Es fängt um sieben an, und sicherheitshalber fahren wir an dem Softballfeld vorbei. PFX Freights spielt tatsächlich. Ich gebe Gas. Ich habe so etwas noch nie gemacht, und ich bin ziemlich nervös. Wir sind beide nervös. Wir reden nicht viel. Je näher wir der Wohnung kommen, desto schneller fahre ich. Ich habe einen.38er unter dem Sitz und bin entschlossen, sie griffbereit zu halten.
Kelly meint, daß wir in zehn Minuten drinnen und wieder draußen sein können, wenn er nicht die Schlösser ausgewechselt hat. Sie will die meisten ihrer Kleider holen und noch ein paar andere Sachen. Zehn Minuten ist das Maximum, erkläre ich ihr, weil Nachbarn uns beobachten könnten. Und diese Nachbarn könnten auf die Idee kommen, Cliff anzurufen. Und wer weiß, was dann passiert.
Ihre Verletzungen wurden ihr vor fünf Tagen beigebracht, und das Schlimmste ist überstanden. Sie kann fast ohne Schmerzen laufen. Sie behauptet, sie wäre kräftig genug, um ihre Sachen zusammenzuklauben und sich schnell zu bewegen. Aber wir müssen es schon gemeinsam tun.
Die Wohnanlage ist eine Viertelstunde von dem Softballfeld entfernt. Sie besteht aus einem halben Dutzend dreistöckiger Häuser, zwischen denen es einen Pool und zwei Tennisplätze gibt. Achtundsechzig Wohnungen, verkündet das Schild. Gott sei Dank liegt ihre Wohnung im Erdgeschoß. Ich kann nicht in der Nähe der Haustür parken, also beschließe ich, daß wir zuerst in die Wohnung gehen und alles holen, was sie haben will, dann fahre ich auf den Rasen, werfe alles auf den Rücksitz, und wir verschwinden.
Ich stelle den Wagen ab und hole tief Luft.
«Hast du Angst?«fragt sie.
«Ja. «Ich greife unter den Sitz und hole die Waffe hervor.
«Beruhige dich, er ist auf dem Spielfeld. Er würde es um nichts in der Welt versäumen.«
«Wenn du meinst. Also, dann los.«
Wir schleichen durch die Dunkelheit zu ihrer Wohnung, ohne jemanden zu sehen. Ihr Schlüssel paßt, die Tür ist offen, wir sind drinnen. In der Küche und auf dem Flur ist eine Lampe eingeschaltet, und das Licht reicht aus. Auf zwei Stühlen im Wohnzimmer liegen Kleidungsstücke. Die Beistelltische und der Fußboden sind übersät mit leeren Bierdosen und Chipstüten. Cliff, der Strohwitwer, ist ein ziemlicher Liederjan. Sie bleibt eine Sekunde stehen und sieht sich angewidert um.»Tut mir leid«, meint sie.
«Beeil dich, Kelly«, sage ich. Ich lege die Waffe auf die schmale Durchreiche zwischen Wohnzimmer und Küche. Wir gehen ins Schlafzimmer, wo ich eine kleine Lampe einschalte. Das Bett ist seit Tagen nicht gemacht. Noch mehr Bierdosen und eine Pizzaschachtel. Ein Playboy. Sie zeigt auf die Schubladen einer kleinen, billigen Kommode.»Da sind meine Sachen«, sagt sie. Wir füstern.
Ich ziehe die Kopfkissenbezüge ab und fange an, sie mit Wäsche, Strümpfen und Schlafanzügen vollzustopfen. Kelly holt Kleider aus dem Schrank. Ich trage eine Ladung davon ins Wohnzimmer und hänge sie über einen Stuhl, dann kehre ich ins Schlafzimmer zurück. Sie sagt nichts, gibt mir eine weitere Ladung, und ich bringe sie ins Wohnzimmer. Wir arbeiten schnell und schweigend.
Ich komme mir vor wie ein Dieb. Jede Bewegung macht zuviel Lärm. Mein Herz klopft, während ich mit einer Ladung nach der anderen vom Schlafzimmer ins Wohnzimmer renne.
«Das reicht«, sage ich schließlich. Sie trägt einen vollgestopften Kopfkissenbezug, und ich folge ihr mit mehreren Kleidern auf Bügeln ins Wohnzimmer.»Laß uns verschwinden«, sage ich, jetzt überaus nervös.
