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Sie möchte reden, und ich möchte verschwinden. Sie folgt mir nach draußen, betrachtet meinen schmutzigen und verbeulten Toyota, macht ein paar abfällige Bemerkungen über importierte Waren, ganz besonders solche aus Japan, und bellt die Dobermänner an.

Als ich davonfahre, steht sie am Briefkasten, raucht und sieht zu, wie ich verschwinde.

Für jemand, der gerade einen Offenbarungseid geleistet hat, kann ich immer noch Geld zum Fenster hinauswerfen. Ich zahle acht Dollar für eine Topfgeranie und bringe sie Miss Birdie. Sie liebt Blumen, sagt sie, und sie ist natürlich einsam, und ich finde, es ist eine nette Geste. Ein kleines bißchen Sonnenschein im Leben einer alten Frau. Mein Timing ist gut. Ich finde sie auf allen Vieren im Blumenbeet neben dem Haus, dicht bei der Auffahrt, die zu einer separaten Garage im Hintergarten führt. Der Beton ist dicht an dicht gesäumt mit Blumen, Ziersträuchern, Kletterpflanzen und dekorativen Bäumchen. Auf dem Rasen hinter dem Haus stehen große Bäume, die so alt sind wie sie. Außerdem gibt es eine gepflasterte Terrasse mit Kästen voller bunter Blütenpflanzen.

Sie schließt mich tatsächlich in die Arme, als ich mein kleines Geschenk überreiche. Sie zieht ihre Gartenhandschuhe aus, läßt sie zwischen die Blumen fallen und führt mich hinters Haus. Sie hat genau den richtigen Platz für die Geranie. Sie wird sie gleich morgen einpflanzen. Ob ich Kaffee möchte?

«Nur Wasser«, sage ich. Der Geschmack ihrer dünnen Instantbrühe liegt mir noch auf der Zunge. Sie nötigt mich auf einen schmiedeeisernen Stuhl auf der Terrasse, während sie sich Schmutz und Erde an der Schürze abwischt.

«Eiswasser?«fragt sie, offensichtlich hingerissen von der Aussicht, mir etwas zu Trinken anbieten zu können.

«Gern«, sage ich, und sie flattert durch die Tür in die Küche. Der Hintergarten hat bei all seinem Gewucher eine merkwürdige Symmetrie. Er zieht sich über mindestens fünfzig Meter hin, bevor er an einer dichten Hecke endet. Durch die Bäume hindurch kann ich dahinter ein Dach sehen. Dazwischen gibt es kleine Nischen mit organisiertem Wachstum, kleine Beete mit verschiedenen Blumen, auf deren Pflege sie oder sonstjemand offensichtlich viel Zeit verwendet. In der Nähe des Zauns steht ein Springbrunnen auf einer gemauerten Plattform, aber es zirkuliert kein Wasser. Zwischen zwei Bäumen spannt sich eine alte Segeltuchhängematte mit zerfaserten Tauen, die leicht im Wind schaukelt. Der Rasen ist unkrautfrei, muß aber gemäht werden.

Die Garage erregt meine Aufmerksamkeit. Sie hat zwei geschlossene Kipptore. An einer Seite befindet sich ein Abstellraum mit verhängten Fenstern. Darüber scheint eine kleine Wohnung zu liegen, mit einer Holztreppe, die sich um die Ecke windet und anscheinend an der Rückseite hinaufführt. Es gibt zwei große Fenster, bei einem davon ist die Scheibe zerbrochen. Efeu hat die Außenmauern überwuchert und scheint sich seinen Weg durch die gesprungene Scheibe zu suchen.

Das Gebäude wirkt irgendwie malerisch.

Miss Birdie kommt mit zwei Gläsern Eiswasser durch die zweifügelige Terrassentür.»Was halten Sie von meinem Garten?«fragt sie, nachdem sie sich neben mir niedergelassen hat.

«Er ist wundervoll, Miss Birdie. So friedlich.«

«Das ist mein Leben«, sagt sie, schwenkt mit einer großen Geste die Hände und läßt ihr Wasser auf meine Füße schwappen, ohne es zu bemerken.»Hier verbringe ich meine Zeit. Ich liebe ihn.«

«Er ist sehr hübsch. Machen Sie die ganze Arbeit alleine?«

«Das meiste davon. Einmal die Woche kommt ein Junge und mäht den Rasen. Dreißig Dollar, können Sie sich das vorstellen? Früher hat es nur fünf gekostet. «Sie schlürft Wasser und schmatzt mit den Lippen.

«Ist das eine kleine Wohnung da oben?«frage ich und deute auf die Garage.

«Früher einmal. Einer meiner Enkel hat eine Zeitlang hier gewohnt. Ich habe sie hergerichtet, ein Badezimmer und eine kleine Küche einbauen lassen, es war wirklich hübsch da oben. Er hat an der Memphis State studiert.«

«Wie lange hat er hier gewohnt?«

«Nicht lange. Ich möchte nicht über ihn sprechen.«

Er muß einer von denen sein, die aus ihrem Testament gestrichen werden sollen.

