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«Wissen Sie, ich möchte wirklich nicht verhaftet werden. Zumal ich unschuldig bin. Auf die Presse kann ich verzichten«, sage ich mit einem Blick auf die mit Zeitungsausschnitten bepflasterte Wand.

«Daraus kann ich Ihnen keinen Vorwurf machen«, sagt er tatsächlich mit einer aufrichtigen Miene.»Wann ist das Anwaltsexamen?«

«Im Juli.«

«Und danach?«

«Ich weiß es nicht. Ich muß mich umschauen.«

Mein Kumpel Prince bricht plötzlich in die Unterhaltung ein.»Kannst du ihn nicht hier brauchen, Bruiser? Schließlich hast du einen ganzen Haufen Anwälte. Da kommt es auf einen mehr doch nicht an. Er war ein erstklassiger Student, arbeitet hart, ist intelligent. Ich kann mich für ihn verbürgen. Der Junge braucht einen Job.«

Ich wende langsam den Kopf und sehe Prince an, der mich anlächelt, als wäre er der Weihnachtsmann.»Hier wäre ein großartiger Platz für Sie«, sagt er richtig aufgeknöpft.»Sie würden lernen, was richtige Anwälte tun. «Er lacht und schlägt mir aufs Knie.

Wir schauen beide Bruiser an, dessen Blicke hin und her schießen, während sein Gehirn hektisch nach Ausreden sucht.

«Oh, sicher. Ich bin immer auf der Suche nach juristischen Talenten.«

«Na also«, sagt Prince.

«Wie die Dinge liegen, haben zwei meiner Mitarbeiter gerade gekündigt. Sie wollen ihren eigenen Laden aufmachen. Also habe ich zwei freie Stellen.«

«Na also«, sagt Prince abermals.»Ich habe Ihnen doch gesagt, es würde alles ins Lot kommen.«

«Aber es ist eigentlich keine Stellung mit einem Gehalt«, sagt Bruiser, sich für die Idee erwärmend.»Nein, Sir. Auf die Weise arbeite ich nicht. Ich erwarte von meinen Anwälten, daß sie für sich selbst sorgen, ihre Honorare selber beschaffen.«

Ich bin zu verblüfft, um etwas erwidern zu können. Prince und ich haben nicht über das Thema meiner Einstellung gesprochen. Ich hatte ihn nicht um Hilfe gebeten. Ich will Bruiser Stone nicht zum Boß haben. Aber ich kann den Mann auch nicht vor den Kopf stoßen, nicht jetzt, wo die Bullen herumschnüffeln und ziemlich unmißverständliche Andeutungen über die Todesstrafe machen. Ich bringe nicht die Kraft auf, Bruiser zu sagen, daß er gerade niederträchtig genug ist, um mich zu vertreten, aber zu niederträchtig, als daß ich für ihn arbeiten möchte.

«Wie soll das gehen?«frage ich.

«Es ist ganz einfach, und es funktioniert, jedenfalls was mich betrifft. Und denken Sie daran, daß ich im Laufe von zwanzig Jahren alles mögliche ausprobiert habe. Ich habe eine Menge Partner gehabt, und ich hatte Dutzende von angestellten Anwälten. Das einzige System, das wirklich funktioniert, ist eines, bei dem der Angestellte so viel Honorar einbringen muß, daß er auf seine Kosten kommt. Können Sie das?«

«Ich kann es versuchen«, sage ich, ganz Achselzucken und Unsicherheit.

«Natürlich können Sie das«, setzt Prince hilfsbereit hinzu.

«Sie bekommen im Monat tausend Dollar Vorschuß, und Sie behalten ein Drittel der Honorare, die Sie einbringen. Dieses Drittel wird mit dem Vorschuß verrechnet. Ein Drittel geht in meinen Bürofonds, aus dem die laufenden Unkosten, Sekretärinnen und so weiter, bezahlt werden. Das dritte Drittel bekomme ich. Wenn Sie weniger als Ihren monatlichen Vorschuß einbringen, dann schulden Sie mir die Differenz. Ich lasse Ihr Konto auflaufen, bis Sie einen einträglichen Monat haben. Kapiert?«

Ich denke ein paar Sekunden über dieses absurde Schema nach. Das einzige, was noch schlimmer ist als Arbeitslosigkeit, ist ein Job, bei dem man Geld verliert und die Schulden von Monat zu Monat anwachsen. Mir fallen mehrere sehr gezielte und unbeantwortbare Fragen ein, und ich will gerade eine davon stellen, als Prince sagt:»Finde ich fair. Großartiger Handel. «Er schlägt mir abermals aufs Knie.»Sie können eine Menge Geld machen.«

«Es ist die einzige Art, auf die ich arbeite«, sagt Bruiser zum zweiten oder dritten Mal.

