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Vor sieben Jahren wurde er unlauterer Machenschaften bezichtigt und verhaftet, aber die Regierung hatte keine Chance. Nach einem Jahr wurde die Anklage fallengelassen. Deck hat mir anvertraut, daß er sich Sorgen macht wegen der gegenwärtigen Ermittlungen des FBI in der Unterwelt von Memphis, bei denen wiederholt die Namen von Bruiser Stone und seinem besten Freund, Prince Thomas, aufgetaucht sind. Deck meinte, Bruiser verhalte sich ein bißchen anders als sonst — er trinkt zuviel, verliert schneller die Geduld und poltert und schimpft mehr als üblich in der Kanzlei herum.

Da wir gerade bei Telefonen waren — Deck ist überzeugt, daß das FBI sämtliche Telefone im Büro angezapft hat, meines eingeschlossen. Und er glaubt auch, daß die Wände verwanzt sind. Das haben sie schon mal gemacht, sagte er mit bedeutungsvoller Miene. Und bei Yogi's wäre ich an Ihrer Stelle auch vorsichtig.

Mit diesem tröstlichen Gedanken hat er mich gestern nachmittag zurückgelassen. Wenn ich das Anwaltsexamen bestehe und nur ein bißchen Geld in die Hand bekomme, bin ich von hier verschwunden.

Bruiser legt endlich auf und reibt sich die müden Augen.»Sehen Sie sich das an«, sagt er und schiebt mir einen dicken Stapel Papier zu.

«Was ist das?«

«Die Reaktion von Great Benefit. Rudy, Sie sind im Begriff zu lernen, weshalb es weh tut, wenn man große Gesellschaften verklagt. Die haben Unmengen von Geld, mit dem sie einen ganzen Schwanz von Anwälten engagieren können, die ihrerseits Unmengen von Papier produzieren. Leo F. Drummond zockt bei Great Benefit vermutlich zweihundertfünfzig pro Stunde ab.«

Es ist ein Antrag, die Klage der Blacks abzuweisen. Der dazugehörige Schriftsatz ist dreiundsechzig Seiten lang. Außerdem bin ich zu einer Anhörung zu besagtem Antrag vor dem Ehrenwerten Harvey Hale geladen.

Bruiser beobachtet mich ungerührt.»Willkommen auf dem Schlachtfeld.«

Ich habe einen hübschen Kloß im Hals. Es wird mich Tage kosten, bis ich auch so reagieren kann.»Beeindruckend«, sage ich mit trockener Kehle. Ich weiß nicht, wo ich anfangen soll.

«Lesen Sie sich die Verfahrensvorschriften genau durch. Erwidern Sie den Antrag. Schreiben Sie Ihren Schriftsatz. Tun Sie es schnell. Es ist gar nicht so schlimm, wie es aussieht.«

«Wirklich nicht?«

«Nein, Rudy. Es ist nur Papierkram. Das werden Sie schon noch lernen. Diese Mistkerle werden jeden bekannten Antrag stellen und viele, die sie erst erfinden müssen, alle mit dicken Schriftsätzen untermauert. Und sie werden jedesmal vor Gericht rennen wollen, um eine Anhörung über einen ihrer reizenden kleinen Anträge zu erreichen. Denen ist es völlig egal, ob sie dabei gewinnen oder verlieren, ihr Geld bekommen sie auf jeden Fall. Und es verzögert den Prozeß. Es ist eine wahre Kunst, wie sie das immer machen, und die Mandanten bezahlen die Rechnung. Das Problem ist nur, daß sie Sie dabei durch die Mangel drehen.«

«Ich bin jetzt schon erschöpft.«

«Es ist ein hartes Brot. Drummond schnippt mit den Fingern, sagt >Ich will einen Antrag auf Klageabweisung<, und schon vergraben sich drei angestellte Anwälte in der Bibliothek und zwei Anwaltsgehilfen fördern an ihren Computern alte Schriftsätze zutage. Presto! In Null Komma nichts liegt ein dicker Schriftsatz vor, gründlich recherchiert. Dann muß Drummond ihn ein paarmal lesen, sich für zweihundertfünfzig die Stunde hindurchwühlen, vielleicht einen seiner Partner bitten, ihn gleichfalls durchzulesen. Dann muß er ihn redigieren und kürzen und abändern, also kehren die Anwälte in die Bibliothek zurück, und die Anwaltsgehilfen setzen sich wieder vor ihre Computer. Es ist Beutelschneiderei, aber Great Benefit hat massenhaft Geld und nichts dagegen, es an Leute wie Tinley Britt zu zahlen.«

Ich habe das Gefühl, als hätte ich eine Armee herausgefordert. Zwei Telefone läuten gleichzeitig, und Bruiser greift nach dem nächsten.»An die Arbeit«, sagt er zu mir, dann sagt er» Ja?«in den Hörer.

