Выбрать главу

In einer mit Kletterpflanzen und Sträuchern völlig zugewucherten Ecke, neben einem baufälligen Schuppen, steht ein alter Ford Fairlane. Er ist weiß und hat zwei Türen, die beide offenstehen. Auf der Motorhaube schläft eine Katze.

«Er sitzt in seinem Wagen«, erklärt sie.

Der Wagen ist von Unkraut umgeben und scheint keine Reifen mehr zu haben. Nichts in seiner Umgebung sieht so aus, als wäre es in den letzten Jahrzehnten angerührt worden.

«Wo will er hin?«frage ich, und sie lächelt wahrhaftig.

Sie schlürft laut ihre Cola.»Buddy? Der geht nirgendwohin. Wir haben den Wagen 1964 neu gekauft. Er sitzt jeden Tag da drin, von morgens bis abends, nur Buddy und die Katzen.«

Darin liegt eine gewisse Logik. Buddy da draußen, allein, ohne Zigarettenqualm, ohne Sorgen über Donny Ray.»Warum?«frage ich. Es ist offensichtlich, daß es ihr nichts ausmacht, darüber zu reden.

«Buddy ist nicht ganz richtig im Kopf. Das habe ich Ihnen doch vorige Woche erzählt.«

Wie hätte ich das vergessen können?

«Wie geht's Donny Ray?«frage ich.

Sie zuckt die Achseln und läßt sich mir gegenüber an dem wackligen Küchentisch nieder.»Gute Tage und schlechte. Wollen Sie ihn kennenlernen?«

«Vielleicht später.«

«Er liegt die meiste Zeit im Bett. Aber er kann ein bißchen herumlaufen. Vielleicht bringe ich ihn dazu, daß er aufsteht, bevor Sie wieder gehen.«

«Ja. Vielleicht. Hören Sie, ich habe mich inzwischen eingehend mit Ihrem Fall befaßt. Ich meine, ich habe viele Stunden damit zugebracht, all Ihre Papiere genau durchzusehen. Und ich habe tagelang in der Bibliothek gesessen und mich mit der einschlägigen Literatur beschäftigt, also, rundheraus gesagt, ich meine, daß Sie Great Benefit verklagen sollten.«

«Ich dachte, das hätten wir bereits beschlossen«, sagt sie mit hartem Blick. Dot hat ein unversöhnliches Gesicht, zweifellos das Ergebnis eines mühsamen Lebens mit diesem Schwachkopf da draußen in dem Fairlane.

«Das mag sein, aber ich mußte der Sache erst auf den Grund gehen. Mein Rat lautet, daß Sie klagen sollten, und zwar sofort.«

«Worauf warten Sie dann noch?«

«Aber rechnen Sie nicht mit einer schnellen Entscheidung. Sie haben es mit einer großen Gesellschaft zu tun, die über einen Haufen Anwälte verfügt, die immer wieder querschießen und die Sache verzögern können. Dafür werden sie bezahlt.«

«Wie lange wird es dauern?«

«Monate, vielleicht Jahre. Kann sein, daß wir die Klage einreichen und dann ziemlich rasch zu einem Vergleich kommen. Kann aber auch sein, daß sie es zu einem Prozeß kommen lassen und durch alle Instanzen gehen. Das läßt sich unmöglich vorhersagen.«

«In ein paar Monaten ist er tot.«

«Darf ich Sie etwas fragen?«

Sie pustet den Rauch aus und nickt dazu. Für sie offenbar ein durchaus harmonischer Vorgang.

«Great Benefit hat Ihren Anspruch erstmals im August vorigen Jahres abgelehnt, kurz nachdem Donny Rays Krankheit festgestellt worden war. Weshalb haben Sie bis jetzt gewartet, bevor Sie mit einem Anwalt gesprochen haben?«Ich benutze das Wort» Anwalt «sehr freizügig.

«Darauf bin ich nicht stolz, okay? Ich dachte, die Versicherung würde es sich anders überlegen und zahlen, Sie wissen schon, die Arztrechnungen und die Behandlung. Ich habe weiter an sie geschrieben, und sie hat weiter an mich geschrieben. Ich weiß es nicht. Pure Dämlichkeit, nehme ich an. Wir haben die Prämien über all die Jahre hinweg regelmäßig bezahlt, sind nie mit einer in Verzug geraten. Ich habe einfach gedacht, sie würden sich an die Police halten. Außerdem habe ich noch nie mit einem Anwalt zu tun gehabt. Keine Scheidung oder irgend so etwas. Ich hätte es weiß Gott tun sollen. «Sie dreht sich um und schaut durch das Fenster, starrt gedankenverloren auf den Fairlane und all die Sorgen darin.»Er trinkt morgens einen halben Liter Gin und nachmittags noch einen halben Liter. Mir ist es im Grunde egal. Es macht ihn glücklich, es hält ihn aus dem Haus, und es ist ja nicht so, als ob das Trinken ihn daran hindern würde, irgendwas Vernünftiges zu tun, Sie wissen schon, was ich meine.«

