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Wir bringen einen Toast auf mein Glück aus, stoßen mit unseren Bank-of-Tennessee-Tassen an und nehmen einen Schluck. Das Zeug schmeckt wie Hustensirup für Kinder und brennt wie hochprozentiger Wodka. Sie leckt sich schmatzend die Lippen und sagt dann:»Wir sollten uns lieber hinsetzen.«

Nach ein paar Schlucken schnarcht Miss Birdie auf dem Sofa. Ich stelle den Fernseher leise und gieße mir eine weitere Tasse ein. Es ist immerhin ein ziemlich starkes Gesöff, und nach dem ersten Schock haben sich die Geschmacksnerven einigermaßen daran gewöhnt. Noch immer lächelnd, setze ich mich damit auf die mondbeschienene Terrasse und schaue voller Dankbarkeit über diese herrliche Nachricht zum Himmel empor.

Die Nachwirkungen des Melonenlikörs sind bis lange nach Sonnenaufgang zu spüren. Ich dusche und schleiche mich aus der Wohnung zu meinem Wagen. Dann fahre ich im Rückwärtsgang die Auffahrt hinunter, bis ich die Straße erreicht habe.

Ich bin auf dem Weg in ein Yuppie-Cafe, wo es Bagels gibt und jeden Tag eine andere Kaffeemischung empfohlen wird. Ich kaufe mir eine dicke Sonntagszeitung und setze mich damit an einen Tisch im Hintergrund. Einige Themen interessieren mich besonders.

Zum viertenmal hintereinander ist die Titelseite voll von Belichten über das Raddampferunglück. Einundvierzig Teenager sind dabei ums Leben gekommen. Die Anwälte haben bereits begonnen, Klagen einzureichen.

Das zweite, diesmal im Lokalteil, ist die neueste Folge von kritischen Berichten über Korruption bei der Polizei im allgemeinen und die Beziehungen zwischen der Oben-ohne-Bran-che und den Gesetzeshütern im besonderen. Bruisers Name kommt auch ein paarmal vor, als Anwalt von Willie McSwane, einem der Bosse des organisierten Verbrechens, und ebenfalls als Anwalt von Bennie Thomas, auch Prince genannt, einem Gaststättenbesitzer hier in der Stadt, gegen den die Bundesbehörden nicht zum erstenmal ermitteln. An anderer Stelle wird Bruiser selber als Verdächtiger genannt.

Ich kann den Zug geradezu kommen hören. Die Geschworenenkammer tagt nun schon seit einem Monat ununterbrochen. Fast täglich stehen Berichte darüber in der Zeitung. Deck wird immer nervöser.

Das dritte ist eine totale Überraschung. Auf der letzten Seite des Wirtschaftsteils findet sich ein kleiner Artikel mit der Überschrift: ANWALTSEXAMEN — 161 ERFOLGREICH BESTANDEN. Es folgt eine drei Absätze lange Verlautbarung des Prüfungsausschusses, dann — in sehr kleinem Druck — eine alphabetische Liste all derer, die das Examen bestanden haben.

Ich halte mir die Zeitung dichter vor die Augen und lese aufgeregt. Da bin ich! Es stimmt. Es ist nicht nur ein Irrtum irgendeiner Sekretärin. Ich habe das Anwaltsexamen bestanden! Ich überfliege die Namen, von denen ich viele drei Jahre lang gut gekannt habe.

Ich suche nach Booker Kane, aber sein Name steht nicht da. Ich schaue ein zweites und dann noch ein drittes Mal hin, und meine Schultern sacken herunter. Ich lege die Zeitung auf den Tisch und lese laut sämtliche Namen. Kein Booker Kane.

Gestern abend hätte ich ihn fast angerufen, nachdem Miss Birdies Gedächtnis wieder zum Leben erwacht war und sie mir die wundervolle Neuigkeit mitgeteilt hatte, aber ich habe es einfach nicht fertiggebracht. Da ich bestanden hatte, beschloß ich, abzuwarten, bis Booker mich anruft. Ich dachte mir, wenn er sich in den nächsten Tagen nicht melden würde, wäre ja klar, daß er durchgefallen war.

Jetzt weiß ich nicht, was ich tun soll. Ich kann ihn vor mir sehen, jetzt, in diesem Moment, wie er Charlene hilft, die Kinder für die Kirche anzuziehen, sich ein Lächeln abquält und um Haltung ringt und sie beide davon zu überzeugen versucht, daß es nur ein vorübergehender Rückschlag ist, beim nächsten Anlauf würde er das Examen bestimmt bestehen.

Aber ich weiß, daß er todunglücklich ist. Er ist verletzt und wütend auf sich selbst. Er macht sich Sorgen, was Marvin Shankle wohl dazu sagen wird, und ihm graust davor, morgen ins Büro zu gehen.

