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»Fass mich nicht noch einmal an«, herrschte Robin sie an. Sie hatte nicht besonders laut gesprochen, aber ihre Augen blitzten wütend auf, und sie musste wohl eine Haltung angenommen haben, die Aisha erschreckte. Rasch wich die junge Frau zwei Schritte vor ihr zurück, aber dann klatschte Harun erneut in die Hände, und Aisha wandte sich - wenn auch nach einem merklichen Zögern - herum und nahm den dritten Krug auf.

Und so ging es weiter. Im Laufe der folgenden halben Stunde zerbrach Robin neun der zehn Krüge, sodass ihr Zimmer regelrecht überschwemmt wurde und sie sich mehr als einen blutigen Schnitt an den Füßen zuzog. Immerhin gelang es ihr, den vorletzten dieser Krüge fast vollständig durch das Zimmer zu tragen, bevor er ihr aus den Händen glitt und die Katastrophe auf dem Fußboden noch vergrößerte.

Harun kommentierte ihre Ungeschicklichkeit mit teils hämischen, teils ärgerlichen Worten und Aisha behandelte sie so grob, dass Robin sich beherrschen musste, um ihr gegenüber nicht handgreiflich zu werden. Schließlich wollte sie sich nach dem zehnten und letzten Krug bücken, als Harun hörbar seufzte, den Kopf schüttelte und mit weinerlicher Stimme sagte: »Ich fürchte, du bist Allahs Antwort auf die Gebete eines armen Töpfers, der schon seit einer Woche keine Krüge mehr verkauft hat, du Tochter einer krummbeinigen Ziege.«

Robin spießte ihn mit Blicken regelrecht auf, warf zornig den Kopf in den Nacken und ließ sich in die Hocke sinken, um den letzten Krug aufzuheben, bevor Aisha etwa auf die Idee kam, ihn auf Geheiß ihres Herrn hin auf ihrem Kopf zu zerschlagen. Da ging Harun unerwartet schnell auf den Krug zu, holte aus und versetzte ihm einen Tritt, der ihn gegen die Wand prallen und bersten ließ. »So geht es schneller. Bei Allah, mir scheint, du wirst nicht nur zu meiner größten Herausforderung, sondern auch zu meiner schlimmsten Prüfung.«

»Ich könnte es noch einmal versuchen«, schlug Robin vor. »Ich habe nicht viel Übung im Umgang mit Wasserkrügen, bitte verzeiht. Allerdings... wenn Ihr ein Messer hättet...?«

Harun legte den Kopf schief.

»Dann könnte ich versuchen, Euren Kopf auf meinem zu balancieren«, erklärte Robin. »Nur, fürchte ich, müssten wir ihn vorher von Eurem Hals schneiden.«

In Haruns Augen blitzte es amüsiert auf, aber sein Gesicht blieb starr, und nach einigen Augenblicken zog er einen Schmollmund und drehte sich um. »Wir machen morgen weiter«, sagte er. »Dann bringe ich besser gleich zwanzig Krüge mit.«

Kaum hatten Harun al Dhin und seine Begleiterin Robins Zimmer verlassen, da wurde die Tür auch schon wieder unsanft aufgestoßen und Naida trat ein. Robin glaubte nicht, dass es sich dabei um einen Zufall handelte; vielmehr war sie ziemlich sicher, dass Naida die ganze Zeit über draußen auf dem Flur gestanden und an der Tür gelauscht hatte. Dennoch schien sie die Details des Unterrichts nicht mitbekommen zu haben, denn auf ihrem Gesicht spiegelten sich rasch hintereinander die unterschiedlichsten Emotionen: Überraschung, Verwirrung, dann Unmut und schließlich blanker Ärger, als sie der Sintflut aus Wasser und Tonscherben ansichtig wurde, die den Fußboden bedeckte. Ganz kurz streifte ihr Blick Robins nackte, blutende Füße und in den Ärger auf ihren Zügen mischte sich ein leicht besorgtes Stirnrunzeln - wenngleich Robin ziemlich sicher war, dass Naidas Sorge weniger ihrer Gesundheit galt als vielmehr der Frage, was Omar dazu sagen würde, dass sein wertvollster Besitz beschädigt worden war.

Naida schien aus irgendeinem Grund sehr zornig auf sie zu sein und es entsprach ganz ihrer Art, diesen Zorn direkt und ohne Hehl an ihr auszulassen. Sie fuhr Robin in barschem Ton an, wie ungeschickt und unwillig sie sich doch angestellt habe, und befahl ihr, in ihrem Zimmer wieder für Sauberkeit und Ordnung zu sorgen, falls sie an diesem Tag noch etwas zu essen haben wollte. Robin hütete sich, ihr zu widersprechen. Zum einen war sie völlig überrascht von der so offen zur Schau getragenen Feindseligkeit der alten Sklavin, zum anderen spürte sie, dass sich in der Zwischenzeit etwas ereignet haben musste, das sie über die Maßen erregt hatte. So bat sie nur knapp um einen Reisigbesen und wenn möglich trockene Kleider.