Mit beiden Händen trage ich den Packen Papier in mein Büro und mache die Tür zu. Ich lese den Antrag auf Abweisung mit seiner hübsch dargelegten und fehlerfrei getippten Begründung, einen Schriftsatz, der, wie ich rasch feststelle, angefüllt ist mit überzeugenden Argumenten gegen fast alles, was ich in meiner Klage vorgebracht habe. Die Sprache ist vollmundig und klar, so frei von Juristenjargon, wie ein Schriftsatz überhaupt nur sein kann, und bemerkenswert flüssig geschrieben. Die vorgetragenen Ansichten sind untermauert mit einer Vielzahl von Präzedenzentscheidungen, die alle exakt zur Sache zu gehören scheinen. Auf fast jeder Seite stehen ausführliche Fußnoten. Es gibt sogar ein Inhaltsverzeichnis, ein Register und eine Bibliographie.

Fehlt nur noch eine unterschriftsreife Verfügung, in der der Richter dem Antrag von Great Benefit in allen Punkten entspricht.

Nach dem dritten Durchlesen reiße ich mich zusammen und fange an, mir Notizen zu machen. Vielleicht gibt es ja doch ein oder zwei Löcher, in die man hineinstochern könnte. Der Schock und die Angst lassen langsam nach. Ich rufe mir meinen immensen Abscheu gegen Great Benefit und das, was sie meinen Mandanten angetan haben, ins Gedächtnis und kremple die Ärmel auf.

Mr. Leo F. Drummond mag ein Hexenmeister im Gerichtssaal sein und zahllose Speichellecker unter sich haben, die die Arbeit für ihn machen, aber ich, Rudy Baylor, habe sonst nichts zu tun. Ich bin intelligent, und ich kann arbeiten. Er will einen Papierkrieg mit mir anfangen, na schön. Ich werde ihn in Papier ersticken.

Deck hat das Anwaltsexamen sechsmal mitgemacht. Beim dritten Versuch, in Kalifornien, hätte er es beinahe geschafft, fiel aber doch noch durch, weil seine Gesamtnote zwei Punkte zu niedrig lag. Dann hat er es dreimal in Tennessee versucht, wo es keinmal auch nur annähernd gereicht hat, wie er mir mit bemerkenswerter Offenheit erzählte. Ich bin nicht sicher, ob Deck das Examen überhaupt noch ablegen möchte. Er verdient vierzigtausend im Jahr, indem er Fälle für Bruiser an Land zieht, und er leidet nicht unter irgendwelchen ethischen Bedenken. (Nicht, daß Bruiser das kümmern würde.) Deck braucht keine Anwaltsgebühren zu zahlen, sich keine Gedanken über juristische Weiterbildung zu machen, keine Seminare zu besuchen, nicht vor Richtern zu erscheinen, sich keine Sorgen wegen Pro-bono-Arbeit zu machen, und laufende Unkosten hat er auch nicht.

Deck ist ein Blutegel. Solange er einen Anwalt hat mit einem Namen, den er benutzen, und ein Büro, in dem er arbeiten kann, ist Deck im Geschäft.

Er weiß, daß ich kaum etwas zu tun habe, deshalb hat er es sich angewöhnt, gegen elf in meinem Büro aufzukreuzen. Wir unterhalten uns eine halbe Stunde, dann gehen wir auf einen billigen Lunch zu Trudy's. Ich habe mich inzwischen an ihn gewöhnt. Er ist einfach Deck, ein bescheidener kleiner Kerl, der mein Freund sein möchte.

Wir sitzen in einer Ecke bei Trudy's zwischen den Transportarbeitern, und Deck redet so leise, daß ich ihn kaum verstehen kann. Gelegentlich, zumal in einem Krankenhauswartezimmer, kann er so aufdringlich sein, daß es geradezu peinlich ist, zu anderen Zeiten dagegen ist er schüchtern wie eine Maus. Er murmelt etwas, das er mir umbedingt mitteilen will, und schaut dabei ständig über die Schulter, als rechnete er jeden Augenblick mit einem Angriff.

«Es gab da mal einen Typ, der hier in der Kanzlei gearbeitet hat, ein gewisser David Roy, der war ziemlich dicke mit Bruiser. Die waren so richtig ein Herz und eine Seele, haben ihr Geld zusammen gezählt, na, Sie wissen schon. Roy wurde aus der Anwaltskammer ausgeschlossen, weil er Gelder veruntreut hatte, er kann also nicht mehr als Anwalt arbeiten. «Deck wischt sich mit den Fingern Thunfischsalat von den Lippen.»Kein Problem für ihn. Roy haut hier ab, geht auf die andere Straßenseite und macht einen Pornoclub auf. Der Club brennt ab. Er macht einen anderen auf, der brennt wieder ab. Und dann noch einer. Danach bricht Krieg aus in der Tittenbranche. Bruiser ist zu schlau, um mittendrin mitzumischen, aber er hält sich ständig am Rande. Ihr Kumpel Prince Thomas macht es genauso. Der Krieg dauert ein paar Jahre. Ab und zu taucht mal eine Leiche auf. Es gibt noch mehr Brände. Roy und Bruiser geraten sich über irgend etwas ernsthaft in die Haare. Voriges Jahr hat das FBI Roy festgenagelt, und jetzt heißt es, daß er singen wird. Sie wissen, was das bedeutet?«