«Ja, danke«, sagt Deck. Wir sind beide verblüfft, aber wir denken auch beide, daß Bruiser immerhin zweiundzwanzig-tausend Dollar für sich behält, für sechs Stunden Arbeit. Das macht so an die dreitausendfünfhundert Dollar pro Stunde.
Aber ich habe mit keinem roten Heller gerechnet und komme mir plötzlich reich vor.
«Gute Arbeit, Leute. Und jetzt seht zu, daß ihr noch ein paar Mandanten ranschafft.«
Wir nicken gleichzeitig, Ich zähle mein Geld und überlege mir, wie ich es ausgeben werde. Deck tut zweifellos dasselbe.
«Sind wir bereit für morgen?«fragt Bruiser mich. Um neun
Uhr findet vor dem Ehrenwerten Richter Harvey Hale die Anhörung über den Antrag auf Klageabweisung von Great Benefit statt. Bruiser hat mit dem Richter ein sehr unerfreuliches Gespräch über diesen Antrag geführt, und wir sehen der Anhörung mit gemischten Gefühlen entgegen.
«Ich denke schon«, erwidere ich mit einem Anfug von Nervosität. Ich habe ihnen eine von mir selbst verfaßte, dreißig Seiten lange Erwiderung zukommen lassen, worauf Drummond und Genossen umgehend mit einer Erwiderung der Erwiderung reagierten. Bruiser hat Hale angerufen, und das Gespräch lief denkbar schlecht.
«Es könnte sein, daß ich einen Teil der Verhandlung Ihnen überlasse, also bereiten Sie sich vor«, sagt Bruiser. Ich schlucke schwer. Der Anflug von Nervosität verwandelt sich in Panik.
«Machen Sie sich an die Arbeit«, setzt er hinzu.»Es wäre peinlich, wenn wir den Fall schon beim Antrag auf Klageabweisung verlieren würden.«
«Ich bin auch mit dem Fall befaßt«, setzt Deck hilfsbereit hinzu.
«Gut. Wir gehen alle drei zum Gericht. Die anderen werden wahrscheinlich mit zwanzig Mann aufkreuzen.«
Plötzlicher Reichtum ruft ein Verlangen nach den besseren Dingen des Lebens hervor. Deck und ich beschließen, auf unseren üblichen Lunch aus Suppe und Sandwich bei Trudy's zu verzichten und statt dessen in einem nahe gelegenen Steak House zu essen. Wir bestellen Filet.
«Das hat er noch nie gemacht, daß er sein Geld mit anderen teilt«, sagt Deck unruhig. Wir sitzen in einer Nische im Hintergrund eines ziemlich düsteren Speiseraums. Es ist ausgeschlossen, daß jemand hören kann, was wir sagen, aber er ist trotzdem nervös.»Da ist etwas im Busche, Rudy. Da bin ich ganz sicher. Toxer und Ridge sind auf dem Sprung. Das FBI ist Bruiser dicht auf den Fersen. Er verschenkt Geld. Ich bin nervös, sehr nervös.«
«Okay, aber weshalb? Uns können sie nicht verhaften.«
«Ich mache mir keine Sorgen, daß ich verhaftet werden könnte. Ich mache mir Sorgen um meinen Job.«
«Das verstehe ich nicht. Wenn Bruiser angeklagt und verhaftet wird, dann ist er im Handumdrehen auf Kaution wieder draußen. In der Kanzlei wird alles weiterlaufen wie bisher.«
Das bringt ihn in Fahrt.»Und was ist, wenn sie mit Vorladungen und Eisensägen kommen? Das können sie nämlich. Wäre nicht das erste Mal bei einem Fall, bei dem es um organisiertes Verbrechen geht. Die Feds lieben es, über Anwaltskanzleien herzufallen, Akten zu beschlagnahmen und Computer wegzuschleppen. Leute wie Sie und ich sind denen dabei völlig egal.«
Der Gedanke ist mir offen gestanden noch nie gekommen. Ich nehme an, ich mache einen verblüfften Eindruck.
«Natürlich können sie ihm den Laden dichtmachen«, fährt er fort, jetzt sehr eindringlich.»Und sie würden es mit Freuden tun. Sie und ich, wir geraten in die Schußlinie, und niemand, absolut niemand schert sich drum.«
«Also, worauf wollen Sie hinaus?«
«Lassen Sie uns abhauen!«
Ich setze zu der Frage an, was er denn damit meint, aber es liegt auf der Hand. Deck ist jetzt mein Freund, aber er will viel mehr als das. Ich habe das Anwaltsexamen bestanden, also könnte er bei mir unterschlüpfen. Deck möchte einen Partner! Noch bevor ich etwas sagen kann, geht er zur Attacke über.»Wieviel Geld haben Sie?«fragt er.