Wir betrachten beide die auf dem Vordersitz zusammengesackte Gestalt. Die hohen Sträucher und ein Ahornbaum beschatten den Wagen.»Kaufen Sie ihm den Gin?«

«O nein. Er bezahlt einen Jungen von nebenan dafür, daß er ihn kauft und sich damit zu ihm hinausschleicht. Er glaubt, ich wüßte es nicht.«

Im Hintergrund des Hauses bewegt sich etwas. Es gibt keine Klimaanlage, die irgendwelche Geräusche dämpfen würde. Jemand hustet. Ich fange an zu reden.»Hören Sie, Dot, ich würde gern diesen Fall für Sie übernehmen. Ich weiß, ich bin nur ein Anfänger, ein junger Mann, der gerade erst mit dem Studium fertig ist, aber ich habe bereits viele Stunden damit verbracht, und ich kenne ihn in- und auswendig.«

Auf ihrem Gesicht liegt ein leerer, fast hoffnungsloser Ausdruck. Ein Anwalt ist so gut wie der andere. Sie vertraut mir genausoviel, wie sie jedem x-beliebigen vertrauen würde, und das besagt nicht viel. Wie merkwürdig. Trotz all des Geldes, das Anwälte für gnadenlose Werbung ausgeben — blöde Spots im Fernsehen, reißerische Plakate und Billigangebote in den Zeitungen —, gibt es immer noch Leute wie Dot Black, die einen erfahrenen Prozeß anwalt nicht von einem Jurastudenten im dritten Jahr unterscheiden können.

Ich baue auf ihre Naivität.»Ich muß mich vermutlich mit einem anderen Anwalt zusammentun, jemandem, der seinen Namen unter alles setzt, bis ich das Anwaltsexamen bestanden und meine Zulassung erhalten habe.«

Es scheint nicht bei ihr anzukommen.

«Wieviel wird es kosten?«fragt sie mit keiner geringen Portion Argwohn in der Stimme.

Ich bedenke sie mit einem herzlichen Lächeln.»Keinen Pfennig. Ich übernehme den Fall gegen Erfolgshonorar. Ich bekomme ein Drittel von dem, was wir herausholen. Kein Erfolg, kein Honorar. Keine Anzahlung. «Bestimmt hat sie diese Masche irgendwo inseriert gesehen, aber sie scheint ahnungslos.

«Wieviel?«

«Wir verklagen sie auf Millionen«, sage ich dramatisch, und sie hängt am Haken. Ich glaube nicht, daß im Körper dieser gebrochenen Frau auch nur ein habgieriger Knochen steckt. Alle Träume von einem guten Leben, die sie vielleicht einmal gehabt hat, sind schon so lange vergangen, daß sie sich nicht mehr an sie erinnern kann. Aber ihr gefällt der Gedanke, es Great Benefit heimzuzahlen und sie leiden zu lassen.

«Und Sie bekommen ein Drittel davon?«

«Ich rechne nicht damit, daß wir Millionen herausholen, aber ganz gleich, was wir bekommen, ich erhalte nur ein Drittel. Und das heißt: ein Drittel, nachdem Donny Rays sämtliche Arztrechnungen bezahlt sind. Sie haben nichts zu verlieren.«

Sie schlägt mit der linken Hand auf den Tisch.»Dann tun Sie es. Mir ist es gleich, wieviel Sie bekommen, aber tun Sie es. Tun Sie es gleich, okay? Morgen.«

In meiner Tasche steckt säuberlich zusammengefaltet ein

Vertrag über juristische Dienste, den ich in einem Handbuch in der Bibliothek gefunden habe. Ich sollte ihn an diesem Punkt herausziehen und von ihr unterschreiben lassen, aber ich bringe es nicht fertig. Unter ethischen Gesichtspunkten darf ich keine Abmachungen zur Vertretung von Leuten treffen, bevor ich nicht als Anwalt zugelassen worden bin und eine entsprechende Lizenz habe. Ich glaube, Dot wird zu ihrem Wort stehen.

Ich schaue auf die Uhr, genau wie ein richtiger Anwalt.»Lassen Sie mich an die Arbeit gehen«, sage ich.

«Wollen Sie nicht vorher Donny Ray sehen?«

«Vielleicht beim nächsten Mal.«

«Ich kann es Ihnen nicht übelnehmen. Nur noch Haut und Knochen.«

«Ich komme in ein paar Tagen wieder, wenn ich länger bleiben kann. Es gibt eine Menge, worüber wir sprechen müssen, und ich muß auch ihm ein paar Fragen stellen.«

«Aber beeilen Sie sich, okay?«

Wir plaudern noch ein paar Minuten, reden über Cypress Gardens und all die Festivitäten dort. Sie und Buddy gehen einmal die Woche hin, sofern sie ihn bis Mittag nüchtern halten kann. Es ist das einzige Mal, daß sie das Haus gemeinsam verlassen.