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Gott steh uns bei.

Ich treibe mich gern in der Kanzlei des Bezirksgerichts herum, flirte mit den Sachbearbeiterinnen, mache mich mit dem Betrieb vertraut. Die Gerichtsakten sind öffentlich zugänglich und ihre Register im Computer gespeichert. Nachdem ich erst mal heraushatte, wie man mit einem Computer umgeht, machte ich einige Fälle ausfindig, an denen Leo F. Drummond beteiligt war. Der jüngste war achtzehn Monate alt, der älteste acht Jahre. Keiner betraf Great Benefit, aber bei allen ging es um die Verteidigung von Versicherungsgesellschaften. Alle endeten mit einem Prozeß und einem Urteil zugunsten seiner Mandanten.

In den vergangenen drei Wochen habe ich viele Stunden damit verbracht, diese Akten zu studieren, mir seitenweise Notizen gemacht und Hunderte von Kopien. Mit Hilfe dieser Akten habe ich eine umfassende Liste von Beweismittelanforderungen aufgestellt, schriftlichen Fragen, die eine Partei der anderen übersendet und die diese schriftlich und beeidet beantworten muß. Es gibt unzählige Möglichkeiten, derartige Beweismittelanforderungen zu formulieren, und ich habe mich dabei ertappt, daß ich mir seine zum Vorbild nahm. Ich wühlte mich durch die Akten und machte mir eine lange Liste der Dokumente, die ich von Great Benefit anzufordern gedenke. In einigen dieser Fälle war Drummonds Gegner recht gut, in anderen ziemlich erbärmlich. Aber Drummond scheint immer die Oberhand behalten zu haben.

Ich studiere seine Plädoyers, seine Schriftsätze, seine Anträge, seine schriftlichen Beweisaufnahmen und seine Reaktionen auf die entsprechenden Dokumente der Kläger. Nachts im Bett lese ich seine Zeugenvernehmungen. Ich präge mir seine Vorgehensweise in Vorverhandlungen ein. Ich lese sogar seine Briefe an das Gericht.

Nach einem Monat voller subtiler Andeutungen und sanften Zuredens gelang es mir schließlich, Deck zu einem kurzen Ausflug nach Atlanta zu bewegen. Er hat dort zwei Tage lang ein bißchen auf den Busch geklopft und die Nächte in einem sehr billigen Motel verbracht. Die Fahrt hatte geschäftliche Gründe.

Heute ist er zurückgekehrt mit den Nachrichten, die ich erwartet hatte. Miss Birdies Vermögen belauft sich auf etwas über zweiundvierzigtausend Dollar. Ihr Ehemann hat tatsächlich einen Bruder in Florida beerbt, aber sein Anteil an dem Nachlaß betrug weniger als eine halbe Million. Bevor er Miss Birdie heiratete, hatte Anthony Murdine zwei weitere Ehefrauen gehabt, die ihm sechs Kinder geschenkt hatten. Die Kinder, die Anwälte und die Steuerbehörde kassierten fast den gesamten Nachlaß. Miss Birdie bekam vierzigtausend, die sie aus irgendeinem Grund in der Treuhandabteilung einer großen Bank in Georgia beließ. Nach fünf Jahren unerschrockenen Investierens ist das Kapital um ungefähr zweitausend Dollar gewachsen.

Es war nur ein Teil der Gerichtsakte versiegelt, und deshalb konnte Deck der Sache nachgehen und genügend Leute belästigen, um herauszubekommen, was wir wissen wollten.

«Tut mir leid«, sagt er, nachdem er die Ergebnisse seiner Suche zusammengefaßt und mir Kopien von einigen der Gerichtsbeschlüsse ausgehändigt hat.

Ich bin enttäuscht, aber nicht überrascht.

Die Vernehmung von Donny Ray sollte ursprünglich in unserem neuen Büro stattfinden, was mir ziemliches Kopfzerbrechen bereitet hat. Deck und ich arbeiten nicht gerade in einem schmutzigen Loch, aber die Räume sind klein und praktisch kahl. An den Fenstern hängen keine Vorhänge. Die Spülung in der engen Toilette funktioniert nur sporadisch.

Ich schäme mich dieses Ortes ganz und gar nicht, er hat sogar fast etwas Anheimelndes. Eine bescheidene erste Kanzlei für einen jungen Anwalt auf dem Weg nach oben. Aber die Trent-&-Brent-Fritzen werden bestimmt die Nase rümpfen. Sie sind nur das Allerbeste gewohnt, und ich hasse den Gedanken, ihren Snobismus ertragen zu müssen, wenn sie sich herablassen müssen, hier in die Slums herunterzusteigen. Wir haben nicht einmal genügend Stühle, die wir um den schmalen Konferenztisch herum aufstellen könnten.

