Ich hasse mich selbst, daß ich so etwas denke.
Cliff ist am Schlagmal. Er schickt den dritten Schlag weit nach links über die Lichter hinweg außer Sichtweite. Es ist wirklich ein Mordsschlag. Er macht sich in aller Ruhe auf den Weg um die Bases und ruft Kelly etwas zu, als er bei der dritten stehenbleibt. Er ist ein begabter Sportler, viel besser als alle seine Mitspieler. Ich kann mir nicht einmal vorstellen, wie schrecklich es wäre, von diesem Mann mit seinem Softballschläger angegriffen zu werden.
Vielleicht hat er mit dem Trinken aufgehört, und vielleicht wird er in nüchternem Zustand nicht mehr auf seine Frau einschlagen. Vielleicht ist es an der Zeit, daß ich von der Bildfläche verschwinde.
Nach einer Stunde will Donny Ray ins Bett. Auf der Rückfahrt unterhalten wir uns über seine Aussage. Ich habe heute einen Antrag eingereicht und darum gebeten, seine Aussage, eine, die vor Gericht Gültigkeit hat, so bald wie möglich aufnehmen zu dürfen. Mein Mandant wird bald zu schwach sein, um eine zweistündige Frage-und-Antwort-Sitzung mit einem Haufen von Anwälten durchzustehen; also müssen wir uns beeilen.
«Wir sollten es besser bald tun«, sagt er leise, als wir in seine Auffahrt einbiegen.
Kapitel 27
Wenn ich nicht so nervös wäre, könnte ich wahrscheinlich darüber lachen. Ich bin sicher, ein unbeteiligter Beobachter würde die Komik der ganzen Szene erkennen, aber niemand im Gerichtssaal lächelt. Ich schon gar nicht.
Ich sitze allein an meinem Anwaltstisch und habe die Berge von Anträgen und Schriftsätzen säuberlich vor mir aufgestapelt. Meine Notizen und Querverweise stehen auf zwei Notizblöcken, die, strategisch arrangiert, in Griffweite vor mir liegen. Deck sitzt hinter mir, nicht am Tisch, wo er mir von einigem Nutzen sein könnte, sondern auf einem Stuhl hinter der Schranke, mindestens drei Armlängen entfernt, so daß es aussieht, als wäre ich allein.
Ich komme mir sehr vereinsamt vor.
Der Tisch der Verteidigung auf der anderen Seite des schmalen Ganges ist voll besetzt. Leo F. Drummond sitzt, natürlich in der Mitte, mit dem Gesicht zum Richtertisch, flankiert von seinen Mitarbeitern, zwei an jeder Seite. Drummond ist sechzig Jahre alt, hat in Yale Jura studiert und verfügt über sechsunddreißig Jahre Prozeßerfahrung. T. Pierce Morehouse, ebenfalls ein Yale-Absolvent, ist neununddreißig und Partner bei Trent & Brent mit vierzehn Jahren umfassender Prozeßerfahrung. B. Dewey Clay Hill der Dritte ist einunddreißig, Columbia, bisher noch kein Partner, sechs Jahre Prozeßerfahrung. M. Alec Plunk Junior ist achtundzwanzig, zwei Jahre Erfahrung, und er tritt, da bin ich mir sicher, im Zusammenhang mit diesem Fall vor allem deshalb zum ersten Mal in Erscheinung, weil er in Harvard studiert hat. Der Ehrenwerte Tyrone Kipler, der den Vorsitz hat, war auch in Harvard. Kipler ist schwarz. Plunk ebenfalls. In Memphis gibt es nicht viele schwarze Juristen, die in Harvard studiert haben. Trent & Brent verfügt zufällig über einen davon, also sitzt er jetzt hier, damit er sich wenn möglich mit Seinen Ehren verbünden kann. Und außerdem: Wenn alles so läuft wie erwartet, wird eines Tages dort drüben eine Jury sitzen. Die Hälfte der eingetragenen Wähler in diesem Land ist schwarz, also steht zu vermuten, daß auch etwa die Hälfte der Geschworenen schwarz sein wird. Dann, so hofft man, wird man über M. Alec Plunk Junior eine Vertrauensbasis schaffen und zu einer stillschweigenden Übereinkunft gelangen.
Ich habe nicht den geringsten Zweifel, daß Trent & Brent, falls zufällig eine Frau aus Kambodscha in der Jury sitzen sollte, einfach kurz die Mitarbeiterliste durchgehen und beim nächsten Gerichtstermin ebenfalls mit einer Kambodschanerin aufkreuzen würde.
