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Kipler notiert sich das mit großer Geste, in seinem Gehirn klickt die Rechenmaschine.»Wie lange sind Sie unterwegs gewesen? Jeweils zwei Stunden?«

«Kann sein«, sage ich.

«Bei zweihundert Dollar die Stunde macht das achthundert Dollar. Weitere Auslagen?«

«Zweihundertfünfzig für die Protokollantin.«

Er schreibt sich alles auf, addiert es, überprüft seine Zahlen und sagt dann:»Ich weise die Beklagte an, Mr. Baylor als Straf-maßnahme die Summe von zweitausendundvierhundertzehn Dollar zu zahlen, und zwar innerhalb von fünf Tagen. Falls das Geld nicht binnen fünf Tagen bei Mr. Baylor eingegangen ist, wird sich die Summe jeden Tag verdoppeln, bis der Scheck vorliegt. Haben Sie das verstanden, Mr. Drummond?«

Ich kann ein Lächeln nicht unterdrücken.

Drummond erhebt sich langsam, in der Taille leicht gebeugt, und streckt die Hände aus.»Ich erhebe Einspruch«, sagt er. Er schmort innerlich, aber er hat sich in der Gewalt.

«Ihr Einspruch ist zur Kenntnis genommen. Ihr Mandant hat fünf Tage.«

«Es gibt keinen Beweis dafür, daß Mr. Baylor erster Klasse geflogen ist.«

Es liegt in der Natur eines Anwalts der Verteidigung, alles zu bestreiten. Haarspalterei gehört zu seinem Handwerk. Außerdem ist sie einträglich. Aber das Geld ist für seinen Mandanten ein Klacks, und Drummond sollte einsehen, daß er damit nichts erreicht.

«Der Flug nach Cleveland und zurück ist offenkundig dreizehnhundert Dollar wert. Und diese Summe hat Ihr Mandant zu zahlen.«

«Mr. Baylor wird nicht stundenweise bezahlt.«

«Wollen Sie damit sagen, daß seine Zeit nichts wert ist?«

«Nein.«

Was er damit sagen will, ist, daß ich nur ein Anfänger und ein Feld-Wald-und-Wiesen-Anwalt bin und meine Zeit bei weitem nicht soviel wert ist wie seine oder die seiner Kumpane.

«Dann werden Sie ihm zweihundert pro Stunde bezahlen. Sie können sich glücklich schätzen. Ich habe daran gedacht, Ihnen sämtliche Stunden zu berechnen, die er in Cleveland verbracht hat.«

So nahe dran!

Drummond schwenkt frustriert die Arme und setzt sich wieder hin. Kipler funkelt auf ihn herunter. Nach ein paar Monaten im Amt ist er bereits berüchtigt für seine Abneigung gegen große Firmen. Er war auch in anderen Fällen mit Sank-honen rasch bei der Hand, und in Juristenkreisen wird eine Menge darüber geredet. Dazu gehört nicht viel.

«Sonst noch etwas?«knurrt er in ihre Richtung.

«Nein, Sir«, sage ich laut, damit alle wissen, daß ich auch noch da bin.

Bei den Verschwörern jenseits des Ganges findet ein kollektives Kopfschütteln statt, und Kipler läßt seinen Hammer niederfahren. Ich raffe rasch meine Papiere zusammen und verlasse den Gerichtssaal.

Mein Abendessen besteht aus einem Sandwich mit Dot. Die Sonne versinkt langsam hinter den Bäumen in ihrem Hintergarten, hinter dem Fairlane, in dem Buddy sitzt und sich weigert, zum Essen hereinzukommen. Sie sagt, er verbringt immer mehr Zeit dort draußen wegen Donny Ray. Es ist nur noch eine Sache von Tagen, bis er stirbt, und Buddys Art, damit fertig zu werden, besteht darin, sich in seinem Wagen zu verstecken und zu trinken. Er verbringt jeden Morgen ein paar Minuten bei seinem Sohn, verläßt sein Zimmer gewöhnlich weinend und versucht dann, für den Rest des Tages jedermann aus dem Wege zu gehen.

Außerdem kommt er in der Regel nicht herein, wenn Besuch da ist. Das kann mir nur recht sein. Und Dot ist es auch recht. Wir unterhalten uns über die Klage, über die Aktionen von Great Benefit und die kaum glaubliche Fairneß von Richter Kipler, aber sie hat das Interesse daran verloren. Die leidenschaftliche Frau, die ich vor sechs Monaten in Cypress Gardens kennengelernt habe, scheint den Kampf aufgegeben zu haben. Damals war sie felsenfest davon überzeugt, daß ein

Anwalt, jeder beliebige Anwalt, sogar ich, Great Benefit dazu veranlassen könnte, das Rechte zu tun. Damals war noch Zeit für ein Wunder. Jetzt ist alle Hoflhung verflogen.

