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Pro se bedeutet, daß ich mir keinen Anwalt leisten kann und meine Interessen selbst wahrnehme. Der Student, der in der Eingangshalle der Bibliothek die Aufsicht hat, gab mir ein Exemplar, als ich heute morgen das Gebäude betrat, und sagte, er hätte sie überall herumliegen sehen; sogar an den Schwarzen Brettern wären sie angeschlagen. Er meinte:»Möchte wissen, wer das komisch findet?«

Ich dankte ihm und rannte in meinen Kellerwinkel, um mich mal wieder zwischen meine Bücherstapel zu vergraben und jedem vertrauten Gesicht möglichst aus dem Weg zu gehen. Wenn die Vorlesungen demnächst abgeschlossen sind, haue ich hier ab, bloß weg von diesen Leuten, die ich allesamt nicht ausstehen kann.

An diesem Morgen habe ich einen Termin bei Professor Smoot; ich komme zehn Minuten zu spät. Es stört ihn nicht. In seinem Büro herrscht das obligatorische Chaos eines Gelehrten, der vor lauter Intelligenz keine Ordnung halten kann. Seine Fliege sitzt schief, sein Lächeln ist echt.

Wir reden zuerst über die Blacks und ihre Streitsache gegen Great Benefit. Ich gebe ihm eine dreiseitige Zusammenfassung des Falles, dazu meine gesammelten scharfsinnigen Schlußfolgerungen und Verfahrensvorschläge. Er geht die Seiten sorgfältig durch, und ich betrachte währenddessen die Papierknäuel unter seinem Schreibtisch. Er ist sehr beeindruckt und sagt das immer und immer wieder. Mein Rat für die Blacks lautet, daß sie sich einen Prozeßanwalt suchen und Great Benefit wegen Verstoßes wider Treu und Glauben verklagen sollen. Smoot stimmt mir uneingeschränkt zu.

Wenn der wüßte. Ich will von Smoot nur den Seminarschein, sonst gar nichts. Anschließend reden wir über Miss Birdie. Ich berichte ihm, daß sie recht wohlhabend ist und ihr Testament ändern möchte. Die Details behalte ich für mich. Ich lege ihm ein fünfseitiges Dokument vor, die revidierte Form des Testaments und Letzten Willens von Miss Birdie. Er überfliegt es schnell und meint, es sähe gut aus, ohne es überhaupt richtig gesehen zu haben. Bei seinem Seminar über die juristischen Probleme älterer Leute gibt es keine Abschlußprüfung, und es brauchen auch keine schriftlichen Arbeiten vorgelegt zu werden. Du brauchst nur regelmäßig zu erscheinen, den Gruftis deinen Besuch abzustatten und hinterher eine nette Kurzzusammenfassung zu jedem Fall abzuliefern, und schon gibt Smoot dir ein A.

Smoot kennt Miss Birdie seit etlichen Jahren. Offensichtlich ist sie schon seit geraumer Zeit die Königin von Cypress Gardens, und er hat sie bei Besuchen mit seinen Studenten jährlich zweimal gesehen. Bisher hat sie noch nie Gebrauch von der kostenlosen juristischen Beratung gemacht, sagt er nachdenklich und zupft an seiner Fliege. Es überrasche ihn sehr, nun zu erfahren, daß sie reich sei.

Wie überrascht er erst wäre, wenn ihm zu Ohren käme, daß sie demnächst meine Hauswirtin sein wird.

Von Smoots Büro aus brauche ich nur um die Ecke zu gehen, um in das von Max Leuberg zu kommen. Er hat in der Bibliothek eine Nachricht für mich hinterlassen, daß er mich sprechen müsse. Max geht von hier weg, wenn das Semester zu Ende ist. Er war für zwei Jahre von Wisconsin beurlaubt, und jetzt ist die Zeit abgelaufen. Wahrscheinlich werde ich Max ein wenig vermissen, wenn wir beide nicht mehr hier sind, aber im Augenblick fällt es mir schwer, wehmütige Gefühle für irgend etwas oder irgend jemanden in dieser Fakultät aufzubringen.

