Die Worte versengen die Luft. Die Anwälte hinter mir sind unglaublich still und schweigsam. Viele von ihnen, vermute ich, haben seit Jahren auf so etwas gewartet.
«Außerdem werden die sechs angeführten Angestellten am Montagmorgen zur Verfügung stehen, und sie werden verfügbar bleiben, bis Mr. Baylor sie entläßt. Diese Gesellschaft ist berechtigt, in Tennessee tätig zu sein. Sie unterliegt in dieser Angelegenheit also meiner Gerichtsbarkeit, und ich weise diese sechs Personen hiermit an, uneingeschränkt zu kooperieren.«
Drummond und Genossen beugen sich noch tiefer über den Tisch und schreiben schneller.
«Weiterhin hat der Kläger Akten und Dokumente angefordert. «Kipler hält einen Moment inne und schaut drohend hinunter auf den Tisch der Verteidigung.»Hören Sie mir gut zu, Mr. Drummond, ich dulde keine krummen Manöver mit den Dokumenten. Ich bestehe auf vollständiger Beibringung, vollständiger Kooperation. Ich werde am Montag und Dienstag ständig in der Nähe meines Telefons sein, und wenn Mr. Baylor mich anruft und mir sagt, daß er die Dokumente, auf die er Anspruch hat, nicht bekommt, dann werde ich dafür sorgen, daß er sie erhält. Haben Sie mich verstanden?«
«Ja, Sir«, sagt Drummond.
«Können Sie dafür sorgen, daß Ihr Mandant das gleichfalls versteht?«
«Ich denke schon.«
Kipler entspannt sich ein wenig und holt einmal tief Luft. Im Gerichtssaal herrscht immer noch absolute Stille.»Wenn ich es mir recht überlege, Mr. Drummond, möchte ich Ihren Prozeßkalender doch gern sehen.«
Drummond hat ihn vor ein paar Minuten selbst angeboten, also kann er jetzt unmöglich ablehnen. Es ist eine dicke, schwarze, in Leder gebundene Chronik des Lebens und der Verpflichtungen eines überaus beschäftigten Mannes. Er ist außerdem sehr privat, und ich vermute, daß Drummond im Grunde nicht vorgehabt hat, ihn dem Richter zu zeigen.
Er trägt ihn stolz zum Podium, überreicht ihn Seinen Ehren und wartet. Kipler überfliegt rasch die Monate, ohne die Einzelheiten zu lesen. Er sucht nach freien Tagen. Drummond steht in der Mitte des Gerichtssaals, in der Nähe des Podiums.
«Mir fällt auf, daß für die am 8. Februar beginnende Woche nichts eingetragen ist.«
Drummond geht zum Richtertisch und schaut in seinen Prozeßkalender, während Kipler ihn über die Kante vorstreckt. Er nickt zustimmend, ohne etwas zu sagen. Kipler gibt ihm das Buch, und Drummond kehrt zu seinem Stuhl zurück.
«Der Beginn des Prozesses in diesem Fall wird hiermit auf Montag, den 8. Februar, festgesetzt«, erklärt Seine Ehren. Ich schlucke schwer, hole tief Luft und versuche, selbstsicher auszusehen. Vier Monate, das hört sich an wie eine sehr lange Zeit und hübsch weit weg, aber für jemanden, der noch nicht einmal einen simplen Blechschaden vor Gericht vertreten hat, ist es beängstigend. Ich habe die Akte ein dutzendmal gelesen. Ich habe die Verfahrensregeln auswendig gelernt und die Vorschriften der Beweisaufnahme. Ich habe zahllose Bücher darüber gelesen, wie man an alle erforderlichen Unterlagen herankommt, wie man Geschworene auswählt, wie man Zeugen ins Kreuzverhör nimmt und wie man Prozesse gewinnt, aber ich habe nicht die geringste Ahnung, wie sich die Dinge am 8. Februar in diesem Gerichtssaal abspielen werden.
Kipler entläßt uns, und ich raffe schnell meine Papiere zusammen und verschwinde. Beim Verlassen des Raums registriere ich ein paar neugierige Blicke von der Galerie der Anwälte, die darauf warten, daß sie an die Reihe kommen.
Wer ist dieser Bursche?
Obwohl er es nie direkt zugegeben hat, weiß ich jetzt, daß Decks beste Bekannte zwei billige Privatdetektive sind, die er bei seiner Arbeit für Bruiser kennengelernt hat. Der eine, Butch, ist ein ehemaliger Polizist, der Decks Vorliebe für Kasinos teilt. Sie fahren ein- oder zweimal pro Woche nach Tunica, um dort Poker und Blackjack zu spielen.
