Выбрать главу

«Hier sind wir sicher, Deck«, versuche ich ihn zu beruhigen.»Was gibt's?«

«Ich habe Samstag die Stadt verlassen, gleich nach der Vernehmung. Bin nach Dallas geflogen und dann nach Las Vegas, da bin ich im Pacific Hotel abgestiegen.«

Oh, großartig. Er ist auf einer Sauf- und Spieltour gewesen. Und jetzt ist er pleite.

«Gestern morgen bin ich aufgestanden, habe am Telefon mit Bruiser gesprochen, und er hat gesagt, ich soll verschwinden. Die Feds wären mir von Memphis aus gefolgt, und ich sollte verschwinden. Jemand hätte mich ständig überwacht, und ich sollte schleunigst nach Memphis zurückkehren. Ich soll Ihnen sagen, daß die Feds Sie auf Schritt und Tritt überwachen, weil Sie der einzige Anwalt sind, der sowohl für Bruiser als auch für Prince gearbeitet hat.«

Ich trinke einen Schluck Tee, um meinen ausgedörrten Mund anzufeuchten.»Sie wissen, wo… Bruiser ist?«Ich sage das lauter, als ich eigentlich wollte, aber niemand hört zu.

«Nein, das weiß ich nicht«, sagt er und läßt den Blick durch den Raum schweifen.

«Also, ist er in Vegas?«

«Das bezweifle ich. Ich nehme an, er ließ mich nach Vegas kommen, weil die Feds glauben sollten, er wäre dort. Scheint ein naheliegender Ort zu sein für Bruiser, also wird er da bestimmt nicht hingehen.«

Die Welt verschwimmt vor meinen Augen, und in meinem Kopf dreht sich alles. Mir fallen ein Dutzend Fragen auf einmal ein, aber ich kann sie nicht alle stellen. Es gibt eine Menge Dinge, die ich gerne wüßte, aber auch eine Menge, über die ich lieber nicht Bescheid wissen will. Eine Sekunde lang mustern wir uns gegenseitig.

Ich war ehrlich überzeugt, daß Bruiser und Prince inzwischen in Singapur oder Australien wären und niemand je wieder von ihnen hören würde.

«Weshalb hat er sich mit Ihnen in Verbindung gesetzt?«frage ich sehr behutsam.

Er beißt sich auf die Unterlippe, als würde er gleich losweinen. Man kann die Spitzen von seinen vier Biberzähnen sehen. Er kratzt sich am Kopf. Minuten vergehen. Aber die Zeit steht still.»Also«, sagt er, sogar noch leiser,»es sieht so aus, als hätten sie etwas Geld zurückgelassen. Und jetzt wollen sie es haben.«

«Hört sich an, als wären sie nach wie vor beisammen, stimmt's?«

«Das tut es. Und was sollen Sie tun?«

«Also, zu den Details sind wir nicht gekommen. Aber es klang so, als wollten sie, daß wir ihnen helfen, damit sie das Geld bekommen.«

«Wir?«

«Ja.«

«Sie und ich?«

«Ja.«

«Wieviel Geld?«

«Auch davon war nicht die Rede, aber es muß schon 'ne Menge sein, sonst würde ihnen nicht soviel daran liegen.«

«Und wo ist es?«

«Er hat keine Einzelheiten genannt, nur, daß es Bargeld ist und irgendwo eingeschlossen.«

«Und er will, daß wir es holen?«

«Richtig. Ich stelle es mir so vor. Das Geld ist irgendwo hier in der Stadt versteckt, wahrscheinlich ganz in unserer Nähe. Die Feds haben es bisher noch nicht gefunden, also werden sie es wohl auch nicht mehr finden. Bruiser und Prince vertrauen mir und Ihnen, außerdem sind wir jetzt so etwas wie eine halblegitime Kanzlei, nicht einfach zwei Straßengangster, die das Geld klauen würden, sobald sie es sehen. Sie stellen sich vor, daß wir beide das Geld in einen Laster laden und es ihnen bringen, und alle sind glücklich.«

Es ist unmöglich, zu erraten, wieviel von alledem reine Vermutungen von Deck sind und wieviel davon von Bruiser stammt. Ich will es nicht wissen.

Aber ich bin neugierig.»Und was bekommen wir für unsere Mühe?«

«Soweit sind wir nicht gekommen. Auf jeden Fall einen Haufen Geld. Wir könnten unseren Anteil gleich einbehalten.«

Deck hat sich schon alles ausgerechnet.

«Kommt nicht in Frage, Deck. Vergessen Sie's.«

«Ja, ich weiß«, sagt er traurig. Er ergibt sich nach dem ersten Schuß.