In Max' Büro stapeln sich die Umzugskartons, die den Aufdrucken zufolge sämtlich früher mal zum Transport von Hochprozentigem gedient haben. Er ist beim Packen, und ich habe noch nie ein derartiges Chaos gesehen. Wir schwelgen ein paar peinliche Minuten lang in Erinnerungen, ein verzweifelter Versuch, der Fakultät etwas Erfreuliches abzugewinnen. Ich habe ihn noch nie so niedergeschlagen erlebt. Es sieht fast so aus, als fiele es ihm wirklich schwer, von hier fortzugehen. Er deutet auf einen Stapel Papiere in einem Wild-Turkey-Kar-ton.»Das ist für Sie. Alles neueres Material, das ich in Leistungsverweigerungsfällen verwendet habe. Könnte nützlich für Sie sein.«

Ich bin noch nicht einmal ganz fertig mit dem letzten Pak-ken Recherchenmaterial, den er mir in die Hand gedrückt hat.»Danke, Max«, sage ich und betrachte den roten Truthahn auf dem Karton.

«Haben Sie die Klage schon eingereicht?«fragt er.

«Äh, nein. Noch nicht.«

«Das müssen Sie aber. Suchen Sie sich einen Anwalt, der sich mit Prozessen einen guten Namen gemacht hat. Jemanden mit Erfahrung in solchen Fällen. Ich habe eingehend über diesen Fall nachgedacht, und er geht einem an die Nieren. Viel Stoff für die Geschworenen. Ich sehe die aufgebrachte Jury förmlich vor mir, wie sie eine hohe Bestrafung der Versicherung fordern. Jemand muß sich dieses Falls annehmen und die Sache durchziehen.«

Ich ziehe ja schon, wie besessen.

Er springt von seinem Stuhl auf und reckt die Arme.»Bei was für einer Kanzlei werden Sie arbeiten?«fragt er, jetzt auf den Zehenspitzen und mit einer Art Yogadehnung seiner Waden beschäftigt.»Weil das hier nämlich ein großartiger Fall für Sie ist. Ich denke nur nach, wissen Sie. Vielleicht sollten Sie ihn in Ihre Firma einbringen, jemanden dort unterschreiben lassen und dann die Knochenarbeit selbst erledigen. Bestimmt gibt es dort jemanden mit Prozeßerfahrung. Sie können mich anrufen, wenn Sie wollen. Ich bin den ganzen Sommer über in Detroit und arbeite an einem Mega-Fall gegen Allstate, aber die Sache interessiert mich, okay? Ich glaube, das könnte eine ganz große Sache werden, eine Grundsatzentscheidung. Ich würde zu gern erleben, wie Sie diese Kerle in die Pfanne hauen.«

«Was hat Allstate denn angestellt?«frage ich, um vom Thema Firma abzulenken.

Sein Gesicht verzieht sich zu einem breiten Grinsen, und er verschränkt die Hände über dem Kopf. Er kann es einfach nicht fassen.»Unglaublich«, sagt er, dann stürzt er sich in einen weitschweifigen Bericht über ein wahres Prachtexemplar von einem Rechtsstreit. Ich wünschte, ich hätte nicht gefragt.

Meine begrenzten Erfahrungen im Umgang mit Anwälten haben mich gelehrt, daß sie alle an derselben Krankheit leiden. Eine ihrer widerwärtigsten Angewohnheiten ist das Erzählen von Kriegsgeschichten. Wenn sie einen großen Prozeß hinter sich haben, wollen sie, daß man das auch erfährt. Wenn sie mit einem großen Fall beschäftigt sind, der sie zweifellos reich machen wird, müssen sie die gute Nachricht unbedingt mit Gleichgesinnten teilen. Max ist so erfüllt von Visionen, wie er Allstate in den Konkurs treiben wird, daß er nachts nicht schlafen kann.

«Auf jeden Fall«, sagt er, in die Realität zurückkehrend,»kann ich Ihnen bei dieser Sache behilflich sein. Ich komme im Herbst nicht zurück, aber Sie finden meine Adresse und meine Telefonnummer in dem Karton. Rufen Sie an, wenn Sie mich brauchen.«

Ich hebe den Wild-Turkey-Karton auf. Er ist schwer, und der Boden sackt durch.»Danke«, sage ich.»Das ist wirklich nett von Ihnen.«

«Ich möchte helfen, Rudy. Glauben Sie mir, es gibt nichts Aufregenderes, als eine Versicherungsgesellschaft fertigzumachen.«

«Ich werde mein Bestes tun. Danke.«

Das Telefon klingelt, und er stürzt sich darauf. Meinen schweren Karton unter dem Arm, verlasse ich sein Büro.

Miss Birdie und ich schließen einen seltsamen Handel ab. Sie ist nicht sonderlich gut im Verhandeln und natürlich auf das Geld nicht angewiesen. Ich bringe sie auf hundertfünfzig Dollar herunter, Nebenkosten eingeschlossen. Außerdem stellt sie mir genügend Möbel zur Verfügung, um die vier Räume einzurichten.