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Deck ist einer der unattraktivsten Menschen, die mir je begegnet sind. Sein Gesicht ist von Teenagerakne verheert. Sein Kinn existiert praktisch nicht. Wenn er redet, verzieht sich seine Nase, und seine Oberlippe hebt sich und entblößt vier Schneidezähne, alle gleich groß.

Der Kragen seines zweitaschigen und angeschmutzten weißen Hemdes ist ausgefranst. Der Knoten seiner schlichten roten Strickkrawatte ist so groß wie meine Faust.

«Ja«, sage ich und versuche, nicht in die beiden riesigen Augen zu schauen, die mich durch die dicken Gläser hindurch mustern.»Es ist ein Versicherungsfall. Sind Sie einer der angestellten Anwälte hier?«

Die Nase und die Lippen stoßen aneinander. Die Zähne funkeln mich an.»Sozusagen. Nicht wirklich. Sehen Sie, ich bin kein Anwalt, noch nicht. Habe Jura studiert und all das, aber ich habe kein Examen gemacht.«

Ah, eine verwandte Seele.»Ach, wirklich«, sage ich.»Wann waren Sie mit dem Studium fertig?«

«Vor fünf Jahren. Sehen Sie, ich habe ein paar Probleme mit dem Anwaltsexamen. Ich habe es sechsmal versucht.«

Das ist nicht, was ich hören möchte.»Wow«, murmele ich. Ich habe wirklich nicht gewußt, daß sich jemand so oft zum Examen melden kann.»Tut mir leid, das zu hören.«

«Wann ist es bei Ihnen soweit?«fragt er und schaut sich abermals nervös um. Er sitzt auf der Kante seines Stuhls, als rechnete er damit, jeden Moment aufspringen zu müssen. Daumen und Zeigefinger seiner rechten Hand zupfen an der Haut auf dem Rücken seiner linken.

«Im Juli. Ziemlich hart, nicht wahr?«

«Ja, ziemlich hart, würde ich sagen. Seit einem Jahr habe ich mich nicht mehr angemeldet. Weiß nicht, ob ich es jemals wieder versuchen werde.«

«Wo haben Sie studiert?«frage ich, weil er mich ziemlich nervös macht. Ich bin nicht sicher, ob ich über den Fall Black reden möchte. Wie paßt er ins Bild? Wie sieht sein Anteil aus?

«In Kalifornien«, sagt er mit dem heftigsten Gesichtszuk-ken, das ich je gesehen habe. Die Augen öffnen und schließen sich. Die Brauen tanzen. Die Lippen flattern.»In Abendkursen. War damals verheiratet, habe fünfzig Stunden die Woche gearbeitet. Hatte nicht viel Zeit zum Lernen. Fünf Jahre habe ich gebraucht bis zur Graduierung. Meine Frau hat mich verlassen. Bin dann hierhergezogen. «Seine Sätze werden immer kürzer, dann verstummt er und läßt mich ein paar Sekunden hängen.

«Ja, und seit wann arbeiten Sie für Bruiser?«

«Seit fast drei Jahren. Er behandelt mich wie die übrigen Anwälte. Ich treibe die Fälle auf, bearbeite sie, gebe ihm seinen

Anteil. Alle sind glücklich. Wenn Versicherungsfalle hereinkommen, bittet er gewöhnlich mich, sie zu bearbeiten. Ich habe achtzehn Jahre für Pacific Mutual gearbeitet. Hatte es satt. Hab angefangen zu studieren. «Er verstummt wieder.

Ich beobachte ihn und warte.»Was passiert, wenn Sie vor Gericht gehen müssen?«

Er grinst verlegen, als wäre er in Wirklichkeit ein toller Hecht.»Also, ein paarmal bin ich selbst hingegangen, wirklich. Bisher bin ich noch nicht erwischt worden. Hier gibt es so viele Anwälte, da ist es unmöglich, alle zu kennen. Wenn es zu einem Prozeß kommt, geht Bruiser für mich hin. Oder einer der anderen Anwälte hier.«

«Bruiser sagte, es arbeiten fünf Anwälte hier in der Kanzlei.«

«Ja. Ich, Bruiser, Nicklass, Toxer und Ridge. Aber ich würde es nicht eine Kanzlei nennen. Hier ist jeder auf sich allein gestellt. Sie werden es schnell lernen. Sie müssen Ihre eigenen Fälle und Mandanten beschaffen, und behalten ein Drittel von dem, was hereinkommt.«

Seine Offenheit gefällt mir, also setze ich nach:»Kommen die Anwälte auf ihre Kosten?«

«Hängt davon ab, was Sie wollen«, sagt er und rutscht herum, als hörte Bruiser zu.»Da draußen gibt es eine Menge Konkurrenz. Für mich genau das richtige, weil ich vierzigtausend im Jahr mit juristischer Arbeit verdienen kann, obwohl ich keine Lizenz habe. Aber verraten Sie es niemandem.«

Das würde mir nicht im Traum einfallen.