«Äh — fünftausendfünfhundert Dollar.«
«Ich auch. Das macht elftausend. Wenn wir jeder zweitausend einbringen, sind das vier. Ein kleines Büro können wir für fünfhundert im Monat mieten, Telefon und anderes Gerät kosten weitere fünfhundert. Wir können uns ein paar billige Möbel besorgen, nichts Ausgefallenes. Wir operieren sechs Monate mit dem allerknappsten Budget und sehen zu, wie es läuft. Ich beschaffe die Fälle, Sie treten vor Gericht auf, wir teilen die Profite. Alles halbe-halbe — Ausgaben, Honorare, Profte, Arbeitszeit.«
Ich fühle mich völlig überrumpelt, aber ich denke mit.»Was ist mit einer Sekretärin?«
«Brauchen wir nicht«, sagt er rasch. Deck hat sich alles gründlich überlegt.»Jedenfalls nicht zu Anfang. Wir können das Telefon selber bedienen und ansonsten einen Anrufbeantworter anschließen. Ich kann tippen. Sie können tippen. Es wird funktionieren. Und wenn wir ein bißchen Geld gemacht haben, können wir auch ein Mädchen einstellen.«
«Wie hoch werden die Unkosten sein?«
«Weniger als zweitausend. Miete, Telefon, Büromaschinen, Material, Kopien und x andere kleine Posten. Aber wir können sparen und billig operieren. Wir halten die Kosten so niedrig wie möglich und sehen zu, daß Geld hereinkommt. Es ist ganz simpel. «Er mustert mich, während er einen Schluck Eistee trinkt, dann beugt er sich wieder vor.»Hören Sie, Rudy, so, wie ich es sehe, haben wir gerade zweiundzwanzigtausend Dollar auf dem Tisch liegen gelassen. Von Rechts wegen hätten wir mit dem gesamten Honorar abziehen müssen, und das hätte unsere Unkosten für ein Jahr gedeckt. Lassen Sie uns unsere eigene Show aufziehen und das ganze Geld behalten.«
Die Ethik verbietet es Anwälten, mit Nicht-Anwälten eine Partnerschaft einzugehen. Ich bin im Begriff, das zu erwähnen, doch dann wird mir klar, wie sinnlos es wäre. Deck würde ein Dutzend Ausreden einfallen.
«Die Miete kommt mir billig vor«, sage ich, nur um irgend etwas zu sagen und auch, um zu erfahren, wieviel Vorarbeit er bereits geleistet hat.
Er kneift die Augen zusammen und lächelt. Die Biberzähne funkeln.»Ich habe schon etwas gefunden. In einem alten Gebäude an der Madison über einem Antiquitätenladen. Vier Zimmer, Toilette, genau in der Mitte zwischen dem städtischen Gefängnis und St. Peter's.«
Der ideale Standort! Die Traumlage jedes Anwalts.»Das ist eine ziemlich rauhe Gegend«, sage ich.
«Was glauben Sie, weshalb die Miete so niedrig ist?«
«Ist es in gutem Zustand?«
«Es geht so. Wir würden es streichen müssen.«
«Im Streichen hab ich Übung.«
Unsere Salate kommen, und ich stopfe Grünzeug in mich hinein. Deck stochert in seinem Salat herum, ißt aber kaum etwas. Seine Gedanken überschlagen sich zu sehr, als daß er sich aufs Essen konzentrieren könnte.
«Ich muß etwas unternehmen, Rudy. Ich weiß Dinge, von denen ich Ihnen nichts sagen darf, okay? Sie können mir also glauben, wenn ich sage, daß Bruiser ein schwerer Sturz bevorsteht. Sein Glück hat ihn verlassen. «Er hält inne und stochert auf eine Walnuß ein.»Wenn Sie sich nicht mit mir zusammentun wollen, muß ich heute nachmittag mit Nicklass reden.«
Nach Toxer und Ridge ist Nicklass der einzige, der noch übrig ist, und ich weiß, daß Deck ihn nicht ausstehen kann. Außerdem bin ich ziemlich überzeugt, daß Deck, was Bruiser angeht, die Wahrheit sagt. Man braucht nur alle paar Tage mal eine Zeitung durchzublättern, um zu wissen, daß der Mann in ernsthaften Schwierigkeiten steckt. Deck war in den letzten Jahren sein loyalster Angestellter, und die Tatsache, daß er auf dem Absprung ist, gibt mir schwer zu denken.
Wir essen langsam und schweigend und denken beide über unsere nächsten Schritte nach. Noch vor vier Monaten wäre mir die Idee, mit jemandem wie Deck in einer Kanzlei zu arbeiten, undenkbar vorgekommen, ja sogar lächerlich, und jetzt sitze ich hier und kann mir nicht einmal genügend Einwände ausdenken, um ihn daran zu hindern, mein Partner zu werden.
«Wollen Sie mich nicht als Partner haben?«fragt er kläglich.
«Ich bin noch am Überlegen, Deck. Lassen Sie mir ein bißchen Zeit. Ich bin wie vor den Kopf geschlagen.«