«Es ist zu riskant.«

«Ja«

«Im Augenblick hört es sich großartig an, aber wir könnten im Gefängnis landen.«

«Stimmt, klar, aber ich mußte es Ihnen wenigstens sagen«, erklärt er so wegwerfend, als würde er nicht im Traum ernsthaft darüber nachdenken. Der Kellner stellt einen Teller mit Vollkorncrackern und Kichererbsenmus mit Sesam vor uns hin. Wir beobachten ihn beide, bis er wieder verschwunden ist.

Ich habe auch schon darüber nachgedacht, daß ich wahrscheinlich der einzige bin, der nicht nur für einen der Gesuchten, sondern für beide gearbeitet hat, aber ich wäre nie auf die Idee gekommen, daß die Feds mich überwachen könnten. Mir ist der Appetit vergangen. Mein Mund ist immer noch wie ausgetrocknet. Beim kleinsten Geräusch fahre ich zusammen.

Wir ziehen uns beide in unsere Gedanken zurück und starren auf irgendwelche Gegenstände auf dem Tisch. Wir wechseln kein weiteres Wort, bis die Pizza kommt, und essen in absolutem Schweigen. Ich würde gern die Einzelheiten erfahren. Wie hat sich Bruiser mit Deck in Verbindung gesetzt? Wer hat seinen Ausfug nach Vegas bezahlt? War es das erste Mal, daß sie miteinander gesprochen haben, seit die beiden geflüchtet sind? Wird es das letzte Mal gewesen sein? Weshalb ist Bruiser immer noch an mir interessiert?

Zwei Gedanken tauchen aus dem Nebel auf. Erstens, wenn Bruiser genügend Hilfe hatte, um Deck auf seinem Flug nach Vegas im Auge behalten zu lassen, so daß er wissen konnte, daß er auf der ganzen Strecke überwacht wurde, dann wäre er bestimmt auch imstande, Leute anzuheuern, die das Geld aus Memphis herausschaffen können. Weshalb sollte er sich deshalb an uns wenden? Weil es ihm egal ist, ob wir erwischt werden, das ist der Grund. Zweitens, die Feds haben mich nicht verhört, weil sie mich nicht aufschrecken wollten. Es war viel einfacher, mich zu überwachen, weil ich mir ihretwegen keine Gedanken gemacht habe.

Und noch etwas geht mir durch den Kopf. Es besteht nicht der geringste Zweifel, daß mein kleiner Freund da drüben auf der anderen Seite des Tisches in eine ernsthafte Diskussion über das Geld einsteigen wollte. Deck weiß mehr, als er mir gesagt hat, und er hat diese kleine Konferenz nicht in die Wege geleitet, ohne einen Plan zu verfolgen.

Ich bin nicht töricht genug zu glauben, daß er so leicht aufgibt.

Die Tagespost ist ein Ereignis, vor dem ich mich zu furchten lerne. Deck holt sie wie gewöhnlich nach dem Lunch ab und bringt sie mit ins Büro. Da ist ein großer, dicker Umschlag von unseren speziellen Freunden bei Trent & Brent, und ich halte beim Öffnen den Atem an. Es ist Drummonds schriftliche Forderung nach Offenlegung. Er will eine Reihe von formellen Parteienbefragungen, sämtliche dem Kläger oder seinem Anwalt bekannten Dokumente und Einlassungen zu den verschiedensten Fragen. Letzteres ist eine wunderbare Möglichkeit, die gegnerische Partei zu zwingen, innerhalb von dreißig Tagen bestimmte Fakten in schriftlicher Form anzuerkennen oder zu bestreiten. Was innerhalb dieser Frist nicht bestritten wird, gilt für alle Zeiten als anerkannt. In dem ganzen Papierhaufen findet sich auch eine Aufforderung, die Vernehmung von Dot und Buddy Black in vierzehn Tagen in meiner Kanzlei vorzunehmen. Normalerweise, habe ich mir erzählen lassen, machen Anwälte so was am Telefon ab und einigen sich über Zeit und Ort der Vernehmung. Das nennt sich kollegiale Höflichkeit, dauert ungefähr fünf Minuten und bewirkt, daß alles wesentlich glatter läuft. Offensichtlich hat Drummond entweder seine guten Manieren vergessen oder sich für den Kampf mit harten Bandagen entschieden. Ich bin so oder so entschlossen, Zeit und Ort zu ändern. Nicht, daß ich irgendwelche Probleme damit hätte, es ist lediglich eine Sache des Prinzips.

Erstaunlicherweise enthält der Packen keine Anträge. Aber morgen ist auch noch ein Tag.

Schriftliche Forderungen dieser Art müssen binnen dreißig Tagen beantwortet und können gleichzeitig bei Gericht eingereicht werden. Mit meiner eigenen bin ich fast fertig, und Drummonds Schreiben spornt mich zum Handeln an. Ich bin entschlossen, diesem Herrn Großkotz zu zeigen, daß ich auch einen Papierkrieg führen kann. Er wird entweder beeindruckt sein oder einmal mehr feststellen, daß sein Gegner ein Anwalt ist, der sonst nichts zu tun hat.