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Dann biss sie die Zähne zusammen, um den Schmerz zu überwinden und sich wieder hochzustemmen. Abwehrbereit hob sie die Arme, fest davon überzeugt, dass der Sklavenhändler hinter ihr in den Wagen steigen und unverzüglich über sie herfallen würde. Der blieb jedoch reglos an der Tür stehen und sah sie mit einer Mischung aus Überraschung, aber auch widerwilliger Bewunderung an.

»Was willst du von mir?«, fragte Robin keuchend. »Ich bin nichts wert. Niemand wird ein Lösegeld für mich bezahlen.«

Der Sklavenhändler schürzte abfällig die Lippen. »Das wird sich zeigen«, antwortete er. »Wir brechen auf, sobald die Kamele beladen sind. Wenn wir unser Nachtlager aufschlagen, komme ich wieder. Bis dahin kannst du überlegen, ob du vernünftig sein und die Reise bequem zurücklegen oder lieber zusammen mit den anderen zu Fuß gehen willst. Aber überleg es dir gut. Der Weg ist weit.« Er deutete mit einer geringschätzigen Geste in Richtung der Sklaven. »Ein Drittel von ihnen wird das Ziel nicht erreichen.«

»Wohin bringt Ihr mich?« Auf diese Frage bekam sie keine Antwort mehr. Die Tür wurde geschlossen. Dunkelheit schlug wie eine Woge über ihr zusammen und sie hörte das scharrende Geräusch des Riegels, der vorgeschoben wurde.

6. KAPITEL

Kaum war der Sklavenhändler gegangen, als sich der Wagen auch schon in Bewegung setzte. Er hielt erst wieder an, als es schon längst dunkel geworden war und die Karawane ihr Nachtlager aufschlug. Robin konnte nicht sagen, wie viele Stunden sie unterwegs gewesen waren. Ihr Zeitgefühl war so gründlich durcheinander geraten wie ihr gesamtes Leben. Wahrscheinlich hatte ihre erste Wegetappe nur wenige Stunden gedauert. Schließlich waren sie erst am späten Nachmittag aufgebrochen und nach allem, was sie von Salim erfahren hatte, schlugen Karawanen spätestens drei Stunden nach Einbruch der Dunkelheit ihr Lager auf. Dennoch kam es Robin so vor, als wären Ewigkeiten vergangen.

Im Inneren des Wagens war es nicht ganz so dunkel, wie es ihr im ersten Moment erschienen war. Obwohl der Aufbau des Karrens aus stabilen Brettern gezimmert und rundherum geschlossen war, gab es genug Ritzen und Spalten, durch die Sonnenlicht hereinsickerte. So ließ sich zumindest feststellen, ob draußen noch Tag war oder bereits Dämmerung herrschte.

Schon nach kurzer Zeit war es in dem fensterlosen Verschlag unerträglich warm geworden und bis zum Abend hatte sich ihr Durst zu schier unerträglicher Qual gesteigert. Robin hatte eine Zeit lang mit den Fäusten gegen die geschlossene Tür gehämmert, geschrien und sogar versucht, das Schloss aufzutreten, aber das einzige Ergebnis ihrer Bemühungen waren neue, blutige Schrammen an ihren Händen und eine schmerzende Kehle. Lange bevor die Karawane wieder anhielt, lag sie zusammengekrümmt in einer Ecke des kleinen Verschlages und ihr Widerstand war an Durst, Fieber und Schüttelfrost gebrochen, die einander abwechselten.

Zuletzt fühlte sie sich elender als an dem Morgen, an dem sie in dem Zelt am Strand erwacht war. Sie war so geschwächt, dass sie im ersten Moment nicht einmal bemerkte, dass die Tür ihres Gefängnisses geöffnet wurde. Erst als ein frischer Windhauch über ihr Gesicht strich und ihre glühende Stirn kühlte, öffnete sie die Augen und blinzelte in das schwach erhellte Rechteck der Tür. Sie sah einen vagen Schemen, hinter dem ein einzelner heller Stern am Nachthimmel glühte. Sie hatte das unbestimmte Gefühl, ihn eigentlich erkennen zu müssen, aber ihre Gedanken bewegten sich nur träge. Es dauerte noch einige Augenblicke, bis sie den Umriss des Mannes erkannte, der sie hierher gebracht hatte.

»Wasser.«

Dieses eine Wort von den Lippen ihres Peinigers reichte aus, um Robins letzte Kräfte zu wecken. Mühsam richtete sie sich auf, kroch auf Händen und Knien zur Tür und wollte nach der Schale greifen, die er ihr hinhielt. Doch der Sklavenhändler zog die Hand rasch zurück und schüttelte den Kopf.

»Wirst du vernünftig sein?«, fragte er ruhig.

Robin war so durstig, dass sie ihm ohne zu zögern für einen einzigen Schluck Wasser ihre Seele versprochen hätte. Dennoch antwortete sie nicht gleich, sondern sah ihn nur verständnislos an, während sie sich mit der Zunge über die trockenen, rissigen Lippen fuhr. Es nutzte nichts. Auch ihre Zunge war so trocken wie das öde Hügelland, das sich hinter dem Schatten des Kriegers abzeichnete. Schließlich nickte sie.