Der fünfte im Verteidigerteam von Great Benefit ist Brandon Fuller Grone, ein bedauernswerter Mann, der keine Initialien vor und Zahlen hinter dem Namen hat. Ich kann einfach nicht verstehen, weshalb er sich nicht B. Fuller Grone nennt, wie es sich für einen wirklich bedeutenden Anwalt gehört. Er ist siebenundzwanzig und hat vor zwei Jahren an der Memphis State als Erster seines Jahrgangs abgeschlossen. Er war eine Legende, als ich mit dem Studium anfing, und ich habe für die Prüfungsvorbereitungen im ersten Jahr seine alten Exposes benutzt.
Wenn man die zwei Jahre außer acht läßt, die M. Alec Plunk Junior als Mitarbeiter eines Bundesrichters verbracht hat, dann sitzen am Tisch der Verteidigung achtundfünfzig Jahre geballte Gerichtserfahrung.
Ich habe meine Anwaltslizenz vor weniger als einem Monat erhalten. Mein Mitarbeiter ist sechsmal beim Anwaltsexamen durchgefallen.
All diese Berechnungen habe ich gestern abend angestellt, während ich mich durch die Bibliothek der Memphis State hindurchwühlte, einen Ort, den ich offenbar nicht abschütteln kann. Die Kanzlei von Rudy Baylor besitzt den großartigen Bestand von siebzehn juristischen Büchern, sämtlich Überbleibsel vom Studium und praktisch wertlos.
Hinter den Anwälten sitzen zwei Männer, die eher den Eindruck von Firmenvertretern machen. Sie sind vermutlich leitende Mitarbeiter von Great Beneft. Einer kommt mir bekannt vor. Ich glaube, er war dabei, als ich gegen den Antrag auf
Klageabweisung plädiert habe. Damals habe ich nicht sonderlich auf ihn geachtet, und auch jetzt kümmern mich diese Männer herzlich wenig. Ich habe so schon genug im Kopf.
Ich bin ziemlich angespannt, aber wenn Harvey Hale da oben sitzen würde, wäre ich ein Wrack. Wahrscheinlich wäre ich dann überhaupt nicht hier.
Aber den Vorsitz hat der Ehrenwerte Tyrone Kipler. Er hat mir gestern am Telefon gesagt — wir telefonieren in letzter Zeit häufig miteinander —, daß dies sein erster Tag im Amt sein wird. Er hat ein paar Anordnungen unterschrieben und einige andere kleine Routinejobs erledigt, aber dies ist die erste Verhandlung, bei der er präsidieren wird.
Am Tag, nachdem Kipler vereidigt worden war, hat Drummond den Antrag gestellt, den Fall an ein Bundesgericht zu überweisen. Er behauptet, Bobby Ort, der Agent, der den Blacks die Police verkauft hat, wäre völlig zu Unrecht als Beklagter aufgeführt worden. Wir vermuten, daß Ort nach wie vor in Tennessee ansässig ist. Er ist einer der Beklagten. Die Blacks, gleichfalls in Tennessee ansässig, sind die Kläger. Eine Klage ist nur dann Sache des Bundesgerichts, wenn die Prozeßparteien ihren Wohnsitz in verschiedenen Staaten haben. Auf Ort trifft das nicht zu, da er, wie wir annehmen, hier lebt, und schon deshalb ist das Bundesgericht für diesen Fall absolut nicht zuständig. Um die Behauptung zu untermauern, daß Ort nicht zu den Beklagten gehören sollte, hat Drummond einen dicken Schriftsatz eingereicht.
Solange Harvey Hale den Vorsitz hatte, war das Bezirksgericht der ideale Ort, um Gerechtigkeit zu suchen. Aber nachdem nun Kipler den Fall übernommen hat, kann man offenbar nur vor einem Bundesgericht nach Wahrheit und Gerechtigkeit suchen. Das wirklich Verblüffende an Drummonds Antrag war das Timing. Kipler empfand die Sache als persönlichen Affront. Ich pflichtete ihm von ganzem Herzen bei.
Jetzt warten wir alle nur noch darauf, unsere diversen Anträge vertreten zu können. Drummond hat also sein Gesuch, den Fall an ein anderes Gericht zu überweisen, und dazu seinen Antrag auf Sicherheitsleistung für die Prozeßkosten und seinen Strafantrag. Der ging mir übrigens dermaßen gegen den Strich, daß ich meinerseits einen Strafantrag gestellt habe, in dem ich erkläre, sein Strafantrag sei unbegründet und niederträchtig. Deck hat mir erklärt, der Kampf um Strafzuwei-sungen entwickele sich bei den meisten Prozessen zu einem Krieg für sich, und es empfiehlt sich deshalb, gar nicht erst damit anzufangen. Ich bin einigermaßen skeptisch, was Decks juristische Ratschläge angeht. Er weiß selber, daß er da seine Grenzen hat. Und wie sagt er doch immer so gern?» Jeder kann eine Forelle braten. Die wirkliche Kunst besteht darin, das verdammte Ding an die Angel zu kriegen.«