Butch hat irgendwie Bobby Ott ausfindig gemacht, den Agenten und Kassierer, der den Blacks die Police verkauft hat. Er hat ihn im Gefängnis von Shelby County gefunden, wo er zehn Monate wegen ungedeckter Schecks absitzen muß. Weitere Ermittlungen haben ergeben, daß Ott frisch geschieden und bankrott ist.
Deck äußert Enttäuschung, daß ihm dieser Fisch entgangen ist. Ott hat erstklassige juristische Probleme. Damit wäre eine Menge Geld zu verdienen gewesen.
Ein jüngerer Verwaltungsangestellter im Gefängnis holt mich ab, nachdem ein massiger Wärter mit dicken Händen meinen Aktenkoffer und meinen Körper gründlich gefilzt hat. Ich werde zu einem Raum im vorderen Trakt des Hauptgebäudes gebracht. Er ist quadratisch, und hoch oben in allen vier Ecken sind Kameras montiert. Eine Wand in der Mitte trennt die Sträflinge von ihren Besuchern. Wir müssen uns durch ein Gitter hindurch unterhalten, was mir nur recht ist. Ich hoffe, daß dies ein ganz kurzer Besuch werden wird. Nach fünf Minuten wird Ott von der anderen Seite her hereingeführt. Er ist an die Vierzig, Stahlbrille, ganz kurz geschnittenes Haar, ziemlich schmächtig, und trägt einen dunkelblauen Gefängnisoverall. Er läßt sich auf der anderen Seite der Trennwand nieder und mustert mich eingehend. Der Wärter zieht sich zurück, und wir sind allein. Ich schiebe eine Visitenkarte durch eine Öffnung am unteren Ende des Gitters.»Mein Name ist Rudy Baylor. Ich bin Anwalt. «Weshalb hört sich das so bedrohlich an?
Er trägt es mit Fassung, versucht zu lächeln. Dieser Kerl hat sich früher seinen Lebensunterhalt damit verdient, daß er von Tür zu Tür gegangen ist und versucht hat, armen Leuten billige Versicherungen zu verkaufen. Also ist er, trotz seines offensichtlichen Pechs, im Grunde seines Herzens ein freundlicher Mann, der Typ, der Leute beschwatzen kann, damit sie ihn in ihre Häuser lassen.
«Nett, Sie kennenzulernen«, sagt er aus Gewohnheit.»Was führt Sie hierher?«
«Das hier«, sage ich und hole eine Kopie der Klage aus meinem Aktenkoffer. Ich schiebe sie durch die Öffnung.»Das ist eine Klage, die ich im Namen ehemaliger Kunden von Ihnen eingereicht habe.«
«Welchen?«fragt er, nimmt die Klage und betrachtet sie.
«Dot und Buddy Black und ihr Sohn Donny Ray.«
«Great Benefit, wie?«sagt er. Deck hat mir erklärt, daß viele dieser Straßenagenten für mehr als nur eine Gesellschaft arbeiten.»Haben Sie etwas dagegen, wenn ich das lese?«
«Natürlich nicht. Sie sind als Beklagter genannt. Lesen Sie nur.«
Seine Stimme und seine Bewegungen sind sehr bedächtig. Nur keine Energie verschwenden. Er liest sehr langsam, blättert die Seiten sehr zögerlich um. Armer Kerl. Er hat eine Scheidung hinter sich, hat alles andere in einem Konkursverfahren verloren, sitzt wegen Betrugs im Gefängnis, und jetzt erscheine auch noch ich auf der Bildfläche und verklage ihn noch mal auf zehn Millionen.
Aber er wirkt nicht weiter betroffen. Er beendet die Lektüre und legt die Klage auf den Tresen vor sich.»Sie wissen, daß ich durch das Konkursgericht geschützt bin«, sagt er.
«Ja, das weiß ich. «Nicht wirklich. Den Gerichtsunterlagen zufolge hat er im März Konkurs angemeldet, ziemlich genau zwei Monate, bevor ich es getan habe, und ist jetzt entlastet. Ein altes Konkursverfahren verhindert nicht immer künftige Forderungen; aber dieser Punkt ist müßig. Dieser Mann ist so pleite wie ein Flüchtling. Er ist immun.»Wir waren gezwungen, die Klage auf Sie auszudehnen, weil Sie die Police verkauft haben.«