Wenn man einen Großteil seiner Zeit damit verbringt, in Anwaltskanzleien vorzusprechen, um Arbeit zu betteln und sich von mißgelaunten Sekretärinnen an die Luft setzen zu lassen, dann verliert man seine Hemmungen. Man legt sich ein dickes Fell zu. Ablehnung läßt sich leicht verkraften, weil man sehr schnell lernt, daß das Schlimmste, was einem passieren kann, darin besteht, daß man das Wort» Nein «zu hören bekommt.

«Sie haben wohl nicht die Absicht, sie jetzt wieder zu vermieten?«wage ich mich vor, fast ohne Zaudern und praktisch ohne jede Angst, abgewiesen zu werden.

Ihr Glas kommt mitten in der Luft zum Stillstand, und sie starrt die Wohnung an, als hätte sie sie gerade erst entdeckt.»An wen?«fragt sie.

«Ich würde zu gern da wohnen. Es ist sehr hübsch hier und vermutlich sehr still.«

«Totenstill.«

«Es wäre nur für kurze Zeit. Sie wissen schon, bis ich anfange zu arbeiten und auf eigenen Füßen stehe.«

«Sie, Rudy?«fragt sie ungläubig.

«Es gefällt mir«, sage ich mit einem nicht ganz echten Lächeln.»Es ist ideal für mich. Ich bin ledig, führe ein sehr ruhiges Leben, und ich kann es mir nicht leisten, viel Miete zu zahlen. Es wäre perfekt.«

«Wieviel könnten Sie zahlen?«fragt sie schnell, plötzlich fast wie ein Anwalt, der einen zahlungsunfähigen Mandanten verhört.

Das kommt unerwartet.»Oh, ich weiß nicht recht. Sie sind die Vermieterin. Wie hoch ist die Miete?«

Sie dreht den Kopf hin und her und sieht hilfesuchend von einem Baum zum anderen.»Wie wäre es mit vierhundert, nein, dreihundert Dollar im Monat?«

Es ist offensichtlich, daß Miss Birdie noch nie etwas vermietet hat. Sie greift einfach Zahlen aus der Luft. Nur gut, daß sie nicht mit achthundert im Monat angefangen hat.»Ich finde, wir sollten uns die Wohnung erst einmal ansehen«, sage ich vorsichtig.

Sie ist schon auf den Beinen.»Sie ist ziemlich vollgestopft. Habe sie in den letzten zehn Jahren als Abstellraum benutzt. Aber das können wir aufräumen, und die Wasserleitungen sind in Ordnung, soweit ich weiß. «Sie greift nach meiner Hand und führt mich über den Rasen.»Der Klempner muß kommen und das Wasser wieder anstellen. Ob die Heizung und die Klimaanlage noch funktionieren, kann ich allerdings nicht sagen. Es stehen ein paar Möbel drin, aber nicht viele, altes Zeug, das ich ausrangiert habe.«

Sie beginnt, die knarrende Treppe hinaufzusteigen.»Brauchen Sie Möbel?«

«Nicht viele. «Das Geländer ist wacklig, und das ganze Gebäude scheint zu schwanken.

Kapitel 9

Man macht sich Feinde beim Jurastudium. Die Konkurrenz kann bösartige Formen annehmen. Die Leute lernen, zu betrügen und anderen in den Rücken zu fallen; es ist ein Training für die reale Welt. In meinem ersten Jahr hier gab es eine Schlägerei, als zwei Studenten im dritten Jahr bei einem Scheinprozeß-Wettbewerb anfingen, sich gegenseitig anzuschreien. Sie wurden relegiert und dann wieder zugelassen. Die Universität ist auf die Studiengebühren angewiesen.

Es gibt hier einige Leute, die ich nicht ausstehen kann, und ein oder zwei, die ich verabscheue. Ich versuche, wenigstens niemanden zu hassen.

Aber im Augenblick hasse ich den kleinen Klugscheißer, der mir das angetan hat. In dieser Stadt gibt es eine Zeitung, die über alle möglichen juristischen und finanziellen Transaktionen berichtet. Sie heißt The Daily Report und enthält neben dem Scheidungsregister und einem Dutzend anderer wichtiger Rubriken auch eine Liste der Konkursanmeldungen des Vortages. Mein Freund oder meine Freunde haben es offenbar für einen besonders netten Zug gehalten, den Abschnitt mit meinem Namen in der gestrigen Ausgabe zu vergrößern und diesen kleinen Leckerbissen über die ganze Fakultät zu verbreiten. Er lautet:»Baylor, Rudy L., Student; Aktiva: 1125 Dollar (unpfändbar); gesicherte Schulden: 285 Dollar bei der Wheels and Deals Finance Company; ungesicherte Schulden: 5136,88 Dollar; anhängige Verfahren: (1) Zwangseintreibung durch Texaco, (2) Zwangsräumung aus The Hampton. Arbeitgeber: Keiner; Anwalt: Pro se.«