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Seine Absicht wird rasch deutlich. Alles dreht sich um Jackie Lemancyzk. Sie hat über die zehntausend Dollar Bargeld gelogen. Sie hat über das Unterschreiben der Abmachung gelogen, weil es keine Abmachung gibt. Sie hat über das System der Zahlungsverweigerung gelogen. Sie hat über den Sex mit ihren Bossen gelogen. Sie hat sogar gelogen, als sie behauptete, die Firma hätte die Bezahlung ihrer Arztrechnungen verweigert. Underhalls Stimme klingt zuerst leicht mitfühlend, wird aber bald schrill und rachsüchtig. Es ist unmöglich, diese grauenhaften Dinge mit einem Lächeln vorzubringen, aber er scheint felsenfest entschlossen zu sein, kein gutes Haar an ihr zu lassen.

Es ist ein kühnes und riskantes Manöver. Die Tatsache, daß dieser Gangster jemanden des Lügens beschuldigt, ist eine schamlose Ironie. Sie sind zu dem Schluß gekommen, daß dieser Prozeß weitaus wichtiger ist als alle späteren von Jackie Lemancyzk angestrengten Verfahren. Drummond ist offenbar willens, die totale Abneigung der Geschworenen in Kauf zu nehmen, wenn er dafür genügend Schmutz aufwirbeln kann, um das Wasser zu trüben. Und vermutlich denkt er, daß er kaum etwas zu verlieren hat bei dieser gemeinen Attacke auf eine junge Frau, die nicht anwesend ist und sich nicht wehren kann.

Jackies Arbeit war miserabel, teilt Underhall uns mit. Sie trank und harte Probleme, mit ihren Kollegen und Kolleginnen auszukommen. Es mußte etwas unternommen werden. Sie gaben ihr die Chance, zu kündigen, damit sie keinen dunklen Fleck in ihren Papieren hätte. Das alles hatte nichts zu tun mit der Tatsache, daß sie vernommen werden sollte, nicht das allergeringste mit dem Black-Fall.

Seine Aussage ist bemerkenswert kurz. Sie hoffen, ihn in den Zeugenstand und wieder heraus zu bekommen, ohne daß dadurch wesentlicher Schaden angerichtet wird. Es gibt nicht viel, was ich tun kann, aber ich hoffe, die Geschworenen verabscheuen ihn ebensosehr wie ich. Er ist Anwalt und nicht gerade jemand, mit dem ich mich anlegen möchte.

«Mr. Underhall, gibt es in Ihrer Firma Personalakten?«frage ich sehr höflich.

«Ja.«

«Haben Sie eine Akte über Jackie Lemancyzk?«

«Ja.«

«Haben Sie sie bei sich?«

«Nein, Sir.«

«Wo befindet sie sich?«

«Im Büro, nehme ich an.«

«In Cleveland?«

«Ja. Im Büro.«

«Also können wir sie uns nicht ansehen?«

«Ich habe sie nicht bei mir. Und ich wurde auch nicht aufgefordert sie mitzubringen.«

«Enthält sie auch Leistungsbeurteilungen und dergleichen?«

«Ja.«

«Wenn eine Angestellte eine Abmahnung erhält, heruntergestuft oder versetzt wird, steht das dann in der Personalakte?«

«Ja.«

«Finden sich in Jackies Akte derartige Angaben?«

«Ich nehme es an.«

«Enthält ihre Akte eine Kopie ihrer Kündigung?«

«Ja.«

«Aber was den Inhalt der Akte angeht, müssen wir uns auf Ihr Wort verlassen, richtig?«

«Ich wurde nicht aufgefordert, sie mitzubringen, Mr. Baylor.«

Ich werfe einen Blick auf meine Notizen und räuspere mich.»Mr. Underhall, haben Sie eine Kopie der Abmachung, die Jak-kie unterschrieben hat, als Sie ihr das Geld gaben und sie versprach, Stillschweigen zu bewahren?«

«Ihr Gehör scheint nicht in Ordnung zu sein.«

«Wie bitte?«

«Ich habe gerade ausgesagt, daß es keine derartige Abmachung gibt.«

«Sie meinen, sie existiert nicht?«

Er schüttelt vehement den Kopf.»Sie hat nie existiert. Sie hat gelogen.«

Ich tue überrascht, dann gehe ich langsam zu meinem Tisch, der mit Papieren übersät ist. Ich finde das, was ich wollte,

überfliege es, von allen beobachtet, nachdenklich und kehre dann mit dem Blatt Papier zum Podium zurück. Underhalls Rücken versteift sich, und er wirft einen verzweifelten Blick zu Drummond hinüber, der in diesem Moment das Papier in meiner Hand anstarrt. Sie denken an die Abschnitte U. Baylor hat es wieder geschafft! Er hat die vergrabenen Dokumente gefunden und uns beim Lügen ertappt.

