Als eine Art zusätzliche Mietzahlung erkläre ich mich bereit, ihr auf dem Grundstück zu helfen, vor allem bei der Gartenarbeit. Ich werde den Rasen mähen; auf diese Weise spart sie wöchentlich dreißig Dollar. Ich werde die Hecken beschneiden, Laub zusammenharken, das übliche. Es gab auch vage Andeutungen über Unkrautjäten, aber die habe ich nicht ernst genommen.
Für mich ist es ein guter Handel, und ich bin stolz auf meine Geschäftstüchtigkeit. Die Wohnung ist mindestens dreihundertfünfzig im Monat wert, also habe ich zweihundert Dollar Bargeld gespart. Ich stelle mir vor, daß ich ungefähr fünf Stunden pro Woche für sie arbeiten werde; das macht zwanzig Stunden im Monat. Nicht schlecht unter den gegebenen Umständen. Nachdem sich mein Leben drei Jahre lang vorwiegend in Bibliotheken abgespielt hat, brauche ich frische Luft und körperliche Betätigung. Niemand wird erfahren, daß ich jetzt ein Hilfsgärtner bin, und außerdem bleibe ich auf diese
Weise ständig in der Nähe von Miss Birdie, meiner Mandantin.
Es ist eine mündliche Vereinbarung, von Monat zu Monat; wenn es nicht funktioniert, kann ich jederzeit wieder ausziehen.
Vor nicht allzu langer Zeit habe ich mir ein paar hübsche Wohnungen angesehen, angemessen für einen aufstrebenden Anwalt. Sie verlangten siebenhundert im Monat für zwei Zimmer, knapp neunzig Quadratmeter. Und ich war durchaus willens, das zu bezahlen. Es hat sich viel geändert.
Jetzt ziehe ich in ein spartanisches Etablissement, von Miss Birdie eingerichtet und dann zehn Jahre vernachlässigt. Es hat ein bescheidenes Wohnzimmer mit orangefarbenem, grob genopptem Teppichboden und blaßgrünen Wänden. Außerdem ein Schlafzimmer, eine schmale, mit dem Nötigsten ausgestattete Küche und eine separate Eßecke. Sämtliche Wände sind abgeschrägt, und zwar in jedem Zimmer, was meinem kleinen Dachboden eine etwas beengende Atmosphäre verleiht.
Für mich ist er perfekt. Solange Miss Birdie Abstand hält, ist alles in bester Ordnung. Ich mußte ihr versprechen, daß es weder wilde Parties geben würde noch laute Musik, leichte Mädchen, Schnaps, Drogen, Hunde oder Katzen. Sie hat eigenhändig die Wohnung saubergemacht, die Fußböden und Wände gefegt und soviel Gerumpel herausgeholt, wie sie konnte. Sie wich mir buchstäblich nicht von der Seite, als ich meine bescheidene Habe die Treppe hinaufschleppte. Ich bin sicher, daß ich ihr leid getan habe.
Zum Auspacken bekam ich gar nicht erst eine Chance. Kaum daß ich den letzten Karton nach oben befördert hatte, bestand sie darauf, auf der Terrasse eine Tasse Kaffee mit mir zu trinken.
Wir saßen ungefähr zehn Minuten auf der Terrasse, gerade lange genug, daß ich nicht mehr allzusehr schwitzte, da erklärte sie auch schon, jetzt sei es aber Zeit, daß wir uns an die Blumenbeete machten. Ich jätete Unkraut, bis ich einen Krampf im Rücken hatte. Ein paar Minuten lang machte sie selber mit, dann stand sie nur noch hinter mir und erteilte Anweisungen.
Ich kann der Gartenarbeit nur entkommen, indem ich mich zu Yogi's in Sicherheit bringe. Heute bin ich für die Bar eingeteilt, und zwar, bis wir schließen. Also irgendwann nach ein Uhr nachts.
Der Laden ist voll heute abend, und zu meinem großen Ärger sitzt eine ganze Horde meiner Kommilitonen an zwei langen Ecktischen im vorderen Teil des Lokals. Es ist das letzte Treffen einer der verschiedenen Verbindungen von Jurastudenten, einer, die mich nicht zum Beitritt aufgefordert hat. Sie nennt sich The Barristers und setzt sich größtenteils aus Typen zusammen, die für die Juristenzeitschrift arbeiten, ungeheuer wichtige Studenten also, die sich selbst viel zu ernst nehmen. Sie tun geheimnisvoll und versuchen sich den Anschein von Exklusivität zu geben. Zu ihren obskuren Initiationsriten gehören zum Beispiel das Deklamieren von lateinischen Sprüchen und andere Albernheiten in der Art. Fast alle haben Stellungen bei großen Kanzleien oder Bundesgerichten gefunden. Zwei sind bei der Steuerschule in New York angenommen worden. Eine aufgeblasene Clique.
