«Mit meinem Schlüssel.«
«Was haben Sie getan, als Sie drinnen waren?«
«Ich bin ins Schlafzimmer gegangen und habe angefangen, meine Sachen zusammenzupacken. Ich habe zwei oder drei Kopfkissenbezüge vollgestopft und einen Haufen Zeug ins Wohnzimmer getragen.«
«Wie lange waren Sie dort, bevor Mr. Riker nach Hause kam?«
«Vielleicht zehn Minuten.«
«Was ist dann passiert?«
An dieser Stelle unterbreche ich.»Diese Frage wird sie nicht beantworten, bevor ich Gelegenheit gehabt habe, mit ihr zu sprechen und diesen Punkt zu klären. Das Verhör ist jetzt beendet. «Ich strecke die Hand aus und drücke auf den roten Stoppknopf des Recorders. Smotherton beschäftigt sich eine Minute damit, seine Notizen durchzulesen. Hamlet kommt mit dem Computerausdruck zurück, und sie studieren ihn gemeinsam. Kelly und ich ignorieren uns gegenseitig, aber unter dem Tisch berühren sich unsere Füße.
Smotherton schreibt etwas auf ein Blatt Papier und gibt es mir.»Dies wird als Tötungsdelikt behandelt, aber es geht an die Abteilung Mißhandlungen im häuslichen Bereich bei der Staatsanwaltschaft. Die zuständige Dame heißt Morgan Wilson. Von jetzt an ist es ihr Fall.«
«Aber Sie behalten sie hier?«
«Mir bleibt nichts anderes übrig. Ich kann sie nicht einfach laufenlassen.«
«Wie lautet die Anklage?«
«Totschlag.«
«Sie können sie in meinen Gewahrsam entlassen.«
«Nein, das kann ich nicht«, erwidert er wütend.»Was für eine Art von Anwalt sind Sie?«
«Dann entlassen Sie sie gegen Kautionszusage.«
«Funktioniert nicht«, sagt er mit einem frustrierten Lächeln zu Hamlet.»Wir haben einen Toten. Die Kaution muß von einem Richter festgesetzt werden. Bringen Sie ihn dazu, daß er das tut, dann kann sie gehen. Ich bin nur ein bescheidener Detective.«
«Ich muß ins Gefängnis?«fragt Kelly.
«Wir haben keine andere Wahl, Madam«, sagt Smotherton, plötzlich viel netter.»Wenn Ihr Anwalt hier sein Geld wert ist, holt er Sie irgendwann morgen wieder raus. Das heißt, wenn Sie Kaution stellen können. Aber ich kann Sie nicht einfach gehen lassen, nur weil ich es möchte.«
Ich lange über den Tisch und ergreife ihre Hand.»Das ist richtig, Kelly. Ich hole dich morgen heraus, so früh wie möglich. «Sie nickt rasch und beißt die Zähne zusammen, versucht, stark zu sein.
«Können Sie sie in eine Einzelzelle bringen?«frage ich Smotherton.
«Für das Gefängnis bin ich nicht zuständig, Sie Klugscheißer. Wenn Sie so ein toller Hecht sind, dann reden Sie mit den Wärtern. Die freuen sich immer, wenn sie es mit einem Anwalt zu tun haben.«
Provozier mich nicht, Freundchen. Einen Schädel habe ich heute abend bereits eingeschlagen. Wir starren uns voller Haß an.»Danke«, sage ich.
«Nichts zu danken. «Er und Hamlet schieben ihre Stühle zurück und stapfen auf die Tür zu.»Sie haben fünf Minuten«, sagt er über die Schulter hinweg. Sie knallen die Tür ins Schloß.
«Rühr dich nicht von der Stelle«, sage ich fast lautlos.»Sie beobachten uns durch dieses Fenster dort. Und das Zimmer ist vermutlich verwanzt, also sei vorsichtig mit dem, was du sagst.«
Sie sagt gar nichts.
Ich spiele meine Anwaltsrolle weiter.»Tut mir sehr leid, daß das passiert ist«, sage ich steif.
«Was bedeutet Totschlag?«
«Das kann eine Menge bedeuten, aber im Grunde ist es Mord ohne Tötungsabsicht.«
«Wie viele Jahre könnte ich bekommen?«
«Zuerst einmal müßtest du verurteilt werden, und dazu kommt es nicht.«»Versprichst du mir das?«
«Ich verspreche es. Hast du Angst?«
Sie wischt sich sorgfältig die Augen ab und denkt lange nach.»Er hat eine große Familie, und sie sind alle genau wie er. Lauter gewalttätige Saufbolde. Ich habe fürchterliche Angst vor ihnen.«
Darauf fällt mir keine Erwiderung ein. Ich habe auch Angst vor ihnen.
