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Schließlich war sie auch nicht zur Hofdame erzogen worden! Stattdessen hatte sie Reiten, Bogenschießen und Schwertkämpfen gelernt. Salim hatte sie gnadenlos geschunden, weil er ahnte, was ihnen bevorstehen würde, und das Ergebnis seiner Bemühungen war nicht zu übersehen. Unter ihrer glatten, seidenweichen Haut hatte Robin Muskeln, die so stark wie die eines Mannes waren, und ganz offensichtlich gefiel dieser Umstand Naida nicht besonders. Eine Weile murmelte sie kopfschüttelnd und verdrießlich vor sich hin, dann drehte sie sich herum und gestikulierte mit der Hand. Sogleich begann die Sklavin, ihr zu helfen, die fremdartigen Kleider richtig anzulegen. Als Letztes schlüpfte Robin in die Sandalen.

Die Kleider bestanden aus wenig mehr als nichts. Wenn sie im Sonnenlicht stand, mussten sie beinahe durchsichtig sein, sodass man den Umriss ihres Körpers darunter in allen Einzelheiten erkennen konnte, und auch die flachen Schuhe dienten deutlich mehr der Zierde als dem Schutz. Die Sohlen waren so dünn, dass sie die Kälte des Bodens darunter spüren konnte. Trotzdem war das Zittern verschwunden. Sie hatte sogar das Gefühl, nicht mehr ganz so schrecklich zu frieren wie noch vor einem Augenblick, auch wenn ihr natürlich klar war, dass das nur Einbildung sein konnte.

Sie sah an sich herab und strich bewundernd mit den Fingern über den glatten, seidenweichen Stoff des Gewandes. Naida nahm sie bei der Schulter und führte sie zur anderen Seite des Zimmers, wo sie in dem kleinen Wasserbecken ihr Spiegelbild bewundern konnte.

Fassungslos starrte Robin das Bild an, das sich ihr bot.

Seit sie Salim kennen gelernt hatte, war der junge Tuareg nicht müde geworden, ihr immer wieder zu versichern, dass sie eine der schönsten Frauen sei, denen er jemals begegnet war, aber natürlich hatte sie das für Schmeichelei gehalten. Worte, die Männer Frauen eben sagten, um das zu bekommen, was Männer im Allgemeinen von Frauen haben wollen. Jetzt aber, als sie vor dem Becken stand und sich selbst betrachtete, fragte sie sich zum ersten Mal, ob er vielleicht Recht hatte. Ihr Gesicht wirkte noch immer ein wenig blass und kränklich, und ihr Haar hatte mehr als nur eine Wäsche nötig, um seinen früheren Glanz zurückzuerlangen, und dennoch weckte ihr Spiegelbild in ihr den Eindruck, einer Fremden gegenüberzustehen.

Man hatte ihr eine Hose angelegt! Das männlichste aller Kleidungsstücke. Und doch war diese Hose anders als die, welche sie kannte. Der Stoff war zart wie ein Windhauch und durchscheinend. Man hatte ihn mit stilisierten goldenen Rosenblüten und Blättern bestickt. Die Hosenbeine waren weit und warfen im Schritt so viele Falten, dass vor neugierigem Blick verborgen blieb, was verborgen bleiben sollte.

Dennoch fühlte sich Robin zunächst unwohl in diesem Kleidungsstück, denn sie hatte das Gefühl, nackt zu sein. Ihre Brüste waren unter einem eigenartigen kurzen Wams aus Brokatstoff verborgen, das nicht einmal bis zu ihrem Rippenbogen reichte. Darüber trug sie einen offenen, durchscheinenden Kaftan, der aus ähnlichem Stoff wie die Hose gefertigt war. Ihre Taille blieb auf diese Weise nackt, was in der Hitze dieses Wüstenlandes jedoch nicht unangenehm sein mochte.

Um das Bild zu vervollkommnen, hatte man ihr einen schweren Gürtel aus silbernen Münzen angelegt und einen dünnen Seidenschal um den Hals geschlungen, der ihre Narbe verbarg. Je länger Robin ihr Spiegelbild betrachtete, desto besser gefiel es ihr. Zum ersten Mal seit weit über einem Jahr durfte sie wieder eine Frau sein.

Der Silbergürtel lag schwer auf ihren Hüften, fast als hielten sie dort sanfte Männerhände umschlungen. Ein warmes, wohliges Gefühl nistete sich in ihrem Bauch ein. Sie konnte kaum fassen, dass wirklich sie das Mädchen sein sollte, das sie dort im Becken sah, und sie ertappte sich bei dem heimlichen Wunsch, dass Salim sie einmal in diesen Gewändern zu sehen bekam.