«Was springt für Sie heraus, wenn Sie mit mir an meinem Versicherungsfall arbeiten?«frage ich.

«Ach, das. Bruiser bezahlt mich, wenn es zu einem Vergleich kommt. Ich helfe ihm bei seinen Fällen, aber ich bin der einzige, dem er wirklich vertraut. Niemand sonst hier darf seine Akten anrühren. Er hat schon Anwälte hinausgeworfen, weil sie versucht haben, ihre Nase hineinzustecken. Ich bin harmlos. Ich muß hierbleiben, zumindest so lange, bis ich das Anwaltsexamen bestanden habe.«

«Wie sind die anderen Anwälte?«

«Okay. Sie kommen und gehen. Er engagiert nicht gerade

die Spitzenleute, wissen Sie. Er holt junge Leute von der Straße. Sie arbeiten ein oder zwei Jahre hier, beschaffen sich ein paar Mandanten und Kontakte, dann machen sie ihren eigenen Laden auf. Anwälte sind immer auf dem Absprung.«

Wem sagt er das?

«Darf ich Sie etwas fragen?«sage ich, gegen meine bessere Einsicht handelnd.

«Natürlich.«

Ich gebe ihm den Unfallbericht, und er überfliegt ihn schnell.»Den hat Bruiser Ihnen gegeben, stimmt's?«

«Ja, vor ein paar Minuten. Was erwartet er von mir?«

«Daß Sie den Fall an Land ziehen. Den Mann finden, der angefahren wurde, ihm einen Vertrag mit der Kanzlei J. Lyman Stone aufschwatzen und sich dann um alles Weitere kümmern.«

«Wie soll ich ihn finden?«

«Nun, es sieht so aus, als wäre er im Krankenhaus. Da kommt man gewöhnlich am besten an die Leute ran.«

«Sie gehen ins Krankenhaus?«

«Klar. Das tue ich ständig. Sehen Sie, Bruiser hat ein paar Kontakte zum Präsidium. Ein paar sehr gute Kontakte, Leute, mit denen er aufgewachsen ist. Von denen bekommt er fast jeden Morgen die Unfallberichte. Er verteilt sie im Büro und erwartet von uns, daß wir uns die Fälle angeln. Dazu braucht man kein Experte zu sein.«

«Welches Krankenhaus?«

Seine Augen verdrehen sich, und er schüttelt angewidert den Kopf.»Was hat man euch beim Studium eigentlich beigebracht?«

«Nicht viel, aber ganz bestimmt nicht, wie man Jagd auf Unfallopfer macht.«

«Dann sollten Sie es lieber rasch lernen. Wenn Sie es nicht tun, werden Sie verhungern. Sehen Sie, hier steht die Telefonnummer des verletzten Fahrers. Sie rufen einfach dort an, sagen dem, der sich meldet, Sie gehörten zum Rettungsdienst der Feuerwehr von Memphis oder etwas von der Art und Sie müßten unbedingt mit dem verletzten Fahrer sprechen, wie

immer der heißen mag. Er kann nicht ans Telefon kommen, weil er im Krankenhaus liegt, richtig? In welchem Krankenhaus? Sie brauchen das für Ihren Computer. Man wird es Ihnen sagen. Funktioniert immer. Benutzen Sie Ihre Phantasie. Die Leute sind leicht zu übertölpeln.«

Mir ist übel.»Und was dann?«

«Dann fahren Sie ins Krankenhaus und reden mit dem Mann. He, tut mir leid, Sie sind ja noch ein Anfänger. Ich werde Ihnen sagen, was wir tun werden. Wir schnappen uns ein Sandwich und essen es im Wagen, während wir zusammen zum Krankenhaus fahren und versuchen, diesen Burschen an den Haken zu kriegen.«

Das möchte ich ganz und gar nicht. Ich würde am liebsten diesen Ort verlassen und nie mehr zurückkehren. Aber im Moment habe ich nichts anderes zu tun.»Okay«, sage ich äußerst widerstrebend.

Er springt auf.»Wir treffen uns vor dem Haus. Ich rufe an und finde heraus, in welchem Krankenhaus er liegt.«

Das Krankenhaus ist St. Peter's Charity Hospital, ein regelrechtes Irrenhaus, in das die meisten Unfallopfer gebracht werden. Es gehört der Stadt und bietet, neben vielen anderen Dingen, auch kostenlose Behandlung für unzählige Patienten.