Ich zapfe einen Krug Bier nach dem anderen, und sie werden schnell betrunken. Der lauteste ist ein Frettchen namens Jacob Staples, ein vielversprechender junger Anwalt, der vor drei Jahren mit dem Jurastudium begonnen hat und schon jetzt eine Menge schmutziger Tricks beherrscht. Staples hat mehr Möglichkeiten zum Mogeln gefunden als irgend jemand sonst in der Geschichte dieser Fakultät. Er hat Examensfragen gestohlen, Nachschlagewerke versteckt, unsere Ausarbeitungen geklaut und Professoren belogen, um einen Aufschub für seine Seminararbeiten und Kurzreferate zu bekommen. Bald wird er eine Million Dollar jährlich verdienen. Ich vermute, daß Staples derjenige war, der den mich betreffenden Text aus dem Daily Report kopiert und die ganze Fakultät damit bepflastert hat. Zuzutrauen wäre es ihm.
Obwohl ich versuche, gar nicht auf sie zu achten, fange ich gelegentlich einen starrenden Blick ein. Mehrmals dringt das Wort» Offenbarungseid «zu mir herüber.
Aber ich widme mich meiner Arbeit und trinke hin und wieder einen Schluck Bier aus einem Kaffeebecher. Prince sitzt in der gegenüberliegenden Ecke, sieht fern und behält die Barristers im Auge. Heute abend sieht er sich ein Windhundrennen in Florida an und wettet auf jeden Lauf. Sein Wett- und Trinkkumpan ist diesmal sein Anwalt, Bruiser Stone, ein ungeheuer dicker und breiter Mann mit langem, dichtem grauen Haar und herunterhängendem Spitzbart. Er bringt mindestens hundertachtzig Kilo auf die Waage, und zusammen sehen die beiden aus wie zwei Bären, die auf Felsbrocken sitzen und Erdnüsse mampfen.
Bruiser Stone ist ein Anwalt von höchst fragwürdigem Ruf. Er und Prince kennen sich schon sehr lange, sie sind alte HighSchool-Freunde aus South Memphis, und sie haben eine Menge dunkle Geschäfte zusammen gemacht. Sie zählen ihr Geld, wenn niemand dabei ist. Sie bestechen Politiker und Polizisten. Prince erledigt die Geschäfte, Bruiser besorgt das Denken. Und wenn Prince erwischt wird, erscheint Bruiser sofort auf jeder Titelseite und lamentiert über Ungerechtigkeiten. Auch im Gerichtssaal ist Bruiser sehr erfolgreich, in erster Linie deshalb, weil er, wie man sich erzählt, Geschworenen beträchtliche Summen Bargeld zukommen läßt. Prince braucht keine Angst davor zu haben, daß er irgendwann mal schuldig gesprochen wird.
Bruiser beschäftigt vier oder fünf Anwälte in seiner Kanzlei. Ich kann mir die Tiefe der Verzweifung nicht ausmalen, die mich zwingen könnte, ihn um einen Job zu bitten. Im Gegenteil. Ich kann mir nichts Schlimmeres vorstellen, als den Leuten sagen zu müssen, daß ich für Bruiser Stone arbeite.
Prince könnte es für mich arrangieren. Er würde mir liebend gern diesen Gefallen tun, nur um zu beweisen, wieviel Einfluß er hat.
Ich kann einfach nicht glauben, daß ich auch nur daran denke.
Kapitel 10
Unter dem Druck von uns vieren gibt Smoot nach und sagt, wir könnten auch allein nach Cypress Gardens zurückkehren, ohne unbedingt als Gruppe dort aufzukreuzen und noch so ein Mittagessen über uns ergehen zu lassen. Booker und ich schleichen uns eines Tages während» America the Beautiful «hinein und setzen uns an einen Tisch in der letzten Reihe, während Miss Birdie einen Vortrag über Vitamine und körperliche Bewegung hält. Schließlich entdeckt sie uns und besteht darauf, daß wir aufs Podium kommen, damit sie uns den Leuten vorstellen kann.
Nach dem Ende des Programms verzieht Booker sich mit seinen Mandanten in eine ferne Ecke, um ihnen Ratschläge zu erteilen, die sonst niemand hören soll. Da ich schon bei Dot war und Miss Birdie und ich bereits Stunden mit Diskussionen über ihr Testament zugebracht haben, bleibt für mich nicht mehr viel zu tun. Mr. DeWayne Deweese, mein dritter Mandant beim ersten Besuch, liegt im Krankenhaus, und ich habe ihm per Post eine völlig nutzlose Zusammenfassung meiner Vorschläge für seinen kleinen Privatkrieg mit der Veteranenversorgungsbehörde geschickt.