Dann hören wir ein leises Geräusch an der Tür. Jemand versucht, hereinzukommen. Wir erstarren und sehen uns an. Sie tut einen Schritt auf die Tür zu, als sie plötzlich auffliegt und gegen die Wand schleudert. Cliff Riker stürmt herein.»Kelly! Ich bin zu Hause!«ruft er, als er sie über einen Stuhl fallen sieht. Ich stehe direkt vor ihm, kaum zwei Meter entfernt, und er bewegt sich schnell. Alles, was ich sehen kann, ist sein gelbes PFX-Freights-Trikot, seine roten Augen und seine Lieblingswaffe. Ich erstarre vor Entsetzen, als er den AluminiumSoftballschläger hebt und Anstalten macht, ihn auf meinen Kopf niedersausen zu lassen.»Du Dreckskerl!«brüllt er. Trotz meiner Erstarrung gelingt es mir, mich zu ducken, nur Millisekunden bevor der Schläger über mich hinwegsaust. Ich kann hören, wie er zischt, ich spüre seine Gewalt. Sein Home-run-Schlag trifft eine unglückliche kleine Holzfigur am Rand der Durchreiche, zertrümmert sie und fegt einen Stapel schmutziges Geschirr herunter. Kelly schreit. Der Schlag sollte meinen Schädel zertrümmern, und als er danebenging, wirbelte sein Körper weiter herum, so daß er mir jetzt den Rücken zudreht. Ich stürze mich wie ein Wahnsinniger auf ihn und werfe ihn über den mit Kleidern und Kleiderbügeln beladenen Stuhl. Kelly schreit abermals, irgendwo hinter mir.»Hol die Waffe!«schreie ich.
Er ist schnell und stark und wieder auf den Beinen, bevor ich mein Gleichgewicht zurückgewonnen habe.»Ich bring dich um!«brüllt er, holt abermals aus und verfehlt mich wieder, als ich mit knapper Not ausweiche. Der zweite Schlag trifft nichts als Luft.»Du Dreckskerl!«faucht er und reißt den Schläger herum.
Eine dritte Chance bekommt er nicht, entscheide ich rasch. Bevor er den Schläger erneut heben kann, hole ich zu einem rechten Haken auf sein Gesicht aus. Er landet auf seinem Kinn und macht ihn gerade lang genug benommen, daß ich ihm einen Tritt zwischen die Beine versetzen kann. Mein Fuß landet zielgenau. Ich höre und spüre, wie seine Hoden aufplatzen, und er stößt einen Schmerzensschrei aus. Er läßt den Schläger sinken, und ich packe ihn und reiße ihn ihm aus der Hand.
Ich schwinge ihn hoch, und er landet direkt oberhalb des linken Ohrs, und bei dem Geräusch wird mir fast schlecht. Knochen knirschen und brechen. Er fällt auf alle viere, sein Kopf hängt eine Sekunde herab, dann dreht er sich um und sieht mich an. Er hebt den Kopf und versucht, aufzustehen. Mein zweiter Schwinger beginnt an der Zimmerdecke, und in ihm steckt alle Kraft, die ich aufbringen kann. Ich lasse den
Schläger voller Haß und Angst niederfahren, und er landet mitten auf seinem Schädel.
Ich will abermals ausholen, aber Kelly ergreift meinen Arm.»Hör auf, Rudy.«
Ich halte inne, sehe erst sie an und dann Cliff. Er liegt flach auf dem Bauch, zitternd und stöhnend. Wir sehen entsetzt zu, wie er still wird. Nur ein gelegentliches Zucken, dann versucht er, etwas zu sagen, aber es kommt nur ein kehliges Röcheln heraus. Er versucht den Kopf zu bewegen, der heftig blutet.
«Ich bringe das Schwein um, Kelly«, sage ich, schwer atmend, immer noch verängstigt, immer noch wütend.
«Nein.«
«Doch. Er hätte uns umgebracht.«
«Gib mir den Schläger.«
«Was?«
«Gib mir den Schläger, dann geh.«
Ich bin verblüfft, wie ruhig sie in diesem Moment ist. Sie weiß genau, was zu tun ist.
«Was…«, versuche ich zu fragen, sehe erst sie und dann ihn
an.
Sie nimmt mir den Schläger aus der Hand.»Ich weiß, wie das läuft. Verschwinde. Versteck dich irgendwo. Du warst heute abend nicht hier. Ich rufe dich später an.«
Ich kann nichts tun als still dastehen und den zuckenden, sterbenden Mann auf dem Boden ansehen.
«Bitte, geh jetzt, Rudy«, sagt sie und schiebt mich sanft zur Tür.»Ich ruf dich später an.«
«Okay, okay. «Ich gehe in die Küche, hebe den heruntergefallenen.38er auf und kehre ins Wohnzimmer zurück. Wir sehen uns gegenseitig an, dann richten wir den Blick auf den Fußboden. Ich gehe hinaus, mache leise die Tür hinter mir zu und halte Ausschau nach neugierigen Nachbarn. Niemand zu sehen. Ich zögere einen Moment und höre nichts aus der Wohnung.
Mir ist schlecht. Ich schleiche davon in die Dunkelheit, plötzlich schweißnaß am ganzen Körper.
Es dauert zehn Minuten, bis der erste Streifenwagen eintrifft. Gleich darauf kommt ein zweiter. Dann eine Ambulanz. Ich sitze auf einem vollbesetzten Parkplatz geduckt in meinem Volvo und beobachte alles. Sanitäter rennen in die Wohnung. Noch ein Streifenwagen. Rotes und blaues Blinklicht erhellt den Abend und zieht eine Menschenmenge an. Minuten vergehen, und keine Spur von Cliff. Ein Sanitäter erscheint in der Haustür und läßt sich Zeit damit, etwas aus der Ambulanz zu holen. Er hat es kein bißchen eilig.