Es wird eine große Story in der Sonntagsausgabe, verspricht
er.
Ich beschäftige mich im Büro, lese die Post und höre die paar Telefonanrufe ab, die im Laufe der letzten Woche hereingekommen sind. Ich bin außerstande zu arbeiten, und mir wird bewußt, wie wenige Mandanten und Fälle ich habe. Die Hälfte der Zeit verbringe ich damit, den Prozeß noch einmal ablaufen zu lassen, die andere Hälfte vergeht mit Träumen über meine Zukunft mit Kelly. Kann ich noch mehr Glück haben?
Ich rufe Max Leuberg an und erzähle ihm alles haarklein. Ein Schneesturm hatte O'Hare außer Betrieb gesetzt, deshalb konnte er nicht rechtzeitig zum Prozeß nach Memphis kommen. Wir unterhalten uns eine Stunde lang.
Unser Zusammensein am Samstag abend ist dem am Freitag sehr ähnlich, nur etwas anderes zu essen und ein anderer Film. Sie liebt chinesisches Essen, und ich bringe eine große Tüte voll mit. Wir sitzen in der gleichen Position auf dem Bett, sehen uns eine Komödie an und lachen hin und wieder.
Aber es ist alles andere als langweilig. Sie kommt langsam aus ihrem privaten Alptraum heraus. Ihre körperlichen Verletzungen heilen. Das Lachen kommt ein wenig leichter, ihre Bewegungen sind ein wenig rascher. Wir berühren uns öfter, aber nicht viel öfter. Bei weitem nicht genug.
Sie möchte heraus aus dem Jogginganzug. Sie waschen ihn zwar jeden Tag, aber sie hat ihn satt. Sie sehnt sich danach, wieder hübsch zu sein, und möchte ihre Kleider. Wir reden davon, uns in ihre Wohnung zu schleichen und ihre Sachen herauszuholen.
Über die Zukunft reden wir immer noch nicht.
Kapitel 51
Montag morgen. Jetzt, da ich ein vermögender Mann bin und Zeit habe, schlafe ich bis neun, ziehe eine bequeme KhakiHose und Turnschuhe an, keine Krawatte, und bin gegen zehn im Büro. Mein Partner ist damit beschäftigt, die Black-Akte in Kartons zu packen und die Tische zusammenzuklappen, die unser vorderes Büro monatelang verstopft haben. Wir grinsen beide und lächeln über alles mögliche. Der Druck ist weg. Wir sind ausgeruht, jetzt können wir uns freuen. Er läuft hinunter und holt Kaffee, dann sitzen wir an meinem Schreibtisch und lassen unsere schönste Stunde noch einmal Revue passieren.
Deck hat den Artikel aus der gestrigen Memphis Press ausgeschnitten für den Fall, daß ich ein zweites Exemplar brauche. Ich bedanke mich bei ihm, sage, es könnte sein, daß ich es brauche; dabei liegt in meiner Wohnung ein Dutzend Exemplare der Zeitung. Der Bericht stand auf der Titelseite des Lokalteils, ein langer, gut geschriebener Artikel über meinen Triumph, mit einem ziemlich großen Foto von mir an meinem Schreibtisch. Ich konnte gestern den ganzen Tag den Blick nicht davon abwenden. Die Zeitung wurde in dreihunderttausend Haushalte geliefert. So viel Werbung kann man mit Geld nicht kaufen.
Es sind ein paar Faxe eingegangen. Zwei von ehemaligen Studienkollegen mit Glückwünschen. Ein sehr nettes von Madeline Skinner in der Juristischen Fakultät. Und zwei von Max Leuberg. Das erste ist die Kopie eines kurzen Artikels aus einer Zeitung in Chicago über das Urteil. Das zweite ist die Kopie eines Artikels, der gestern in einer Zeitung in Cleveland gestanden hat. Darin wird der Black-Fall ausführlich beschrieben und dann auf die wachsenden Schwierigkeiten verwiesen, in denen Great Benefit steckt. Mindestens sieben Staaten, darunter Ohio, ermitteln inzwischen gegen die Firma. Überall im Lande werden Klagen von Inhabern von Policen eingereicht, und viele weitere werden erwartet. Man rechnet damit, daß das Urteil von Memphis eine Flut von Prozessen auslösen wird.
Ha, ha, ha. Wir freuen uns über den Jammer, den wir ausgelöst haben. Wir lachen, als wir uns Mr. Wilfred Keeley vorstellen, wie er abermals seine Bilanz studiert und versucht, mehr Geld darin zu finden. Irgendwo muß es doch stecken!
Ein Bote erscheint mit einem prächtigen Blumenarrangement, einem Glückwunsch von Booker Kane und seinen Kollegen in der Kanzlei von Marvin Shankle.
