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Heute abend bin ich für die Bar zuständig, und meine Hauptaufgabe besteht darin, dafür zu sorgen, daß sein Glas mit Rum und Tonic nie leer wird. Er brüllt, als Dave Justice einen tollen Home Run hinlegt. Dann kassiert er ein bißchen Geld von einem Studenten. Die Wette bestand darin, wer den ersten Home Run schaffen würde — Dave Justice oder Barry Bonds. Ich habe schon erlebt, daß er darum wettete, ob der Fänger den Ball des zweiten Schlägers im dritten Inning erwischen würde oder nicht.

Ich bin froh, daß ich heute abend nicht an den Tischen bedienen muß. Mein Kopf tut immer noch weh, und ich versuche, ihn sowenig wie möglich zu bewegen. Außerdem kann ich mir hin und wieder ein Bier aus dem Kühlschrank holen, das gute Zeug in den grünen Flaschen, Heineken und Moose-head. Prince erwartet von seinen Barkeepern, daß sie ein bißchen trinken.

Der Job wird mir fehlen. Oder doch nicht?

Eine Nische im vorderen Teil füllt sich mit Jurastudenten, vertrauten Gesichtern, denen ich lieber aus dem Weg ginge. Es sind Kommilitonen von mir, Studenten im dritten Jahr, vermutlich alle mit Jobs.

Es ist okay, ein Barkeeper und Kellner zu sein, solange man ein bescheidener Student ist. Die Arbeit bei Yogi's ist sogar mit einigem Prestige verbunden. Aber das Prestige wird sich in Luft auflösen, wenn ich in ungefähr einem Monat graduiere. Dann bin ich etwas viel Schlimmeres als ein Student, der sich mit Jobs durchschlägt. Dann bin ich ein auf der Strecke Gebliebener, Teil einer Statistik, noch ein Jurastudent, für den sich in der eigenen Zunft keine Verwendung finden lassen wollte.

Kapitel 7

Ich weiß beim besten Willen nicht mehr, warum ich mir die Kanzlei von Aubrey H. Long and Associates als erstes Opfer aussuchte, aber ich glaube, es hatte etwas mit ihrer netten, irgendwie würdevollen Anzeige im Branchenbuch zu tun. Die Anzeige enthielt ein grobkörniges Schwarzweißfoto von Mr. Long. Wenn es darum geht, die Gegend mit ihren Gesichtern zu bepflastern, sind Anwälte mittlerweile fast so schlimm wie Chiropraktiker. Er schien ein aufrichtiger Mann zu sein, ungefähr vierzig, nettes Lächeln, ganz im Gegensatz zu den meisten anderen Visagen in der Rubrik mit den Anwälten. Seine Kanzlei beschäftigt vier Anwälte, ist auf Verkehrsunfälle spezialisiert, sucht Gerechtigkeit auf allen Wegen, bearbeitet bevorzugt Fälle, bei denen es um Verletzungen und Versicherungen geht, kämpft für ihre Mandanten und kassiert nichts, bevor sie nicht etwas hereingeholt hat.

Zum Teufel, irgendwo muß ich anfangen. Ich finde die angegebene Adresse in einem kleinen, quadratischen, wirklich häßlichen Ziegelsteinbau in der Innenstadt, mit einem gebührenfreien Parkplatz ganz in der Nähe. Das gebührenfreie Parken war in der Anzeige erwähnt. Als ich die Tür aufstoße, läutet ein Glöckchen. Eine dickliche kleine Frau hinter einem übervollen Schreibtisch begrüßt mich mit einer Mischung aus Lächeln und Verärgerung. Ich bin schuld daran, daß sie ihr Tippen unterbrechen mußte.

«Kann ich Ihnen helfen?«fragt sie, wobei ihre dicken Finger nur Zentimeter über den Tasten schweben.

Verdammt, das ist hart. Ich zwinge mich zu einem Lächeln.»Ja, ich wollte fragen, ob ich vielleicht Mr. Long sprechen kann.«

«Er ist beim Bundesgericht«, sagt sie, und zwei Finger hauen auf die Tasten. Ein kleines Wort wird produziert. Nicht einfach irgendein Gericht, sondern das Bundesgericht! Bundesgerichte bedeuten Oberliga, und wenn ein kleiner Feld-Wald-und-Wiesen-Anwalt wie Aubrey Long einen Fall vor dem Bundesgericht hat, dann will er sicher sein, daß alle Welt es erfährt. Seiner Sekretärin fällt die Aufgabe zu, es auszuposaunen.»Kann ich Ihnen helfen?«wiederholt sie.