Die alte Araberin ließ ihr hinlänglich Zeit, ihr Spiegelbild im Becken zu bewundern. Es dauerte eine ganze Weile, bis sie entschied, dass es genug war. Dann ergriff sie Robin am Handgelenk, um sie zurückzuziehen. Mitten in der Bewegung fuhr sie erschrocken zusammen. So stand sie einen Augenblick wie vom Blitz gerührt. Schließlich hob sie Robins Hand und führte sie dicht vor die Augen, so als könne sie nicht glauben, was sie gesehen hatte.

»Was hast du?«, fragte Robin.

Die Alte reagierte nicht. Stattdessen betrachtete sie stirnrunzelnd und mit einem Ausdruck höchster Konzentration auf dem Gesicht den Ring, den Salim Robin angesteckt hatte. Was immer sie darin sah, es schien ihr ganz und gar nicht zu gefallen. Schließlich versuchte sie, Robin den Ring abzustreifen, aber diese ballte die Rechte zur Faust, riss sich los und machte zwei Schritte rückwärts.

»Nein!«, stieß sie hervor. »Der gehört mir.«

Naida schien erbost über ihren Widerspruch. Erneut ergriff sie Robins Handgelenk, aber Robin schüttelte nur noch heftiger den Kopf, riss sich abermals los und rief noch einmaclass="underline" »Nein! Eher lasse ich mir die Hand abhacken!«

»Das wird wohl nicht nötig sein.«

Robin fuhr erschrocken herum und blickte ins Gesicht des Sklavenhändlers. Er war hereingekommen, ohne dass sie es auch nur bemerkt hatte, und sie fragte sich ganz automatisch, wie lange er schon dastand und sie beobachtete. Sein Gesicht hatte den gewohnten finsteren Ausdruck, aber zumindest der Zorn, den sie vorhin im Kerker darauf gelesen hatte, war verflogen.

»Hat dein Ring Naida erschreckt?«, fragte er.

Robin wich einen weiteren Schritt zurück und presste die Hand mit dem Ring schützend an die Brust, der Araber indessen ließ sich davon nicht beirren. Mit einem einzigen Schritt war er bei ihr, packte sie grob am Unterarm und riss sie zu sich heran. Dann zwang er ihre Finger auseinander und zog ihr das unscheinbare Schmuckstück ab. Robin wollte danach greifen, aber ein einziger drohender Blick aus seinen schwarzen Augen sorgte, dass sie mitten in der Bewegung erstarrte.

»Das ist ein einzigartiges Stück«, sagte er, nachdem er den Ring eine Weile interessiert, jedoch ohne den besorgten Ausdruck, den sie bei Naida bemerkt hatte, betrachtet hatte. »Woher hast du ihn?«

»Er gehört mir!«, sagte Robin.

»Das habe ich nicht gefragt«, antwortete der Sklavenhändler. »Ich will wissen, woher du ihn hast!«

»Von einem Freund«, antwortete Robin. »Bitte gebt ihn mir zurück. Er ist völlig wertlos. Nur ein Andenken, aber das Letzte, das ich an ihn habe.«

»Nur ein Andenken, so?« Der Sklavenhändler verzog spöttisch die Lippen. »Es muss ein sehr guter Freund gewesen sein, wenn er dir ein so kostbares Andenken schenkt. Es ist pures Gold.«

»Ich möchte ihn behalten«, sagte Robin. »Bitte.«

Das letzte Wort kam ihr so schwer über die Lippen, dass es wohl selbst dem Sklavenhändler auffiel, denn er hörte auf, den Ring in den Fingern zu drehen, und sah sie einen Moment lang mit auf die Seite gelegtem Kopf an. Sie wusste, dass sie von diesem Mann keine Gnade und schon gar kein ritterliches Verhalten zu erwarten hatte. Wenn er ihr den Ring wegnehmen wollte, dann würde er das tun, und alles Bitten und Flehen würden ihr nicht helfen. Wahrscheinlich würde er ihn schon allein deshalb behalten, weil sie ihn darum gebeten hatte. Robin verfluchte sich in Gedanken dafür, es überhaupt getan zu haben.

Omar sah sie noch immer nachdenklich an, dann schloss er die Faust um den schmalen Goldring und wandte sich mit einer Frage an Naida. Die alte Araberin antwortete, woraufhin der Sklavenhändler die Schultern hob und die Hand wieder öffnete, um den Ring erneut zu betrachten. Naida wandte sich von ihrem Herrn ab. Sie streifte Robin mit einem Blick, der ihr einen kalten Schauer über den Rücken laufen ließ. Die Templerin wusste nicht, woher das Gefühl kam, aber irgendwie ahnte sie, dass Naida ihrem Herrn nicht die Wahrheit gesagt hatte, was diesen Ring anging.

»Ein Andenken an einen Freund also«, sagte der Sklavenhändler nachdenklich. »Gut, dann magst du ihn behalten, solange du tust, was man von dir verlangt.«