Lider, während sie vergeblich versuchen, wach zu bleiben.