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Warum sie den toten Templer aus dem Wasser gezogen und mitgebracht hatten, blieb Robin ein Rätsel, aber sie verspürte ein neuerliches, noch kälteres Schaudern, als ihr klar wurde, dass Salim ihr in mehr als einer Beziehung das Leben gerettet hatte, als er darauf bestand, dass sie das schwere Kettenhemd auszog und sich ihrer Waffen entledigte. Hätten die Fischer sie im Wasser treibend gefunden und nicht praktisch auf Anhieb gesehen, dass sich unter dem weißen Wappenrock kein Mann verbarg, hätten sie sie zweifellos ertrinken lassen - oder ihr vielleicht auch kurzerhand die Kehle durchgeschnitten.

Hinter ihr wurde plötzlich eine erboste Stimme laut. Robin verstand zwar die Worte nicht, aber ihr Sinn war ihr klar, noch bevor sie sich herumdrehte und ins Gesicht des bärtigen Mannes blickte, den sie schon am Tag zuvor kennen gelernt hatte. Er war nicht allein, sondern in Begleitung von fünf oder sechs anderen Arabern gekommen, die kein bisschen weniger aufgeregt und wütend zu sein schienen als er.

Robin wich unwillkürlich zwei Schritte vom Boot zurück. Sie konnte verstehen, dass der Bärtige nicht begeistert war, sie schon wieder - und noch dazu allein, denn Nemeth war offensichtlich davongelaufen - hier draußen zu erblicken. Die Mischung aus rasender Wut und eindeutigem Schrecken in seinen Augen blieb ihr aber ein Rätsel. Noch immer wütend auf sie einbrüllend und mit den Armen fuchtelnd, kam der Bärtige weiter auf sie zu.

Robin hob instinktiv die Arme vor das Gesicht; nicht aus Angst, dass er sie schlagen könnte, sondern einfach aus einem Reflex heraus. Der Bärtige deutete die Bewegung aber ganz offensichtlich falsch. Er packte sie grob mit der linken Hand an der Schulter - so fest, dass der Schmerz Robin die Tränen in die Augen trieb - und holte mit der anderen aus, um sie nun tatsächlich zu schlagen. Das war zu viel. Ganz so, wie Salim es ihr unzählige Male gezeigt hatte, griff sie nach seiner Hand, versuchte jedoch nicht, seinen Schlag abzufangen, sondern zerrte noch zusätzlich an seinem Arm und drehte sich dabei blitzartig halb um ihre eigene Achse. Der Bärtige ächzte vor Überraschung, als er plötzlich nach vorne gerissen wurde und das Gleichgewicht verlor. Er stolperte an ihr vorbei und prallte mit großer Wucht gegen das Boot. Mit einem ächzenden Wimmern brach er in die Knie. Robin wich rasch ein Stück zurück und spannte sich, um auf einen neuen Angriff vorbereitet zu sein.

Aber es kam keine weitere Attacke. Der Bärtige krümmte sich, presste die Arme gegen den schmerzenden Leib und rang japsend nach Luft. Für einen Augenblick legte sich eine fast schon geisterhafte Stille über den Strand. Dann begann einer der Männer zu lachen. Einen Moment später stimmte ein Zweiter ein, und dann hallte das ganze Dorf vom grölenden Hohngelächter der Männer wider, - nur Robin lachte nicht. Ganz im Gegenteiclass="underline" Sie verfluchte sich in Gedanken dafür, den Schlag nicht einfach hingenommen zu haben. Wer immer diese Männer waren, mittlerweile war Robin klar, dass die Situation viel komplizierter war, als sie bisher angenommen hatte, und sie nicht automatisch davon ausgehen konnte, unter Freunden zu sein. Und indem sie den Bärtigen um eines billigen Triumphes willen zu Boden geworfen hatte, hatte sie sich vielleicht des einzigen Vorteils beraubt, den sie überhaupt besaß. Ein zweites Mal würde sie ihn wohl kaum überrumpeln können.

Mühsam rappelte sich der Bärtige wieder auf, wobei er sich mit der rechten Hand am Bootsrumpf festhalten musste und die andere immer noch gegen die Rippen presste. Sein Gesicht zuckte vor Schmerz, aber seine Augen loderten vor Wut. Hätte er in diesem Moment die Kraft dafür gehabt, dann hätte er sich zweifellos auf sie gestürzt, um sie niederzuschlagen. Aber auch so war Robin klar, dass die Sache damit ganz und gar nicht erledigt war.

