Выбрать главу

Kapitel 35

Deck hat eine Visitenkarte, die ihn als Hilfsanwalt ausweist, eine Tierart, die mir neu ist. Er treibt sich auf den Fluren des Stadtgerichts herum und macht sich an kleine Ganoven heran, die auf ihr erstes Erscheinen vor den verschiedenen Richtern warten. Er sucht sich einen Mann aus, der verängstigt aussieht und ein Blatt Papier in der Hand hält, dann spricht er ihn an. Deck nennt dies den Bussard-Twostep, eine kurze, schnelle Art der Mandantenwerbung, in der es viele der vor dem Stadtgericht herumlungernden Anwälte zur Vollendung gebracht haben. Einmal hat er mich eingeladen, mitzukommen, damit ich lernen kann, wie es gemacht wird. Ich habe abgelehnt.

Derrick Dogan war ursprünglich als Objekt dieser Methode vorgesehen gewesen, aber das Geschäft kam nicht zustande, als er Deck fragte:»Was zum Teufel ist ein Hilfsanwalt?«Deck, der sonst immer eine stereotype Antwort parat hat, schaffte es nicht, diese Frage zu beantworten, und ergriff eilends die Flucht. Aber Dogan behielt die Karte, auf der Decks Name stand. Später am selben Tag hatte Dogan einen Zusammenstoß mit einem zu schnell fahrenden Teenager. Ungefähr vierundzwanzig Stunden nachdem er Deck vor dem Stadtgericht gesagt hatte, er solle sich zum Teufel scheren, wählte Dogan von einem Zimmer in St. Peter's aus die Nummer, die auf der Karte stand. Deck nahm den Anruf im Büro entgegen, wo ich mich gerade durch ein undurchdringliches Labyrinth von Versicherungsdokumenten hindurchkämpfte. Minuten später waren wir in Richtung Krankenhaus unterwegs. Dogan wollte mit einem richtigen Anwalt sprechen, nicht mit einem Hilfsanwalt.

Dies ist ein halbwegs legaler Besuch im Krankenhaus, mein erster. Wir finden Dogan allein mit einem gebrochenen Bein, gebrochenen Rippen, einem gebrochenen Handgelenk und

Schnittwunden und Prellungen im Gesicht. Er ist jung, um die Zwanzig herum, kein Ehering. Ich nehme die Sache in die Hand wie ein richtiger Anwalt, serviere ihm die üblichen routinemäßigen Ermahnungen, daß er sich nicht mit Versicherungsgesellschaften einlassen und zu niemandem etwas sagen soll. Es sind einfach wir gegen sie, und meine Kanzlei bearbeitet mehr Verkehrsunfälle als jede andere in der Stadt. Deck lächelt. Er hat es mir gut beigebracht.

Dogan unterschreibt einen Vertrag und eine Vollmacht, die es uns gestattet, seine Krankenakte einzusehen. Er hat offensichtlich starke Schmerzen, also bleiben wir nicht lange. Sein Name steht auf dem Vertrag. Wir verabschieden uns und versprechen, morgen wiederzukommen.

Gegen Mittag hat Deck eine Kopie des Unfallberichts. Er hat bereits mit dem Vater des Teenagers gesprochen. Sie sind bei State Farm versichert. Obwohl er das besser nicht getan hätte, teilt der Vater Deck mit, daß die Police seines Wissens auf fünfundzwanzigtausend Dollar begrenzt ist. Ihm und seinem Sohn tut das alles furchtbar leid. Kein Problem, sagt Deck, überaus dankbar dafür, daß der Unfall passiert ist.

Ein Drittel von fünfundzwanzigtausend sind achttausend und ein bißchen Kleingeld. Wir gehen zum Lunch in ein wundervolles Restaurant im Peabody, das Dux heißt. Ich trinke Wein. Deck bestellt sich Nachtisch. Es ist der größte Moment in der Geschichte unserer Kanzlei. Drei Stunden lang essen wir und geben unser Geld aus.

Am Donnerstag nach dem Montag, den ich in Cleveland verbracht habe, sitzen wir um halb sechs Uhr nachmittags in Kiplers Gerichtssaal. Seine Ehren hat diesen Zeitpunkt gewählt, damit der große Leo F. Drummond nach einem langen Tag vor Gericht herbeieilen und weitere Schelte einstecken kann. Sein Erscheinen vervollständigt das Team der Verteidigung — alle fünf sind anwesend und wirken hinreichend selbstgefällig, obwohl sie wissen, daß ihnen einiges bevorsteht. Jack Underhall, als Hausanwalt von Great Benefit, ist da, aber die anderen Herren haben es vorgezogen, in Cleveland zu bleiben. Ich kann es ihnen nicht verübeln.