Der Sklavenhändler sah sie noch einen Moment lang durchdringend und auf eine Art an, als wäre er nicht vollends von Robins Ehrlichkeit überzeugt, aber dann hielt er ihr die Schale hin. Sie riss sie ihm regelrecht aus den Händen und stürzte das Wasser mit großen, gierigen Schlucken herunter. Es war warm und hatte einen sonderbar bitteren Beigeschmack, aber in diesem Moment kam es ihr wie das Köstlichste vor, das sie jemals getrunken hatte. Sie leerte die Schale vollkommen und leckte auch noch den winzigsten Tropfen von ihrem Boden auf, ehe sie sie ihrem Gegenüber hinhielt. »Mehr«, verlangte sie mit rauer Stimme.

Er nahm die Holzschale entgegen, schüttelte aber den Kopf. »Das wäre nicht gut«, sagte er. »Du bekommst mehr, aber nicht sofort. Wenn du zu schnell trinkst, wird dir nur schlecht. Hast du Hunger?«

Robin nickte wortlos. Sie war enttäuscht. Sie hatte immer noch furchtbaren Durst, aber vermutlich hatte er Recht mit seiner Warnung. Mühsam kletterte sie aus dem Wagen und hielt sich einen Moment lang mit der Hand am Türrahmen fest, bis sie sich sicher war, dass sie aus eigener Kraft stehen konnte. Die Nachtluft, die ihr gerade so herrlich erfrischend vorgekommen war, erschien ihr nun eisig. Zitternd schlang sie die Arme um den Leib. Die Nachmittagsstunden über hatten in dem Wagen Temperaturen wie im Inneren eines Backofens geherrscht. Die Hitze hatte Robin alle Kraft geraubt, die sie in den letzten anderthalb Tagen zurückgewonnen hatte. Einen Gutteil der Zeit, die sie eingesperrt gewesen war, hatte sie damit zugebracht, die verschiedensten Fluchtpläne zu schmieden, aber schon der erste Schritt, den sie nun tat, machte ihr klar, dass eine Flucht jetzt noch weniger möglich war als während ihrer Zeit im Fischerdorf. Es gelang ihr nur unter Aufbietung all ihrer Willenskraft, mit ihrem Begleiter Schritt zu halten, obwohl dieser sehr langsam ging und sogar ein paar Mal stehen blieb, um ihr Gelegenheit zu geben, wieder zu ihm aufzuholen.

Das Verhalten des Arabers irritierte sie. Er hatte keinen Zweifel daran gelassen - weder mit Worten noch mit Taten -, dass er in ihr nichts anderes als seinen Besitz sah.

Etwas, das er gekauft hatte und mit dem er nach Gutdünken verfahren konnte. Und doch erschien er ihr rätselhaft. Bisweilen behandelte er sie grob wie ein Tier und dann war er wieder rücksichtsvoller als mancher so genannte Edelmann in ihrer Heimat.

Der Sarazene führte sie zu einem Feuer, das in der Mitte des in einer tiefen Senke aufgeschlagenen Lagers brannte, und wies ihr mit einer flüchtigen Geste einen Platz zu. Robin gehorchte wortlos. Sie sah nur einen Teil der Männer, die sie am Nachmittag gezählt hatte; vielleicht fünf oder sechs. Sie saßen in weitem Kreis um das Feuer herum und beobachteten sie mit teils interessierten, teils aber auch lüsternen Blicken. Robins Arabisch reichte nicht aus, um die halblauten Worte zu verstehen, die sie austauschten. Aber sie begriff sehr wohl die Bedeutung des rauen Lachens und der Gesten, die diese Worte begleiteten. Fast angstvoll sah sie sich nach dem Sklavenhändler um. Nicht, dass er sie gut behandelt hätte, aber zumindest hatte er ihr nichts angetan. Sie glaubte zu wissen, dass er ihr auch weiterhin nichts tun würde, wenn auch vielleicht aus anderen Gründen, als ihr lieb sein konnte.

Der Krieger hatte sich kurz entfernt, jetzt kam er zurück und reichte ihr eine weitere Schale mit Wasser sowie etwas Obst und trockenes Fladenbrot. Eingedenk seiner Warnung trank sie nur wenige Schlucke, obwohl sich ihre Kehle noch immer ausgedörrt anfühlte und sie die Schale am liebsten in einem Zug geleert hätte. Dann begann sie zu essen. Schon nach dem ersten Bissen bemerkte sie, wie hungrig sie war. Wie zuvor mit dem Wasser, so musste sie sich jetzt beherrschen, das Obst nicht hinunterzuschlingen und die wertvolle Nahrung mit beiden Händen in sich hineinzustopfen. Selbst als sie ihr Mahl beendet hatte, wollte ihr Hunger nicht weichen. Ihr Magen knurrte hörbar, was den Sklavenhändler zu einem flüchtigen Lächeln veranlasste. Sie sah ihn bittend an, erntete jedoch nur das erwartete Kopfschütteln. Sie war nicht wirklich enttäuscht. Sie hatte oft genug in ihrem Leben gehungert, um zu wissen, dass sich das Sättigungsgefühl erst nach einer Weile einstellen würde. Die Früchte, die er ihr gegeben hatte, waren Robin zum größten Teil unbekannt. Sie waren so süß und köstlich, dass sie sich fragte, ob sie wohl aus den paradiesischen Gärten stammten, von denen ihr Salim so gerne erzählt hatte.