«Sie können mich nicht zwingen, zu seiner Beerdigung zu gehen, oder?«
«Nein.«
«Gut.«
Ein paar Minuten später kommen sie, um sie abzuholen, und diesmal legen sie ihr Handschellen an. Ich sehe zu, wie sie sie den Korridor entlangführen. Sie bleiben vor einem Fahrstuhl stehen, und Kelly reckt den Kopf an einem der Polizisten vorbei, um mich zu sehen. Ich winke langsam, dann ist sie verschwunden.
Kapitel 52
Wenn man einen Mord begeht, macht man fünfundzwanzig Fehler. Wer zehn davon vermeiden kann, ist ein Genie. Das jedenfalls habe ich einmal in einem Film gehört. Es war im Grunde kein Mord, sondern eher ein Fall von Notwehr. Aber die Fehler beginnen sich zu summieren.
Ich wandere um den Schreibtisch in meinem Büro herum, der mit säuberlichen Reihen von gelben Blättern bedeckt ist. Ich habe Skizzen angefertigt von der Wohnung, dem Toten, den Kleidungsstücken, der Waffe, dem Baseballschläger, den Bierdosen, praktisch von allem, woran ich mich erinnern kann. Ich habe die Position meines Wagens, ihres Wagens und seines Pickups auf dem Parkplatz aufgezeichnet. Ich habe Seiten um Seiten geschrieben, jeden Schritt, jede Einzelheit des Geschehens schriftlich festgehalten. Ich vermute, daß ich weniger als fünfzehn Minuten in der Wohnung war, aber auf dem Papier sieht es aus wie ein ganzer Roman. Wie viele Brüller oder Aufschreie können draußen zu hören gewesen sein? Nicht mehr als vier, glaube ich. Wie viele Nachbarn sahen einen Fremden, der unmittelbar nach den Schreien die Wohnung verließ? Wer weiß.
Das, glaube ich, war Fehler Nummer eins. Ich hätte nicht so schnell verschwinden sollen. Ich hätte an die zehn Minuten warten müssen, um festzustellen, ob die Nachbarn etwas gehört haben. Erst dann hätte ich mich in die Dunkelheit davonschleichen sollen.
Vielleicht hätte ich auch die Polizei anrufen und die Wahrheit sagen sollen. Kelly und ich hatten jedes Recht, in der Wohnung zu sein. Es ist offensichtlich, daß er irgendwo in der Nähe auf der Lauer gelegen hat, während er ganz woanders sein sollte. Es war mein gutes Recht, mich zu wehren, ihn zu entwaffnen und mit seiner eigenen Waffe auf ihn einzuschlagen. Angesichts seines gewalttätigen Wesens und seiner Vorgeschichte hätte keine Jury auf der Welt mich verurteilt. Außerdem wäre die einzige Zeugin eindeutig auf meiner Seite gewesen.
Also, weshalb bin ich nicht geblieben? Sie hat mich regelrecht zur Tür hinausgedrängt, und es schien einfach die beste Lösung zu sein. Wer kann schon vernünftig denken, wenn er binnen fünfzehn Sekunden von einem brutal Attackierten zum Killer wird?
Fehler Nummer zwei war die Lüge über ihren Wagen. Nach dem Verlassen des Polizeireviers bin ich über den Parkplatz gefahren und habe ihren VW und seinen Allrad-Pickup gefunden. Mit dieser Lüge kommen wir nur durch, wenn niemand der Polizei erzählt, daß ihr Wagen seit Tagen nicht bewegt worden ist.
Aber was ist, wenn Cliff und einer seiner Freunde den Wagen unbrauchbar gemacht haben, während sie sich versteckt hielt, und wenn dieser Freund in ein paar Stunden auftaucht und mit der Polizei redet? Meine Phantasie geht mit mir durch.
Der schlimmste Fehler, der mir seit vier Stunden zu schaffen macht, ist die Lüge über den Anruf, den Kelly angeblich getätigt hat, nachdem sie 911 gewählt hatte. Das war meine Ausrede dafür, daß ich so schnell auf dem Revier eingetroffen bin. Es war eine unglaublich dämliche Lüge, weil es über diesen Anruf keine Aufzeichnung gibt. Wenn die Polizisten die Telefonanrufe überprüfen, stecke ich in ernsthaften Schwierigkeiten.
Je weiter die Nacht fortschreitet, desto mehr Fehler fallen mir ein. Glücklicherweise sind die meisten davon reine Angstprodukte und verschwinden nach sorgfältiger Analyse und hinreichendem Gekritzel auf den gelben Blättern.
Ich lasse Deck bis fünf Uhr schlafen, bevor ich ihn wecke. Eine Stunde später trifft er mit Kaffee im Büro ein. Ich liefere ihm meine Version der Geschichte, und seine erste Reaktion ist wundervoll.»Keine Jury in der Welt wird sie verurteilen«, sagt er ohne die Spur eines Zweifels.