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«Werden sie noch höher gehen?«fragt er. Das ist eine Frage, über die Deck und ich gestern beim Lunch debattiert haben. Great Benefit hat einen bemerkenswerten Sprung getan von null auf fünfundsiebzigtausend. Wir vermuten beide, daß sie bis auf hunderttausend heraufgehen würden, aber ich werde mich hüten, vor meinen Mandanten genauso optimistisch zu sein.

«Ich bezweifle es«, sage ich.»Wir könnten es versuchen. Mehr als nein sagen können sie nicht.«

«Wieviel würden Sie bekommen?«fragt er. Ich erkläre ihm unseren Vertrag, daß mein Anteil ein Drittel beträgt.

Er sieht seine Mutter an und sagt:»Das wären fünfzigtausend für dich und Dad.«

«Was sollen wir mit fünfzigtausend Dollar?«fragt sie ihn.

«Das Haus abzahlen. Einen neuen Wagen kaufen. Etwas fürs Alter beiseite legen.«

«Ich will ihr verdammtes Geld nicht.«

Donny Ray schließt die Augen und macht ein kurzes Nik-kerchen. Ich betrachte die Flaschen und Gläser mit den Medikamenten. Als er aufwacht, berührt er meinen Arm, versucht, ihn zu drücken, und sagt:»Möchten Sie den Vergleich abschließen, Rudy? Ein Teil des Geldes würde Ihnen gehören.«

«Nein. Das möchte ich nicht«, sage ich entschieden. Ich sehe ihn an, dann sie. Sie hören aufmerksam zu.»Sie würden uns das Geld nicht anbieten, wenn sie nicht nervös wären. Ich will diese Leute bloßstellen.«

Ein Anwalt ist verpflichtet, seinen Mandanten den bestmöglichen Ratschlag zu erteilen, ohne Rücksicht auf seine eigenen finanziellen Verhältnisse. Ich habe nicht den geringsten Zweifel, daß ich die Blacks dazu überreden könnte, dem Vergleich zuzustimmen. Mit nur wenig Mühe könnte ich sie davon überzeugen, daß Richter Hale im Begriff ist, uns den Teppich unter den Füßen wegzuziehen, und daß das Geld jetzt auf dem Tisch liegt, aber bald für immer verschwunden sein wird. Ich könnte ihnen ein regelrechtes Horrorszenario ausmalen.

Auf diesen Leuten ist schon so viel herumgetrampelt worden, sie würden es ohne weiteres glauben.

Es wäre ganz leicht. Und ich würde mit fünfundzwanzig-tausend Dollar abziehen, einem Honorar, das ich mir im Moment kaum vorstellen kann. Aber ich habe der Versuchung widerstanden. Heute nacht in der Hängematte habe ich gegen sie angekämpft, und jetzt bin ich ruhig und in Frieden mit mir selbst.

Zu diesem Zeitpunkt würde nicht viel dazugehören, mich aus dem Anwaltsberuf zu vertreiben. Bevor ich meine Mandanten verkaufe, würde ich lieber noch einen Schritt weitergehen und ganz aufhören.

Ich lasse Dot in Donny Rays Zimmer zurück und hoffe von ganzem Herzen, daß ich nicht morgen mit der Nachricht zurückkehren muß, daß unser Fall abgewiesen wurde.

In der näheren Umgebung von St. Peter's gibt es mindestens vier weitere Krankenhäuser, Studieneinrichtungen für Ärzte und Zahnärzte und zahllose Arztpraxen. Alles, was in Memphis irgendwie mit Medizin zu tun hat, hat sich in einem Areal von sechs Blocks zwischen Union und Madison niedergelassen. An der Madison selbst, direkt gegenüber von St. Peter's, steht ein achtstöckiges Gebäude, das sogenannte Peabody Medical Arts Building. Über die Straße führt ein geschlossener Fußgängertunnel, durch den die Ärzte von ihren Praxen ins Krankenhaus und wieder zurück gelangen können. Das Gebäude beherbergt ausschließlich Ärzte, und einer davon ist Dr. Eric Craggdale, ein Orthopäde. Seine Praxis liegt im dritten Stock.

Ich habe gestern mehrmals anonym in seiner Praxis angerufen und herausgefunden, was ich wissen wollte. Ich warte in der großen Halle von St. Peter's, ein Stockwerk oberhalb der Straße, und beobachte den Parkplatz des Peapody Medical Arts Building. Zwanzig Minuten vor elf sehe ich, wie ein alter VW Käfer von der Madison auf den dicht besetzten Parkplatz abbiegt. Kelly steigt aus.

Sie ist allein, genau wie ich erwartet hatte. Vor einer Stunde habe ich ihren Mann bei seiner Firma ans Telefon rufen lassen und aufgelegt, als er an den Apparat kam. Ich kann kaum ihren Scheitel sehen, als sie sich abmüht, aus dem Wagen auszusteigen. Sie hinkt an Krücken zwischen den Wagenreihen hindurch auf das Gebäude zu.