Sie zog sich einen weiteren Schritt zurück, und blieb dann aber wieder stehen, als sie spürte, dass die Männer hinter ihr nicht zur Seite wichen. Einige von ihnen lachten noch immer, aber auf den Gesichtern der meisten hatte sich eine Mischung aus Überraschung und Unmut breit gemacht. Und da war vielleicht auch noch etwas anderes, etwas, das sie nicht genau deuten konnte. Ja, dachte sie noch einmal, es war bestimmt ein Fehler gewesen, den Bärtigen niederzuwerfen. Doch es war nun einmal geschehen und ließ sich nicht mehr rückgängig machen.

Der Mann kam torkelnd auf die Füße und tat einen Schritt auf sie zu. Er streckte den Arm nach ihr aus, aber Robin spürte genau, dass er nicht noch einmal versuchen würde, sie zu schlagen. Gestikulierend kam er näher und es war nicht nötig, dass sie die Worte verstand, die in einem wahren Schwall auf sie niederprasselten. Sie nickte ein paar Mal, zum Zeichen, dass sie nun tun würde, was er von ihr verlangte. Der Bärtige deutete herrisch in die Richtung, in der sich das Zelt befand. Robin senkte den Blick, schlang das Tuch enger um Kopf und Schultern und hielt demütig den Blick gesenkt, als sie sich auf einen unmissverständlichen Befehl des Bärtigen hin gehorsam in Bewegung setzte.

Die anderen Männer wichen zur Seite, um ihr Platz zu machen. Zu ihrer Erleichterung sah sie, dass Nemeth nicht weit entfernt vor ihr herlief. Zumindest würde sie so den Weg finden und nicht etwa versehentlich die falsche Richtung einschlagen, was den Bärtigen womöglich noch wütender gemacht hätte.

Robin bedauerte immer mehr ihre übereilte Reaktion. Sie hatte sich geschworen, sich nie wieder verprügeln zu lassen, und Salim hatte über ein Jahr voller Geduld und Langmut aufgewendet, ihr beizubringen, wie man sich verteidigte. Dennoch hätte sie jetzt alles darum gegeben, sich dieses eine Mal nicht gewehrt zu haben. Sie wusste nicht viel über dieses Volk, aber ihre Erfahrungen mit Salim hatten ihr gezeigt, wie stolz diese Menschen waren. Durch ihre unbedachte Handlung hatte der Bärtige sein Gesicht verloren, und wie immer er zuvor auch zu ihr gestanden haben mochte: Von diesem Moment an musste er sie einfach hassen.

Er rührte sie nicht noch einmal an, während sie zum Zelt zurückgingen. Dafür folgte er ihr so dichtauf und gestikulierte und schrie so wild, dass sie ein paar Mal stolperte, als hätte er sie tatsächlich gestoßen. Als sie das Zelt erreicht hatte und hineintrat, riss er sie an der Schulter herum und stieß sie in der gleichen Bewegung brutal zu Boden.

Robin rollte sich instinktiv ab und war wieder auf den Füßen, noch bevor der Bärtige richtig begriff, was geschehen war. Es wäre ihr in diesem Moment vermutlich ein Leichtes gewesen, ihn ihrerseits zu packen und nicht nur zu Boden zu werfen, sondern ihm einen solchen Denkzettel zu verpassen, dass er nie wieder die Hand gegen eine vermeintlich wehrlose Frau erheben würde, aber sie beherrschte sich. Es wäre ein tödlicher Triumph. Sie mochte sich gar nicht ausmalen, was die anderen Männer im Dorf mit einer Frau anstellen würden, die sich nachhaltig wehrte. Und gegen alle konnte sie nichts ausrichten.

Robin hätte am liebsten laut aufgeschrien. Noch vor wenigen Augenblicken hatte sie geglaubt, in Sicherheit zu sein, unter Freunden, zumindest aber bei Menschen, die nicht ihre Feinde waren. Ihre Neugier und ihre Unbeherrschtheit hatten all das zunichte gemacht.

Sie wich so weit vor dem Bärtigen zurück, wie es in der Enge des Zeltes überhaupt möglich war, und hob schützend die Arme vors Gesicht. Dabei achtete sie ganz bewusst darauf, dass die Bewegung nicht aggressiv wirkte, sondern eher übertrieben ängstlich. Ihre Rechnung ging auf. Der Bärtige schrie und gestikulierte weiter, kam ihr aber nicht so nahe, dass er sie zu einer Reaktion gezwungen hätte. Nach einer Weile begann er sich auch wieder zu beruhigen.