Am Freitag, dem Tag vor der Vernehmung, teilt Dot mir mit, daß Donny Ray bettlägerig ist und das Haus nicht verlassen kann. Er hat sich Sorgen gemacht wegen seiner Aussage, und das hat ihn geschwächt. Wenn Donny Ray das Haus nicht verlassen kann, gibt es nur einen Ort, wo wir ihn vernehmen können. Ich rufe Drummond an, und er sagt, er könne sich nicht damit einverstanden erklären, die Vernehmung von meiner Kanzlei ins Haus meines Mandanten zu verlegen. Vorschriften wären Vorschriften, und ich müßte die Sache eben verschieben und mit allen Beteiligten einen neuen Termin ausmachen. Tut ihm alles sehr leid. Er würde die Vernehmung natürlich am liebsten bis nach der Beerdigung verschieben. Ich lege auf, dann rufe ich Richter Kipler an. Minuten später ruft Kipler Drummond an, und nach ein paar kurzen Bemerkungen wird die Vernehmung ins Haus von Dot und Buddy Black verlegt. Seltsamerweise will Kipler bei der Vernehmung anwesend sein. Das ist äußerst ungewöhnlich, aber er hat seine Gründe. Donny Ray ist schwerkrank, und dies ist möglicherweise unsere einzige Chance, ihn zu vernehmen. Es hängt also alles von der Zeit ab. Nicht selten kommt es bei Vernehmungen zu heftigen Streitereien zwischen den Anwälten. Oft muß dann zum Telefon gegriffen und der Richter ausfindig gemacht werden, von dem dann erwartet wird, daß er den Streit über eine Konferenzschaltung beilegt. Wenn der Richter unauffindbar ist und der Streit nicht beigelegt werden kann, wird die Vernehmung abgebrochen und zu einem späteren Zeitpunkt erneut angesetzt. Kipler glaubt, daß Drummond und Genossen versuchen könnten, das Verfahren zu torpedieren, indem sie einen sinnlosen Streit vom Zaun brechen und dann empört davonstürmen.

Aber wenn Kipler dabei ist, wird die Vernehmung reibungslos ablaufen. Er wird über Einsprüche entscheiden und dafür sorgen, daß Drummond bei der Sache bleibt. Abgesehen davon, sagt er, ist Samstag, und er hat nichts anderes zu tun.

Außerdem glaube ich, er macht sich Sorgen, wie ich meine erste Zeugenvernehmung überstehen werde. Dazu hat er allen Grund.

Freitag nacht verbringe ich einige schlaflose Stunden damit, mir genau zu überlegen, wie die Vernehmung im Haus der Blacks arrangiert werden kann. Es ist feucht und dunkel, und die Beleuchtung ist grauenhaft, was ein großes Problem ist, weil Donny Rays Aussage auf Video festgehalten werden soll. Die Geschworenen müssen einen Eindruck davon bekommen, wie entsetzlich er aussieht. Das Haus hat nur eine ganz bescheidene Klimaanlage, und die Temperatur beträgt drinnen mehr als dreißig Grad. Ich kann mir einfach nicht vorstellen, wie man fünf oder sechs Anwälte, einen Richter, eine Protokollantin, den Bediener der Videokamera und Donny Ray irgendwo im Haus halbwegs komfortabel unterbringen kann.

Ich hatte Alpträume von Dot, die uns mit riesigen Wolken von blauem Qualm erstickt, und von Buddy im Hintergarten, der leere Ginflaschen gegen die Fenster schleudert. Ich schlief weniger als drei Stunden.

Eine Stunde vor der Vernehmung komme ich beim Haus der Blacks an. Es kommt mir noch kleiner und heißer vor als sonst. Donny Ray sitzt im Bett, in etwas besserer Verfassung, und behauptet, der Herausforderung gewachsen zu sein. Wir haben stundenlang darüber gesprochen, und vor einer Woche habe ich ihm eine ausführliche Liste mit meinen Fragen und dem gegeben, was ich von Drummond erwarte. Er sagt, er wäre bereit, und ich entdecke eine Spur von nervöser Erregung. Dot macht Kaffee und wäscht die Wände ab, schließlich hat man nicht jeden Tag einen Haufen Anwälte und einen Richter zu Besuch. Donny Ray sagt, sie hätte die ganze Nacht geputzt. Buddy durchquert das Wohnzimmer, als ich gerade ein Sofa zurechtrücke. Auch er ist geschrubbt worden. Sein Hemd ist weiß, die Zipfel stecken in der Hose. Ich kann mir vorstellen, wie Dot ihn angekeift haben muß, um das zu erreichen.