«Wieviel verdienen Ihre Anwälte?«frage ich, nicht mit der Wahrheit rechnend.

Die langen Falten auf seiner Stirn quetschen sich zusammen. Er ist tief in Gedanken versunken.»Das schwankt. Hängt davon ab, wieviel Mühe sie sich geben. Einer hat letztes Jahr knapp achtzigtausend gemacht, ein anderer zwanzig.«

«Und du machst dreihunderttausend«, sagt Prince mit einem dröhnenden Lachen.

«Schön war's.«

Bruiser beobachtet mich genau. Er bietet mir den einzig möglichen Job an, der in Memphis noch zu haben ist, und er scheint zu wissen, daß ich nicht gerade wild darauf bin, ihn anzunehmen.

«Wann kann ich anfangen?«frage ich. Es ist ein verzweifelter Versuch, Eifer zu zeigen.

«Jetzt gleich.«

«Aber das Anwaltsexamen…«

«Machen Sie sich deshalb keine Gedanken. Sie können schon heute mit dem Geldverdienen anfangen. Ich zeige Ihnen, wie man das macht.«

«Sie werden eine Menge lernen«, fällt Prince ein, fast außer sich vor Befriedigung.

«Ich zahle Ihnen noch heute tausend Dollar«, sagt Bruiser wie der letzte der großen Verschwender.»Als Startkapital. Ich zeige Ihnen das Büro und alles, was Sie wissen müssen.«

«Großartig«, sage ich mit einem gezwungenen Lächeln. In diesem Moment ist es völlig unmöglich, mich irgendwie anders zu verhalten. Ich sollte nicht einmal hier sein, aber ich habe Angst, und ich brauche Hilfe. Völlig unangesprochen bleibt das Thema, wie sehr ich bei Bruiser in der Schuld stehen werde. Er ist alles andere als der gutherzige Typ, der hin und wieder den Armen einen Gefallen tut.

Mir ist ein bißchen schlecht. Vielleicht liegt es am Schlafmangel, an dem Schock, von der Polizei geweckt worden zu sein. Vielleicht liegt es auch daran, daß ich hier in diesem Büro sitze und zusehe, wie lebendige Haie herumschwimmen, oder daran, wie ich hier herumgeschoben werde — und zwar von den beiden größten Schiebern der Stadt.

Vor noch gar nicht langer Zeit war ich ein intelligenter, aufgeschlossener Jurastudent im dritten Studienjahr mit einem vielversprechenden Job bei einer anständigen Firma, begierig, meinen Beruf auszuüben, hart zu arbeiten, eine aktive Rolle im hiesigen Anwaltsverein zu spielen, meine Karriere zu starten, all das zu tun, was auch meine Freunde vorhatten. Und jetzt sitze ich hier, so verwundbar und schwach, daß ich mich bereit erkläre, mich für unsichere tausend Dollar im Monat zu prostituieren.

Bruiser nimmt einen dringenden Anruf entgegen, vermutlich eine Oben-ohne-Tänzerin, die wegen Erregung öffentlichen Ärgernisses im Gefängnis sitzt, und wir erheben uns von unseren Stühlen. Er flüstert mir über den Hörer hinweg zu, daß ich am Nachmittag wiederkommen soll.

Prince ist so stolz, daß er beinahe platzt. Er hat mich, einfach so, von der Todesstrafe errettet und mir einen Job verschafft. So sehr ich mich auch bemühe, ich kann einfach nicht fröhlich sein, während Firestone sich seinen Weg durch den Verkehr bahnt und uns auf dem schnellsten Wege zu Yogi's zurückbringt.

Kapitel 15

Ich beschließe, mich in der Fakultät zu verstecken. Ich verbringe ein paar Stunden zwischen den Bücherreihen im Keller und wühle mich durch einen Fall von Leistungsverweigerung von Versicherungen nach dem anderen hindurch. Ich schlage Zeit tot.

Ich fahre langsam in Richtung Flughafen und komme um halb vier bei Bruisers Kanzlei an. Die Gegend ist schlimmer, als sie ein paar Stunden zuvor aussah. Die Straße ist fünfspu-rig und gesäumt von Leichtindustrie und Frachtterminals sowie dunklen kleinen Kneipen und Clubs, in denen die Arbeiter Abwechslung suchen. Sie liegt genau in der Einflugschneise, und über meinem Kopf dröhnen Düsenfugzeuge.