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«Das wird der Kanzlei Lake gewaltig eins auswischen«, sagt er und zupft nachdenklich an einem abstehenden Barthaar.»Das gefällt mir. Was ist die Klage wert?«

«Vermutlich das, was die Geschworenen beschließen. Ich bezweifle, daß es zu einer außergerichtlichen Einigung kommt.«

«Und Sie wollen es versuchen?«

«Ich werde vermutlich ein bißchen Hilfe brauchen. Es kann ein oder zwei Jahre dauern.«

«Ich mache Sie mit Deck Shiffet bekannt, einem meiner Mitarbeiter. Er hat früher für eine große Versicherungsgesellschaft gearbeitet und eine Menge Policen für mich begutachtet.«

«Großartig.«

«Sein Büro ist nicht weit von Ihrem entfernt. Überarbeiten Sie dieses Ding, setzen Sie meinen Namen drauf, und wir werden es noch heute einreichen. Aber sorgen Sie unbedingt dafür, daß die Mandanten mitspielen.«

«Die Mandanten werden mitspielen«, versichere ich ihm mit dem Bild von Buddy vor Augen, wie er in dem Fairlane seine Katzen streichelt und Fliegen verjagt, dem von Dot, wie sie rauchend auf der Vorderveranda sitzt und den Briefkasten im Auge behält, als könnte jeden Moment ein Scheck von Great Benefit eintreffen, und dem von Donny Ray, der seinen Kopf mit den Händen abstützt.

«Um das Thema zu wechseln«, sage ich und räuspere mich.»Gibt's was Neues von der Polizei?«

«Kein Grund zur Aufregung«, sagt er selbstgefällig, als hätte der Meisterarrangeur mal wieder seine magischen Kräfte zur Schau gestellt.»Ich habe mit ein paar Leuten geredet, die ich kenne, und sie sind nicht einmal sicher, ob es Brandstiftung war. Kann Tage dauern.«

«Also werden sie mich nicht mitten in der Nacht verhaften?«

«Bestimmt nicht. Sie haben mir versprochen, daß sie mich anrufen, wenn sie Sie haben wollen. Ich habe ihnen versichert, daß Sie sich dann selbst stellen würden, Kaution hinterlegen und so weiter. Aber so weit wird es gar nicht erst kommen. Entspannen Sie sich.«

Ich entspanne mich tatsächlich. Ich traue Bruiser Stone zu, daß er in der Lage ist, der Polizei Versprechen abzuringen.

«Danke«, sage ich.

Zehn Minuten vor Feierabend betrete ich das Büro des Kanzleivorstehers im Bezirksgericht und reiche meine Klage ein — gegen die Great Benefit Life Insurance Company und Bobby Ott, den verschwundenen Agenten, der die Police verkauft hat. Meine Mandanten, die Blacks, fordern Schadenersatz in Höhe von zweihunderttausend Dollar und eine Geldstrafe von zehn Millionen. Ich habe keine Ahnung, über wieviel Nettovermögen Great Benefit verfügt, und es wird geraume Zeit dauern, bis ich das herausbekommen habe. Ich habe die zehn Millionen aus der Luft gegriffen, weil sie sich gut anhören. Das tun Prozeßanwälte ständig.

Natürlich taucht mein Name nirgends auf. Prozeßbevollmächtigter der Kläger ist J. Lyman Stone, und seine schwungvolle Unterschrift schmückt die letzte Seite und verleiht dem ganzen Vorgang Autorität. Ich gebe dem Gehilfen des Kanzleivorstehers einen Firmenscheck für die Einreichungsgebühr, und wir sind im Geschäft.

Great Benefit ist offiziell verklagt worden.

Ich rase quer durch die Stadt nach Nord-Memphis in das Granger-Viertel, wo ich meine Mandanten ungefähr genauso antreffe, wie ich sie ein paar Tage zuvor verlassen habe. Buddy ist draußen. Dot holt Donny Ray aus seinem Zimmer. Wir drei sitzen am Tisch, während sie ihre Kopie der Klage bewundern. Sie sind mächtig beeindruckt von den großen Zahlen. Dot wiederholt immer wieder die Summe von zehn Millionen, als besäße sie ein Lotterielos mit dem Hauptgewinn.

Schließlich bin ich gezwungen, zu erklären, was mit diesen fürchterlichen Leuten in der Kanzlei Lake passiert ist. Ein Strategiekonflikt. Sie waren für meinen Geschmack zu träge. Ihnen hat mein Drängen auf Handeln nicht gefallen. Und so weiter und so weiter.

Ihnen ist es im Grunde völlig gleichgültig. Die Klage ist eingereicht worden, und sie haben den Beweis dafür. Sie können alles nachlesen, wann immer sie wollen. Was sie wissen wollen, ist: Wie geht es nun weiter, wie bald wird sich etwas tun? Wie stehen die Chancen für einen schnellen Vergleich? Diese Fragen machen mich sprachlos. Ich weiß, daß es viel zu lange dauern wird, und ich komme mir grausam vor, weil ich ihnen das verheimliche.