Dot wird sich immer die Schuld an Donny Rays Tod geben. Sie hat mir mehr als einmal gesagt, daß sie sofort, nachdem Great Benefit ihren Anspruch abgelehnt hatte, zu einem Anwalt hätte gehen müssen. Statt dessen hat sie sich dafür entschieden, die Briefe selbst zu schreiben. Ich bin jetzt ziemlich sicher, daß Great Benefit auf die Androhung einer Klage hin sehr schnell klein beigegeben und die Behandlung übernommen hätte. Das glaube ich aus zwei Gründen. Einmal sind sie eindeutig im Unrecht und wissen das. Und zweitens haben sie, kurz nachdem ich, ein ziemlich grüner Anfänger, sie verklagt hatte, mir einen Vergleich über fünfundsiebzigtausend Dollar angeboten. Sie haben Angst. Ihre Anwälte haben Angst. Die Typen in Cleveland haben Angst.

Dot serviert mir eine Tasse koffeinfreien Instantkaffee, dann geht sie hinaus, um nach ihrem Mann zu sehen. Ich nehme meinen Kaffee mit in den hinteren Teil des Hauses, in Donny Rays Zimmer, wo er, auf der rechten Seite zusammengerollt, unter den Laken schläft. Die einzige Beleuchtung ist eine kleine Lampe in der Ecke. Ich lasse mich dicht neben ihr nieder, mit dem Rücken zum Fenster, durch das eine kühle Brise hereinweht. Die Nachbarschaft ist ruhig, im Zimmer kein Laut zu hören.

Sein Testament ist ein simples, aus nur zwei Absätzen bestehendes Dokument, in dem er alles seiner Mutter vermacht. Er besitzt nichts und hat auch keinerlei Schulden, und das Testament ist unnötig. Aber er hat sich dadurch besser gefühlt. Seine Beisetzung hat er auch geplant. Dot hat die nötigen Vorbereitungen getroffen. Er möchte, daß ich einer der Sargträger bin.

Ich greife nach dem Buch, in dem ich jetzt seit zwei Monaten von Zeit zu Zeit lese, ein Buch mit vier gekürzten Romanen. Es ist dreißig Jahre alt, eines der wenigen Bücher im Haus. Ich lasse es immer an der gleichen Stelle liegen und lese bei jedem Besuch ein paar Seiten.

Er stöhnt und bewegt sich ein bißchen. Ich frage mich, was

sie tun wird, wenn sie eines Morgens hereinkommt und er nicht mehr aufwacht.

Sie läßt uns allein, während ich bei Dornny Ray sitze. Ich kann hören, wie sie abwäscht. Buddy scheint jetzt im Haus zu sein. Ich lese eine Stunde und werfe hin und wieder einen Blick auf Donny Ray. Wenn er aufwacht, werden wir uns unterhalten, vielleicht schalte ich auch den Fernseher ein. Was immer er will.

Ich höre eine fremde Stimme im Wohnzimmer, dann klopft jemand an die Tür. Sie wird langsam geöffnet, und ich brauche ein paar Sekunden, um den jungen Mann zu erkennen, der da steht. Es ist Dr. Kord, der einen Hausbesuch macht. Wir geben uns die Hand und unterhalten uns leise an Fußende des Bettes, dann gehen wir drei Schritte zum Fenster.

«Ich war gerade in der Nähe«, sagt er, immer noch flüsternd, als führe er ständig in dieser Gegend herum.

«Setzen Sie sich«, sage ich und deute auf den einzigen weiteren Stuhl. Wir sitzen mit dem Rücken zum Fenster, Knie an Knie, und betrachten den sterbenden Jungen in dem knapp zwei Meter entfernten Bett.

«Wie lange sind Sie schon hier?«fragt er.

«Ungefähr zwei Stunden. Ich habe mit Dot zu Abend gegessen.«

«Ist er aufgewacht?«

«Nein.«

Wir sitzen im Halbdunkel mit einer sanften Brise im Genick. Uhren regulieren unser Leben, aber im Augenblick haben wir jedes Gefühl für die Zeit verloren.

«Ich habe nachgedacht«, sagt Kord, fast lautlos.»Über den Prozeß. Haben Sie schon eine Ahnung, wann er stattfinden soll?«

«Am 8. Februar.«

«Ist das definitiv?«

«Sieht so aus.«

«Finden Sie nicht auch, daß es mehr Eindruck machen würde, wenn ich direkt aussage, anstatt über ein Video oder eine schriftliche Vernehmung zu den Geschworenen zu sprechen?«

«Natürlich würde es das.«

Kord praktiziert seit mehreren Jahren. Er weiß über Prozesse und Vernehmungen Bescheid. Er beugt sich vor und stützt die Ellenbogen auf die Knie.»Dann lassen Sie uns die Vernehmung vergessen. Ich tue es live und in Farbe, und ich werde Ihnen keine Rechnung schicken.«