Ich habe mich entschlossen, es mit radikaler Ehrlichkeit zu versuchen. Finten und Kniffe können warten, aber nicht lange.»Ja, mein Name ist Rudy Baylor. Ich bin Jurastudent im dritten Jahr an der Memphis State, kurz vor der Graduierung, und ich wüßte gern, also, ich suche Arbeit.«

Jetzt ist ihr Lächeln regelrecht höhnisch. Sie hebt die Hände von der Tastatur, dreht ihren Stuhl in meine Richtung, dann beginnt sie, ganz leicht den Kopf zu schütteln.»Wir stellen niemanden ein«, sagt sie mit einer gewissen Befriedigung, als wäre sie der Vorarbeiter unten in der Raffinerie.

«Ich verstehe. Könnte ich Ihnen vielleicht meine Vorstellungsunterlagen hierlassen, zusammen mit einem Brief an Mr. Long?«

Sie nimmt die Papiere so widerstrebend entgegen, als wären sie mit Urin durchtränkt, und läßt sie auf ihren Schreibtisch fallen.»Ich lege sie zu den anderen.«

Ich bringe es tatsächlich fertig, ein leises Auflachen und ein Grinsen zu produzieren.

«Ziemlich viele von uns auf Achse, wie?«

«Ungefähr einer pro Tag, würde ich sagen.«

«Nun ja. Tut mir leid, daß ich Sie gestört habe.«

«Macht nichts«, grunzt sie, sich wieder ihrer Schreibmaschine zuwendend. Als ich mich umdrehe, um das Gebäude zu verlassen, hämmert sie bereits wieder auf die Tasten ein.

Ich habe massenhaft Briefe und massenhaft Vorstellungsmappen. Ich habe das ganze Wochenende damit zugebracht, meinen Papierkram zu organisieren und meinen Feldzug zu planen. Im Augenblick bin ich reich an Strategie und arm an Optimismus. Ich habe vor, das ungefähr einen Monat lang zu tun, täglich zwei oder drei kleine Kanzleien aufzusuchen, an fünf Tagen in der Woche, bis ich graduiere, und dann, wer weiß? Booker hat Marvin Shankle gebeten, die Hallen der Gerechtigkeit auf der Suche nach einem Job zu durchforsten, und Madeline Skinner hängt vermutlich gerade jetzt am Telefon und verlangt von irgend jemandem, daß er mich einstellt.

Vielleicht kommt etwas dabei heraus.

Mein zweiter Besuch gilt einer Drei-Mann-Kanzlei zwei Blocks von der ersten entfernt. Das habe ich so geplant, damit ich schnell von einer Ablehnung zur nächsten komme, ohne viel Zeit zu vergeuden.

Dem Anwaltsverzeichnis zufolge ist Nunley Ross & Perry eine Kanzlei, die sich mit jeder Art von Rechtsfällen befaßt, drei Männer Anfang Vierzig, ohne angestellte Anwälte und Anwaltsgehilfen. Offenbar beschäftigen sie sich vorwiegend mit Grundbuchsachen, einem Gebiet, das ich nicht ausstehen kann, aber jetzt ist nicht die Zeit, heikel zu sein. Ihr Büro liegt im dritten Stock eines modernen Betonbaus. Der Fahrstuhl ist überhitzt und langsam.

Der Empfang ist überraschend nett eingerichtet, mit einem Orientteppich auf imitierten Hartholzdielen. Auf einem Glastisch liegen verschiedene Ausgaben von People und Us verstreut. Die Sekretärin legt den Telefonhörer auf und lächelt.»Guten Morgen. Kann ich Ihnen helfen?«

«Ja. Ich würde gern Mr. Nunley sprechen.«

Immer noch lächelnd, wirft sie einen Blick auf einen dicken Terminkalender in der Mitte ihres aufgeräumten Schreibtisches.»Haben Sie einen Termin?«fragt sie, wohl wissend, daß ich keinen habe.

«Nein.«

«Mr. Nunley ist im Augenblick sehr beschäftigt.«

Seit ich vorigen Sommer in einer Kanzlei gearbeitet habe, weiß ich, daß ich damit rechnen mußte, daß Mr. Nunley sehr beschäftigt sein würde. Das ist die absolute Standardbehauptung. Kein Anwalt auf der Welt wird jemals zugeben oder seine Sekretärin zugeben lassen, daß er nicht mit Arbeit überlastet ist.

Könnte schlimmer sein. Er könnte heute morgen beim Bundesgericht zu tun haben.

Roderick Nunley ist der Seniorpartner dieses Betriebs, dem Anwaltsverzeichnis zufolge hat er seinen Abschluß an der Memphis State gemacht. Ich habe versucht, möglichst viele Koabsolventen in meinen Feldzug einzubeziehen.

«Ich warte gern«, sage ich mit einem Lächeln. Sie lächelt zurück. Wir lächeln beide. Eine auf einen kurzen Korridor führende Tür geht auf, und ein Mann ohne Jackett und mit aufgekrempelten Hemdsärmeln kommt auf uns zu. Er blickt auf, sieht mich, und plötzlich stehen wir uns dicht gegenüber. Er gibt der lächelnden Sekretärin eine Akte.