Mit gutem Zureden bringe ich sie dazu, daß sie den Brief an Barry X. Lancaster, ihren bisherigen Anwalt, unterschreiben, eine knappe Kündigung. Außerdem ist da ein neuer Vertrag mit der Kanzlei J. Lyman Stone. Ich rede sehr schnell, während ich dieses neue Paket Papierkram erkläre. Von denselben Stühlen am Küchentisch aus sehen Donny Ray und ich zu, wie Dot abermals durch das Unkraut stapft und auf ihren Mann einredet, um seine Unterschrift zu bekommen.

Ich verlasse sie in besserer Verfassung als der, in der ich sie angetroffen habe. Es bereitet ihnen eine gewisse Genugtuung, daß sie tatsächlich diese Gesellschaft verklagt haben, die sie schon so lange hassen. Sie haben sich endlich gewehrt. Man hat auf ihnen herumgetrampelt, und sie haben mich überzeugt, daß man ihnen übel mitgespielt hat. Jetzt gehören sie zu den Millionen von Amerikanern, die alljährlich jemanden verklagen. Es verleiht ihnen ein irgendwie patriotisches Gefühl.

Ich sitze im Feierabendverkehr in meinem heißen kleinen Wagen und denke über den Wahnsinn der letzten vierundzwanzig Stunden nach. Ich habe gerade einen höchst dubiosen Arbeitsvertrag unterschrieben. Tausend Dollar im Monat sind eine so bescheidene Summe, trotzdem machen sie mir angst.

Sie sind kein Gehalt, sondern ein Darlehen, und ich habe keine Ahnung, wie Bruiser sich vorstellt, daß ich gleich Fälle und damit Geld an Land ziehe. Wenn ich aus dem Black-Fall etwas heraushole, dann erst in etlichen Monaten.

Ich werde noch eine Weile bei Yogi's arbeiten. Prince bezahlt mich immer noch in bar — fünf Dollar die Stunde plus Essen und ein paar Bier.

In dieser Stadt gibt es Kanzleien, die von ihren Anwälten erwarten, daß sie immer einen anständigen Anzug tragen, einen ansehnlichen Wagen fahren, in einem noblen Haus wohnen und sogar in den eleganten Country Clubs herumhängen. Natürlich zahlen sie ihnen erheblich mehr, als Bruiser mir zahlt, aber sie packen ihnen auch eine Menge unnötige gesellschaftliche Lasten auf.

Meine Kanzlei tut das nicht. Ich kann anziehen, was ich will, ich kann die letzte Rostlaube fahren, überall herumhängen, und niemand wird je ein Wort sagen. Ich frage mich, wie ich reagieren werde, wenn einer der Burschen in der Kanzlei mich zum erstenmal auffordert, mit ihm auf ein oder zwei Tanzdarbietungen auf die andere Straßenseite zu gehen.

Plötzlich bin ich mein eigener Herr. Während der Verkehr zentimeterweise vorankriecht, überkommt mich ein wundervolles Gefühl der Unabhängigkeit. Ich kann überleben! Ich werde eine Weile für Bruiser schuften und dabei vermutlich mehr über die Juristerei lernen, als es bei den großen Firmen in der Innenstadt der Fall gewesen wäre. Ich werde die höhnischen Bemerkungen und das Naserümpfen anderer Leute über meine Arbeit in einem so schäbigen Laden aushalten. Damit werde ich fertig. Es wird mich zäh machen. Vor noch nicht allzu langer Zeit, als ich mich bei Broadnax and Speer und dann bei Lake sicher untergebracht glaubte, war ich ziemlich aufgeblasen, also werde ich jetzt ein bißchen demütiger sein.

Es ist bereits dunkel, als ich Greenway Plaza erreiche. Die meisten Wagen sind vom Parkplatz verschwunden. Auf der anderen Straßenseite hat die grelle Reklame des Club Amber die übliche Menge von Pickups und Leihwagen angezogen. Das Neonlicht umwirbelt das Dach des gesamten Gebäudes und erhellt die ganze Umgebung.

Das Pornogeschäft blüht in Memphis, und das ist schwer zu erklären. Dies ist eine sehr konservative Stadt mit Unmengen von Kirchen, das Herz des Bibelgürtels. Die Leute, die sich hier um ein Amt bewerben, bekennen sich ausnahmslos zu einem strengen Moralkodex, was gewöhnlich von den Wählern honoriert wird. Ich kann mir keinen Kandidaten vorstellen, der das Pornogeschäft tolerierte und trotzdem gewählt würde.

Ich beobachte, wie eine Wagenladung Geschäftsleute aussteigt und in den Club Amber torkelt — ein Amerikaner mit vier japanischen Freunden, zweifellos im Begriff, einen langen Tag des Geschäftemachens mit ein paar Drinks und einer anregenden Betrachtung der neuesten Entwicklungen auf dem Gebiet des amerikanischen Silikons abzuschließen.