Booker ist ein ungeheuer stolzer Mann, der immer geglaubt hat, er könnte alles erreichen. Ich würde nur zu gern zu ihm fahren und gemeinsam mit ihm trauern, aber es würde nicht funktionieren.

Er wird morgen anrufen und mir gratulieren. Nach außen hin wird er so tun, als ließe er sich davon nicht unterkriegen, und nur geloben, es beim nächsten Mal besser zu machen.

Ich lese die Liste noch einmal durch, und plötzlich fällt mir auf, daß Sara Plankmores Name fehlt. Eine Sara Plankmore

Wilcox kommt auch nicht vor. Mr. S. Todd Wilcox hat das Examen bestanden, aber die ihm frisch Angetraute nicht.

Ich lache laut auf. Es ist gemein und niederträchtig, gehässig, kindisch, rachsüchtig, sogar abscheulich. Aber ich kann einfach nicht anders. Sie hat dafür gesorgt, daß sie schwanger wurde, damit sie geheiratet wird, und ich wette, der Druck war zu groß. Sie hatte in den letzten drei Monaten andere Dinge im Kopf, mußte ihre Hochzeit arrangieren und die Einrichtung fürs Kinderzimmer aussuchen. Da hat sie wohl ihre Studien vernachlässigt.

Ha, ha, ha. Nun bin ich doch derjenige, der zuletzt lacht.

Der Betrunkene, der Dan Van Landel angefahren hat, hatte eine Haftpflichtversicherung mit einem Limit von hunderttausend Dollar. Deck hat die Versicherung des Betrunkenen überzeugt, daß Van Landel mit seiner Klage Anrecht auf eine sehr viel höhere Entschädigung hat, und das sieht er ganz richtig. Also hat sich die Versicherung bereit erklärt, mit der gesamten Summe herauszurücken. Bruiser wurde nur in der letzten Minute gebraucht, um mit Klage zu drohen und dergleichen. Deck hat achtzig Prozent der Arbeit erledigt, ich höchstens fünfzehn Prozent. Den Rest billigen wir stillschweigend Bruiser zu. Aber nach dem Vergütungsschema in Bruisers Kanzlei werden weder Deck noch ich am Profit beteiligt sein. Bruiser hat nämlich klare Vorstellungen, was das Hereinholen von Profiten betrifft. Van Landel ist sein Fall, weil er zuerst davon gehört hat. Deck und ich sind zwar ins Krankenhaus gefahren, um seine Unterschrift zu besorgen, aber das ist sowieso unsere Aufgabe als Bruisers Angestellte. Wenn wir den Fall als erste aufgetan und uns den Vertrag gesichert hätten, ja dann stünde uns ein Teil des Honorars zu.

Bruiser ruft uns beide in sein Büro und macht die Tür zu. Er gratuliert mir zum bestandenen Anwaltsexamen. Er selber hat auch gleich beim ersten Anlauf bestanden; ich bin sicher, daß sich Deck dabei noch dämlicher vorkommt. Aber Deck läßt sich nichts anmerken, hält den Kopf ununterbrochen zur Seite geneigt und leckt sich über die Zähne. Bruiser plaudert einen Moment über den Van-Landel-Vergleich. Er hat heute morgen den Scheck über hunderttausend Dollar bekommen, und die Van Landels werden am Nachmittag zur Auszahlung erscheinen. Na ja, und da hat er sich gedacht, daß, vielleicht, auch wir etwas von dem Geschäft haben sollten.

Deck und ich tauschen nervöse Blicke.

Bruiser meint, das sei für ihn bisher ohnehin ein gutes Jahr gewesen, er hätte schon jetzt mehr Geld eingenommen als im ganzen Vorjahr zusammen, und er möchte doch, daß seine Leute glücklich sind. Außerdem sei es ein sehr schneller Vergleich gewesen. Er selbst habe weniger als sechs Stunden daran gearbeitet.

Deck und ich fragen uns, was er in diesen sechs Stunden gemacht hat.

Und deshalb, aus reiner Herzensgüte, will er uns beteiligen. Sein Anteil ist ein Drittel, also dreiunddreißigtausend Dollar, aber er wird nicht die gesamte Summe für sich behalten. Er wird sie mit uns teilen.»Ich gebe euch ein Drittel von meinem Anteil, von dem jeder die Hälfte bekommt.«

Deck und ich rechnen stumm. Ein Drittel von dreiunddreißigtausend Dollar sind elftausend, und die Hälfte davon sind fünftausendfünfhundert.

Ich schaffe es, keine Miene zu verziehen, und sage:»Danke, Bruiser. Das ist sehr großzügig.«

«Keine Ursache«, sagt er, als wären derartige Gunstbezeigungen für ihn die alltäglichste Sache der Welt.»Nehmen Sie es als Geschenk zum bestandenen Examen.«

«Danke.«