«Aber Jackie Lemancyzk war sehr präzise, als sie den Geschworenen erzählte, was sie unterschreiben mußte. Erinnern Sie sich an ihre Aussage?«Ich lasse das Blatt vor dem Podium baumeln.

«Ja, ich habe ihre Aussage gehört«, sagt er. Seine Stimme ist jetzt ein wenig höher, seine Worte angespannter.

«Sie sagte, Sie hätten ihr zehntausend Dollar in bar gegeben und sie gezwungen, eine Abmachung zu unterschreiben. Erinnern Sie sich daran?«Ich schaue auf das Papier, als läse ich, was darauf steht. Jackie hat mir erzählt, daß die Geldsumme im ersten Absatz der Abmachung stand.

«Ja, ich habe es gehört«, sagt er und sieht Drummond an. Underhall weiß, daß ich keine Kopie der Abmachung habe, weil er das Original irgendwo vergraben hat. Aber sicher kann er nicht sein. Es passieren die merkwürdigsten Dinge. Wie in aller Welt konnte ich den Abschnitt U finden?

Er kann nicht zugeben, daß eine derartige Abmachung existiert. Und abstreiten kann er es auch nicht. Wenn er es abstreitet und ich dann plötzlich eine Kopie vorlege, wird der Schaden erst abzuschätzen sein, wenn die Geschworenen mit ihrem Spruch zurückkehren. Er zappelt, windet sich, wischt sich den Schweiß von der Stirn.

«Und Sie haben keine Kopie der Abmachung, die Sie den Geschworenen zeigen könnten?«sage ich, das Blatt Papier in meiner Hand schwenkend.

«Nein. Es gibt keine solche Abmachung.«

«Sind Sie sicher?«frage ich, fahre mit dem Finger an den Kanten des Blattes entlang, streichele es.

«Ich bin sicher.«

Ich starre ihn ein paar Sekunden an und genieße es, ihn leiden zu sehen. Die Geschworenen haben nicht ans Schlafen gedacht. Sie warten darauf, daß die Axt niedersaust, daß ich die Abmachung hervorzaubere und zusehe, wie er zu Boden geht.

Aber ich kann es nicht. Ich knülle das bedeutungslose Blatt Papier zusammen und werfe es dramatisch auf den Tisch.»Keine weiteren Fragen«, sage ich. Underhall atmet hörbar auf. Ein Herzanfall ist vermieden worden. Er springt aus dem Zeugenstand und verläßt den Saal.

Drummond bittet um fünf Minuten Pause. Kipler entscheidet, daß die Geschworenen mehr brauchen, und entläßt uns für eine Viertelstunde.

Die Strategie der Verteidigung, die Aussagen hinzuschleppen und die Geschworenen dadurch zu verwirren, hat offensichtlich nicht funktioniert. Die Geschworenen haben über Reisky gelacht und Pellrod verschlafen. Underhall war eine fast tödliche Katastrophe, weil Drummond befürchtete, ich hätte eine Kopie eines Dokuments, das angeblich nicht existiert.

Drummond reicht es. Er wird seine Chancen in einem kraftvollen Schlußplädoyer wahrnehmen, wenigstens etwas, wo ihm niemand hineinpfuschen kann. Nach der Pause verkündet er, daß die Verteidigung keine weiteren Zeugen aufzurufen gedenkt.

Der Prozeß ist nahezu vorüber. Kipler setzt die Schlußplädoyers auf neun Uhr am Freitag morgen an. Er verspricht den Geschworenen, daß ihnen der Fall um elf Uhr übergeben wird.

Kapitel 48

Lange nachdem die Geschworenen gegangen sind und lange nachdem Drummond und seine Mannschaft sich eilig auf den Weg zu ihren Büros aufgemacht haben, vermutlich, um ein weiteres Mal hektisch darüber zu debattieren, was denn nun schiefgelaufen ist, sitzen wir im Gerichtssaal am Tisch der Anklage und unterhalten uns über morgen. Cooper Jackson und die beiden Anwälte aus Raleigh, Hurley und Grunfeld, bemühen sich, mir nicht allzu viele unerbetene Ratschläge zu erteilen, aber mir macht es nichts aus, ihre Ansichten zu hören. Alle wissen, daß dies mein erster Prozeß ist. Sie scheinen beeindruckt von der Arbeit, die ich geleistet habe. Ich bin müde, immer noch ziemlich nervös und sehr realistisch, was das Geschehene angeht. Ich hatte einen wundervollen Tatbestand, einen niederträchtigen, aber reichen Beklagten, einen unglaublich wohlwollenden Richter — ein Glücksfall, nachdem ich es zuerst mit einem anderen zu tun hatte. Ich habe außerdem eine tolle Jury; aber die muß ihre Arbeit erst noch leisten.