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«Sagen wir zwei Uhr heute nachmittag.«

Ich nicke zustimmend, sage aber nichts. Es ist merkwürdig, daß ich in diesem Zustand der Verletzlichkeit volles Vertrauen zu Bruiser Stone habe, einem Mann, dem ich in anderen Dingen nicht über den Weg trauen würde.

«Ich brauche ein bißchen Freizeit, Bruiser«, sage ich.

Seine Hände erstarren in der Luft, und er mustert mich fassungslos. Dru, in einer Ecke an einem Aktenschrank beschäftigt, hält inne und schaut auf. Einer der Haie scheint mich gehört zu haben.

«Sie haben gerade erst angefangen«, sagt Bruiser.

«Ja, ich weiß. Aber ich habe das Anwaltsexamen direkt vor mir. Bin mit dem Lernen ziemlich im Rückstand.«

Er neigt den Kopf zu einer Seite und streichelt seinen Bart. Bruiser hat ziemlich harte Augen, wenn er trinkt und seinen Spaß hat. Jetzt sind sie wie Laser.»Wieviel Freizeit?«

«Also, ich würde gern jeden Morgen kommen und bis Mittag arbeiten. Und dann, je nachdem, was auf meiner Prozeßliste und in meinem Terminkalender steht, in die Bibliothek verschwinden und lernen. «Mein Versuch, witzig zu sein, fällt nicht auf fruchtbaren Boden.

«Sie könnten mit Deck lernen«, sagt Bruiser mit einem plötzlichen Lächeln. Es ist ein Witz, also lache ich pflichtschuldig.»Ich werde Ihnen sagen, was Sie tun können«, sagt er, jetzt wieder ernst.»Sie arbeiten bis Mittag, dann packen Sie Ihre Bücher ein und machen sich in die Cafeteria von St. Peter's auf. Lernen Sie, soviel Sie wollen, aber halten Sie gleichzeitig die Augen offen. Ich möchte, daß Sie das Examen bestehen, aber im Augenblick liegt mir wesentlich mehr an neuen Fällen. Nehmen Sie ein Handy mit, damit ich Sie jederzeit erreichen kann. Ist das ein faires Angebot?«

Weshalb habe ich das getan? Ich gebe mir selbst einen Tritt in den Hintern, weil ich das Anwaltsexamen erwähnt habe.»Ja«, sage ich mit einem Stirnrunzeln.

Letzte Nacht in der Hängematte habe ich gedacht, daß es mir mit ein bißchen Glück gelingen könnte, St. Peter 's zu meiden. Jetzt bin ich dort stationiert.

Dieselben beiden Polizisten, die auch in meiner Wohnung waren, melden sich bei Bruiser, um seine Zustimmung zu meinem Verhör einzuholen. Wir vier sitzen an einem kleinen, runden Tisch in einer Ecke seines Büros. Zwei Tonbandgeräte stehen darauf, beide eingeschaltet.

Es wird ziemlich rasch langweilig. Ich wiederhole dieselbe Geschichte, die ich den beiden Clowns bei ihrem ersten Besuch erzählt habe, und wir vergeuden eine Unmenge Zeit damit, jeden winzigen kleinen Aspekt davon immer wieder durchzukauen. Sie versuchen, mich in Widersprüche über völlig belanglose Details zu verwickeln —»dachte, Sie hätten gesagt, Sie hätten ein dunkelblaues Hemd getragen, und jetzt sagen Sie, es wäre blau gewesen«-, aber ich sage die reine Wahrheit. Es gibt keine Lügen zu bemänteln, und nach einer Stunde scheinen sie begriffen zu haben, daß ich nicht ihr Mann bin.

Bruiser ist langsam gereizt und sagt ihnen mehr als einmal, sie sollten zusehen, daß sie vorankommen. Sie gehorchen ihm, eine Zeitlang. Ich habe den unmißverständlichen Eindruck, daß diese Polizisten Angst vor Bruiser haben.

Endlich verschwinden sie, und Bruiser sagt, damit wäre der Fall erledigt. Ich bin im Grunde kein Verdächtiger mehr, sie halten sich nur den Rücken frei. Er wird morgen früh mit ihrem Lieutenant sprechen und dafür sorgen, daß meine Akte geschlossen wird.

Ich bedanke mich bei ihm. Er gibt mir ein so winziges Telefon, daß es in meiner Handfläche Platz findet.»Sehen Sie zu, daß Sie das immer bei sich haben«, sagt er.»Vor allem, wenn Sie für das Examen lernen. Könnte sein, daß ich Sie schnell brauche. «Das winzige Gerät wird plötzlich erheblich schwerer. Durch dieses Ding bin ich seinen Launen rund um die Uhr ausgeliefert.

Er entläßt mich in mein Büro.

Ich kehre mit dem festen Vorsatz in die Cafeteria in der Nähe der orthopädischen Abteilung zurück, mich in eine Ecke zu verkriechen, mein Material durchzuarbeiten, das verdammte Handy griffbereit zu halten, aber die Leute um mich herum zu ignorieren.