Ich fahre mit dem Fahrstuhl ein Stockwerk höher, dann überquere ich die Madison in der gläsernen Röhre, die über sie hinwegführt. Ich bin nervös, habe es aber nicht eilig.

Das Wartezimmer ist überfüllt. Sie sitzt mit dem Rücken zur Wand und blättert in einer Zeitschrift. Ihr gebrochener Knöchel steckt jetzt in einem Gehgips. Der Stuhl rechts neben ihr ist frei, und ich sitze darauf, bevor sie begriffen hat, daß ich es bin.

Zunächst macht sie ein entsetztes Gesicht, doch dann strahlt sie mich freundlich an. Sie schaut sich nervös um. Niemand beachtet uns.

«Lesen Sie einfach weiter in Ihrer Zeitschrift«, flüstere ich und schlage einen National Geographie auf. Sie hebt ein Exemplar von Vogue bis fast auf Augenhöhe und fragt:»Was tun Sie hier?«

«Rückenprobleme.«

Sie schüttelt den Kopf und sieht sich um. Die Dame neben ihr würde liebend gern zu uns rüberstarren, aber ihr Hals steckt in einem Stützverband. Wir kennen beide keine Menschenseele in diesem Raum, also weshalb sollten wir uns Sorgen machen?» Wer ist Ihr Arzt?«fragt sie.

«Craggdale«, erwidere ich.

«Sehr komisch. «Kelly Riker war schön in einem einfachen Krankenhausnachthemd, mit einem blauen Fleck im Gesicht und ohne Make-up. Jetzt ist es mir unmöglich, die Augen von ihrem Gesicht abzuwenden. Sie trägt ein weißes, leicht gestärktes Baumwollhemd von der Art, die Studentinnen gern von ihren Freunden ausleihen, und aufgekrempelte KhakiShorts. Das dunkle Haar fällt ihr über die Schultern.

«Ist er gut?«frage ich.

«Ein Arzt wie andere auch.«

«Waren Sie schon einmal bei ihm?«

«Hören Sie auf, Rudy. Darüber rede ich nicht. Sie sollten besser verschwinden. «Ihre Stimme ist leise, aber bestimmt.

«Wissen Sie, darüber habe ich nachgedacht. Ich habe sogar eine Menge Zeit damit verbracht, über Sie nachzudenken und darüber, was ich tun sollte. «Ich halte inne, weil ein Mann in einem Rollstuhl vorbeirollt.

«Und?«sagt sie.

«Ich weiß es immer noch nicht.«

«Ich meine, Sie sollten aus meinem Leben verschwinden.«

«Das ist doch nicht Ihr Ernst?«

«Doch, das ist es.«

«Ist es nicht. Sie wollen, daß ich in Ihrer Nähe bleibe, mit Ihnen Verbindung halte, Sie hin und wieder anrufe, damit Sie, wenn er Ihnen das nächste Mal ein paar Knochen bricht, jemanden haben, der sich um Sie sorgt. Das ist es, was Sie wollen.«

«Es wird kein nächstes Mal geben.«

«Warum nicht?«

«Weil er jetzt anders ist. Er versucht, mit dem Trinken aufzuhören. Er hat versprochen, daß er mich nicht wieder schlagen wird.«

«Und Sie glauben ihm?«

«Ja, das tue ich.«

«Das hat er früher auch schon versprochen.«

«Weshalb gehen Sie nicht? Und rufen Sie mich nicht an, okay? Das macht alles nur noch schlimmer.«

«Wieso? Weshalb macht das alles nur noch schlimmer?«

Sie zögert eine Sekunde, läßt die Zeitschrift in ihren Schoß sinken und sieht mich an.»Weil ich, je mehr Zeit vergeht, um so weniger an Sie denke.«

Es ist wirklich erfreulich zu wissen, daß sie an mich gedacht hat. Ich greife in die Tasche und hole eine Visitenkarte heraus, eine mit meiner alten Adresse, der, die jetzt von verschiedenen Behörden der Regierung der Vereinigten Staaten abgesperrt und versiegelt worden ist. Ich schreibe meine Telefonnummer auf die Rückseite und gebe sie ihr.»Abgemacht. Ich werde Sie nicht wieder anrufen. Falls Sie mich brauchen sollten, das ist meine Privatnummer. Wenn er Ihnen etwas antut, will ich es erfahren.«

Sie nimmt die Karte. Ich küsse sie schnell auf die Wange, dann verlasse ich das Wartezimmer.

Im sechsten Stock des gleichen Gebäudes befindet sich eine große Onkologenpraxis. Dr. Walter Kord ist Donny Rays behandelnder Arzt, was zu diesem Zeitpunkt bedeutet, daß er ihm ein paar Tabletten und andere Medikamente verschreibt und darauf wartet, daß er stirbt. Kord hat die anfängliche Chemotherapie veranlaßt und die Tests vorgenommen, die ergaben, daß Ron Black für eine Knochenmarkstransplantation bei seinem Zwillingsbruder der ideale Spender gewesen wäre. Beim Prozeß wird er ein wichtiger Zeuge sein, vorausgesetzt, daß es überhaupt dazu kommt.