«Ich habe Sie wegen der Dokumente gewarnt, Mr. Drummond«, erklärt Seine Ehren vom Podium herab. Er hat die Sitzung keine fünf Minuten zuvor eröffnet, und Drummond blutet schon jetzt.»Ich dachte, ich hätte mich recht deutlich ausgedrückt, habe es Ihnen, wie Sie wissen, sogar schriftlich in Form einer Anweisung gegeben. Also, was ist passiert?«

Es ist wahrscheinlich nicht Drummonds Schuld. Sein Mandant treibt Spielchen mit ihm, und ich vermute stark, daß er den Burschen in Cleveland bereits seinerseits die Meinung gesagt hat. Leo Drummond ist ein überaus selbstbewußter Mann und kann Demütigungen nur schwer hinnehmen. Er tut mir fast leid. Er steckt mitten in einem Millionen-Dollar-Prozeß vor dem Bundesgericht, schläft vermutlich nachts nur drei Stunden, hat hundert Dinge gleichzeitig im Kopf, und nun wird er über die Straße gezerrt, um die dubiosen Aktionen seines unberechenbaren Mandanten zu verteidigen.

Er tut mir fast leid.

«Dafür gibt es keine Entschuldigung, Euer Ehren«, sagt er, und seine Aufrichtigkeit ist überzeugend.

«Wann haben Sie erfahren, daß diese drei Zeugen nicht mehr für Ihren Mandanten arbeiten?«

«Sonntagnachmittag.«

«Haben Sie versucht, den Anwalt des Klägers zu informieren?«

«Ja, das habe ich. Wir konnten ihn nicht ausfindig machen. Wir haben sogar die Fluggesellschaften angerufen, aber umsonst.«

Ihr hättet es mit Greyhound versuchen sollen.

Kipler zieht eine große Schau ab. Er schüttelt den Kopf und gibt sich entrüstet.»Setzen Sie sich, Mr. Drummond«, sagt er. Ich brauchte bisher den Mund noch nicht aufzumachen.

«Hier ist der Plan, meine Herren«, sagt Seine Ehren.»Übernächsten Montag kommen wir hier für die Vernehmungen wieder zusammen. Für die Beklagte werden folgende Personen anwesend sein: Richard Pellrod, leitender Sachbearbeiter in der Schadensabteilung, Everett Lufkin, Vizepräsident der Schadensabteilung, Kermit Aldy, Vizepräsident der Haftungsabteilung, Bradford Barnes, Vizepräsident der Verwaltungsabteilung, und M. Wilfred Keeley, Generaldirektor. «Kipler hatte mich aufgefordert, eine Wunschliste vorzulegen.

Ich kann fast spüren, wie die Luft aus dem Saal in die Lungen der Jungs auf der anderen Seite des Ganges einströmt.

«Keine Ausreden, keine Verzögerungen, keine Vertagungen. Sie werden natürlich auf eigene Kosten reisen. Sie werden sich für Vernehmungen nach dem Ermessen des Klägers verfügbar halten, bis Mr. Baylor sagt, daß sie entlassen sind. Sämtliche Kosten der Vernehmungen, einschließlich des Honorars für die Protokollantin, werden von Great Benefit getragen. Wir gehen vorerst von drei Tagen für die Vernehmungen aus.

Weiterhin sind dem Vertreter der Anklage Kopien aller Dokumente auszuhändigen, und zwar nicht später als bis Mittwoch nächster Woche, fünf Tage vor den Vernehmungen. Die Dokumente müssen sauber kopiert und in chronologischer Ordnung sein. Zuwiderhandlung wird strenge Sanktionen zur Folge haben.

Da wir gerade von Sanktionen sprechen, weise ich hiermit die Beklagte an, Mr. Baylor die Kosten seiner vergeblichen Reise nach Cleveland zu erstatten. Mr. Baylor, wieviel kostet ein Ticket nach Cleveland und zurück?«

«Siebenhundert Dollar«, erwidere ich wahrheitsgemäß.

«Ist das erste Klasse oder Economy?«

«Economy.«

«Mr. Drummond, Ihre Kanzlei hat vier Anwälte nach Cleveland geschickt. Sind sie erster Klasse oder Economy geflogen?«

Drummond wirft einen Blick auf T. Pierce, der sich windet wie ein Kind, das beim Stehlen erwischt worden ist, dann sagt er:»Erster Klasse.«

«Das dachte ich mir. Wieviel kostet ein Ticket erster Klasse?«

«Dreizehnhundert.«

«Wieviel haben Sie für Unterkunft und Verpflegung ausgegeben, Mr. Baylor?«

In Wirklichkeit weniger als vierzig Dollar. Aber es wäre überaus peinlich, das vor Gericht zuzugeben. Ich wollte, ich wäre in einer Penthouse-Suite abgestiegen.»Ungefähr sechzig Dollar«, sage ich, ein bißchen übertreibend, aber nicht geldgie-rig. Ihre Zimmer haben bestimmt hundertfünfzig Dollar pro Nacht gekostet.