Das Essen könnte schlechter sein. Nach sieben Jahren Studentenkantine schmeckt alles gut. Mein Diner besteht aus einem Sandwich mit Pfefferkäse und Chips. Ich setze mich mit dem Rücken zur Wand an einen Ecktisch und breite meine Unterlagen aus.

Zuerst esse ich, verschlinge das Sandwich und mustere dabei die anderen Essensgäste. Die meisten von ihnen tragen irgendwelche Medizinerkleidung — Ärzte in ihren Kitteln, Schwestern in Tracht, Laboranten in ihren weißen Jacken. Sie sitzen in kleinen Gruppen beisammen und unterhalten sich über Krankheiten und Behandlungsmethoden, von denen ich noch nie gehört habe. Für Leute, denen es eigentlich um Gesundheit und vernünftige Ernährung gehen sollte, essen sie das fürchterlichste Zeug, das es überhaupt gibt. Pommes fri-tes, Burger, überbackene Tortillas, Pizza. Ich beobachte eine Gruppe von jungen Ärzten beim Essen und frage mich, was sie wohl denken würden, wenn sie wüßten, daß mitten unter ihnen ein Anwalt sitzt, der für das Examen lernt, damit er sie eines Tages verklagen kann.

Ich bezweifle, daß es sie stören würde. Ich habe das gleiche Recht, hier zu sein, wie sie.

Niemand nimmt Notiz von mir. Gelegentlich kommt ein Patient auf Krücken hereingehinkt oder wird von einem Pfleger hereingeschoben. Ich kann keine anderen Anwälte entdecken, die sprungbereit hier lauern.

Um sechs bezahle ich meine erste Tasse Kaffee und vertiefe mich dann in das mühsame Durcharbeiten von Vertragsrecht und Liegenschaftsrecht, zwei Themen, die den Horror meines ersten Studienjahrs wieder lebendig werden lassen. Ich wühle mich durch. Bisher habe ich es immer wieder aufgeschoben, aber ein Morgen gibt es jetzt nicht mehr. Nach einer Stunde stehe ich auf, um meinen Becher nachfüllen zu lassen. Die Cafeteria hat sich weitgehend geleert, und ich entdecke zwei Patienten, die am anderen Ende des Raums nebeneinander sitzen. Gips und Mull, wo man hinsieht. Deck würde sich auf sie stürzen. Aber ich nicht.

Nach einer Weile stelle ich sehr zu meiner Überraschung fest, daß es mir hier gefällt. Es ist ruhig, und niemand kennt mich. Ideale Voraussetzungen zum Lernen. Der Kaffee ist nicht schlecht, und Nachfüllen kostet nur die Hälfte. Ich bin weit weg von Miss Birdie und deshalb sicher vor körperlicher Arbeit. Mein Boß erwartet von mir, daß ich hier bin, und obwohl er auch erwartet, daß ich nach Beute Ausschau halte, wird er ja nie erfahren, daß ich es nicht tue. Bestimmt habe ich keine feste Quote. Schließlich kann man nicht von mir verlangen, daß ich zig Fälle pro Woche an Land ziehe.

Das Telefon gibt ein mickriges Piepen von sich. Es ist Bruiser, der nur kontrollieren will. Schon Glück gehabt? Nein, sage ich und schaue quer durch den Raum auf die beiden wunderbaren Schadensfälle, die von einem Rollstuhl zum ändern ihre Verletzungen vergleichen. Er sagt, er hätte mit dem Lieutenant gesprochen, und es sähe gut aus. Er ist zuversichtlich, daß sie anderen Spuren, anderen Verdächtigen nachgehen werden. Petri Heil! sagt er mit einem Auflachen und ist schon wieder aus der Leitung, zweifellos auf dem Sprung zu Yogi's, um sich mit Prince ein paar Drinks zu gönnen.

Ich lerne eine weitere Stunde, dann verlasse ich meinen

Tisch und fahre in den achten Stock hinauf, um nach Dan Van Landel zu sehen. Er hat Schmerzen, ist aber redewillig. Ich überbringe die gute Nachricht, daß wir uns mit der Versicherung des anderen Fahrers in Verbindung gesetzt haben und daß dort eine hübsche Police auf uns wartet. Sein Fall hat alles, was dazugehört, erkläre ich, das wiederholend, was Deck mir zuvor gesagt hat: eindeutige Haftpflicht (sogar ein betrunkener Fahrer), reichlich Deckung durch die Versicherung und gute Verletzungen. Gut bedeutet ein paar zu Bruch gegangene Knochen, die sich leicht zu dem magischen Zustand eines bleibenden Schadens auswachsen könnten.

Dan bringt ein erfreutes Lächeln zustande. Er zählt bereits sein Geld. Aber noch steht ihm das Teilen des Kuchens mit Bruiser bevor.