Naida verschwand wortlos und kehrte nach wenigen Augenblicken in Begleitung der beiden anderen Sklavinnen zurück, die Robin einen Besen, einen Tonkrug, einen geflochtenen Korb für die Scherben und ausreichend Lumpenfetzen brachten, um den Inhalt der zehn Wasserkrüge aufzuwischen.

Die beiden Sklavinnen grinsten, während sie Robin dabei zusahen, wie sie auf dem mit Scherben übersäten Boden herumkroch. Naida hingegen hatte die Arme vor der Brust verschränkt und beaufsichtigte sie mit versteinerter Miene. Jedes Mal wenn Robin Korb oder Krug gefüllt hatte, verschwand eine der jungen Frauen für einige Augenblicke mit dem Behältnis, um es anschließend geleert zurückzubringen. Darüber hinaus rührte keine von ihnen auch nur einen Finger, um Robin zu helfen.

Die Sonne stand bereits hoch am Himmel, als sie endlich fertig war. Sie war nun endgültig bis auf die letzte Faser durchnässt und hatte sich noch etliche kleinere Schnittwunden an Händen, Knien und Füßen zugezogen. Ihre Finger waren wie taub von der Anstrengung, die groben Tücher auszuwringen.

Nachdem das Zimmer endlich wieder halbwegs in dem Zustand war, in dem es sich vor Haruns Erscheinen befunden hatte, ließ sich Robin erschöpft aufs Bett sinken. Die beiden Sklavinnen verließen den Raum - die eine mit dem Wasserkrug beladen, die andere den Arm voller durchnässter schwerer Tücher -, und auch Naida ging. Schon binnen weniger Augenblicke kehrte sie wieder zurück.

Robin hob müde den Kopf, als sie eintrat, und starrte dann mit einer Mischung aus Staunen und Erschrecken auf die Lumpen, die die Sklavin in den Armen trug. Es waren die gleichen, zerrissenen und immer noch vor Schmutz starrenden Kleider, die sie auf ihrer mörderischen Reise nach Hama getragen hatte.

»Hier«, sagte Naida verächtlich, während sie das Lumpenbündel neben Robins Bett auf den Boden warf. »Zieh dir etwas Trockenes an, damit du am Ende nicht krank wirst und Omar mich bestraft.«

Robin fühlte sich zerschlagen und müde und sie bedurfte fast ihrer ganzen Kraft, um sich auf die Ellbogen hochzustemmen und mühsam die Beine vom Bett zu schwingen. Ihre Waden waren verkrampft und zwei oder drei der tiefsten Schnitte bluteten noch immer. Sie begriff nicht, warum die Sklavin ihr ausgerechnet ihre alten, zerschlissenen Kleider gebracht hatte, aber sie hütete sich, eine entsprechende Frage zu stellen. Stattdessen bedankte sie sich artig, hob das Bündel umständlich auf und schlurfte mit hängenden Schultern hinter den Wandschirm, um sich umzuziehen. Selbst diese kleinen Bewegungen bereiteten ihr Mühe, und sie stellte sich so ungeschickt an, dass es Naida schließlich zu viel wurde und sie mit energischen Schritten ebenfalls hinter den Wandschirm trat. In ihren Augen blitzte eine Mischung aus Zorn und Verachtung, als sie Robin von Kopf bis Fuß musterte.

»Ja«, sagte sie. »Vielleicht stehen dir diese Kleider besser als die feine Seide und das Gold, das du bisher hier getragen hast.«

Robin sah sie nur traurig an und blickte an sich herab. Zunächst war sie nur erleichtert gewesen, wieder etwas Trockenes am Leib zu tragen und nicht vor Kälte zittern zu müssen, aber Naidas Worte schienen ihr die Schäbigkeit des groben schwarzen Umhanges vor Augen zu führen. Mit einem Male wurde ihr bewusst, wie sehr der Stoff auf der Haut scheuerte, wie schmutzig er war, und wie übel riechend.

»Warum tust du das?«, fragte sie.

»Wenn dir so an deinen Sklavenfreunden gelegen ist, dann ist es doch nur gerecht, dass du dich wie sie kleidest«, erwiderte Naida. Ihre Stimme zitterte leicht; ob vor Zorn oder aus einem anderen Grund, vermochte Robin nicht zu beurteilen. Das sonderbare Betragen der alten Frau beunruhigte sie zunehmend und das, obwohl - oder vielleicht gerade weil - sie es nicht verstand.