Ich hatte damit gerechnet, daß das Telefon ununterbrochen läuten und Mandanten anrufen würden, denen es um eine solide juristische Vertretung zu tun wäre. Bisher ist nichts dergleichen passiert. Deck sagt, vor zehn wären zwei Anrufe gekommen, von denen einer falsch verbunden war. Ich mache mir keine Sorgen.
Um elf ruft Kipler an, und ich wechsle zu dem sauberen Telefon über, nur für den Fall, daß Drummond immer noch mithört. Er hat eine interessante Story, eine, die auch mich betreffen könnte. Vor Beginn des Prozesses am vorigen Montag, als wir alle in seinem Amtszimmer saßen, hatte ich zu Drummond gesagt, daß wir einen Vergleich über eins Komma zwei Millionen abschließen könnten. Drummond hatte es empört abgelehnt, und der Prozeß nahm seinen Lauf. Allem Anschein nach hat er es unterlassen, die Leute von Great Benefit über dieses Angebot zu informieren, und die behaupten jetzt, sie hätten ernsthaft erwogen, mir zu zahlen, was ich haben wollte. Ob die Firma zu jenem Zeitpunkt dem Vergleich zugestimmt hätte, weiß der Himmel, aber in der Rückschau sind eins Komma zwei Millionen wesentlich leichter zu verdauen als fünfzig Komma zwei. Auf jeden Fall behauptet die Firma jetzt, sie hätte dem Vergleich zugestimmt, und sie behauptet außerdem, ihr Anwalt, der große Leo F. Drummond, hätte einen schwerwiegenden Fehler begangen, als er es unterließ oder sich weigerte, sie über mein Angebot zu informieren.
Underhall, der Firmenanwalt, hat den ganzen Morgen am Telefon gehangen und mit Drummond und Kipler gesprochen. Great Benefit ist wütend, gedemütigt und verletzt und offensichtlich auf der Suche nach einem Sündenbock. Drummond hat zuerst abgestritten, daß es je passiert ist, aber das hat Kipler gleich im Keim erstickt. Und das ist der Punkt, an dem ich ins Spiel komme. Es könnte sein, daß sie eine eidesstattliche Erklärung von mir brauchen, in der ich die Fakten so schildere, wie sie mir in Erinnerung sind. Gern, sage ich. Ich mache mich gleich an die Arbeit.
Great Benefit hat Drummond und Trent & Brent bereits entlassen, und es könnte noch viel schlimmer kommen. Underhall hat davon gesprochen, die Kanzlei wegen sträflichen Fehlverhaltens zu verklagen. Die Folgen wären katastrophal. Wie alle Kanzleien hat auch Trent & Brent eine Haftpflichtversicherung, aber die hat ihre Grenzen. Eine Police über fünfzig Millionen Dollar ist undenkbar. Ein Fünfzig-Mülionen-Dollar-Fehler von Leo F. Drummond würde die Kanzlei in ernsthafte finanzielle Schwierigkeiten stürzen.
Ich kann nicht anders — ich muß lächeln, als ich das höre. Nachdem ich den Hörer aufgelegt habe, erzähle ich Deck den Inhalt des Gesprächs. Der Gedanke, daß Trent & Brent von einer Versicherungsgesellschaft verklagt wird, ist einfach umwerfend.
Der nächste Anruf kommt von Cooper Jackson. Er und seine Freunde haben heute morgen vor dem Bundesgericht in Charlotte Klage eingereicht. Sie vertreten mehr als zwanzig Inhaber von Policen, die 1991, im Jahr des großen Systems, von Great Benefit aufs Kreuz gelegt wurden. Wenn ich nichts dagegen hätte, würde er bei Gelegenheit gern zu mir kommen und meine Akte durchsehen. Gern, sage ich, jederzeit.
Deck und ich gehen zum Lunch zu Moe's, einem alten Restaurant in der Nähe der Gerichte, in dem vorzugsweise Anwälte und Richter verkehren. Ich bekomme ein paar Blicke, ein Händeschütteln, einen Schlag auf den Rücken von einem ehemaligen Mitstudenten. Ich sollte öfter hier essen.
Unsere Aktion ist für heute abend, Montag, angesetzt, weil der Boden trocken ist und die Temperatur bei fünf Grad plus liegt. Die letzten drei Spiele sind wegen schlechten Wetters ausgefallen. Was sind das für Irre, die im Winter Softball spielen? Kelly beantwortet meine Frage nicht. Es liegt auf der Hand, mit was für einem Irren wir es zu tun haben. Sie ist sicher, daß sie heute abend spielen werden, weil es sehr wichtig für sie ist. Sie haben zwei Wochen ohne Sieg hinter sich, also keine Bierparties hinterher und keine Heldentaten, deren sie sich rühmen konnten. Cliff würde es nicht wagen, das Spiel zu versäumen.