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»Man hat mich vor euch Arabern gewarnt«, antwortete Robin mit einem Nicken. »Anscheinend zu Recht.«

Omar zog fragend die Augenbrauen hoch, als Robin fortfuhr: »Es heißt, ihr wärt die größten Schmeichler, die es auf Gottes Erde gibt.«

Omar lachte. »Das mag sein. Weißt du, Mädchen, unsere Legenden und Märchen sind voll von Geschichten über arme Diebe, die sich in die Töchter oder die Lieblings-Haremsdamen eines Sultans verliebt haben. Für gewöhnlich müssen die verliebten Dummköpfe etliche Räuber besiegen, einen Schatz finden, einen Dschinn zum Freund gewinnen oder einen Drachen erschlagen, und am Ende befreien sie dann die Schöne und werden Kalif von Bagdad. So ist es in den Märchen...« Er lächelte weiter, aber das Funkeln in seinen Augen erlosch, und seine Stimme nahm einen veränderten Tonfall an. »In Wahrheit kann ein Mann dafür getötet werden, wenn er eine der Schönen des Harems auch nur ansieht. Es ist doch sicher auch bei den Herrschern deines Landes so, dass sie ihren kostbarsten Besitz eifersüchtig hüten, oder?« Omar wartete einen Moment vergeblich auf eine Antwort, dann blickte er wieder aus dem Fenster und seine Stimme wurde deutlich kühler, als er fortfuhr: »Es war der Junge dort unten, der in dem gestreiften Kaftan, der zu dir hochgesehen hat, nicht wahr? Man könnte sagen, dass du diesen einfältigen Narren zu einem tödlichen Abenteuer verführt hast.«

Robin hütete sich zu antworten. Sie hatte keine Ahnung, ob Omar seine Worte ernst meinte oder ihr nur einen Schrecken einjagen wollte. Auch das war etwas, was sie an dem Sklavenhändler mindestens ebenso faszinierte wie erschreckte. Sie wusste einfach nicht, was sie von ihm halten sollte. Vorsichtshalber wich sie zusätzlich ein paar Schritte vom Fenster zurück, wie um zu verhindern, dass irgendeiner der unglückseligen Männer dort unten auch nur versehentlich einen Blick zu ihr hinaufwarf und damit möglicherweise sein Augenlicht oder gar sein Leben riskierte.

Omar folgte ihr und blieb dann plötzlich stehen. Er beugte sich zu dem niedrigen Tischchen neben ihrem Bett hinab, auf dem ihr Frühstück stand. Mit einem sonderbaren Blick in ihre Richtung griff er wortlos unter seinen Mantel, zog etwas Kleines hervor und legte es neben der Schale mit den Datteln auf den Tisch. Als er die Hand wieder zurückzog, erkannte Robin Salims Ring.

Sie konnte einen Freudenschrei nicht unterdrücken. Sie riss den Ring an sich, streifte ihn über und presste beide Hände schützend gegen die Brust. Salims Ring! Er war wie durch Zauberei zu ihr zurückgekehrt. Wenn das kein Wink des Schicksals war!

Omar betrachtete sie eine Zeit lang amüsiert, dann schüttelte er den Kopf und ein ernster Ausdruck trat in seine Augen. »Ich sehe, ich habe mich nicht getäuscht.«

»Getäuscht? Worin?«

»Ich dachte mir, dass du ihn gerne zurückhättest«, antwortete Omar. Er schüttelte den Kopf. »Wie konntest du nur so dumm sein, ihn so leichtfertig wegzugeben? Hast du selbst mir nicht erst vor wenigen Tagen erzählt, er sei das Letzte, was dir noch geblieben ist? Die Erinnerung an einen sehr guten Freund?«

»Das ist wahr.«

»Erinnerungen, Robin«, sagte Omar ernst, »sind der einzige Besitz eines Menschen, den ihm niemand nehmen kann, ganz egal, wie mächtig er auch sein mag. Man sollte sie nicht ohne Not verschenken.«

»Ich habe es nicht für mich getan.« Robin presste den Ring weiter wie einen Schatz an die Brust und beinahe schien es ihr, als ginge eine Woge wohltuender Wärme und Kraft von dem schmalen Goldring aus, die ihren Körper durchströmte und ihr neue Zuversicht gab.

»Warum dann?«

Warum fragte er das? Er musste doch genau wissen, was sich zugetragen hatte. Immerhin hatte er sich den Ring von Ribauld de Melk zurückgeholt, und der Medicus hatte ihm bestimmt die ganze Geschichte erzählt. Falls er noch dazu gekommen war. »Ihr habt Ribauld de Melk doch nichts...?«

Omar unterbrach sie mit einem Lachen. »Angetan?« Er schüttelte den Kopf und maß sie mit einem Blick, als hätte sie eine unglaublich dumme Frage gestellt. »Wofür hältst du mich?« Er hob rasch die Hand. »Nein, ich glaube, das will ich gar nicht wissen. Auf jeden Fall bin ich kein Dummkopf. Meister Ribauld mag ein Ungläubiger sein, der vor Allahs Augen keine Gnade findet, aber er versteht mehr von der Heilkunst als jeder andere Quacksalber zwischen hier und Damaskus. Ich habe ihm kein Haar gekrümmt. Und er hat mir auch erzählt, was geschehen ist. Das mag edel von dir gewesen sein, aber Edelmut und Dummheit gehen nur zu oft Hand in Hand. Gib diesen Ring nie wieder leichtfertig fort. Wer weiß, vielleicht wird er dich vor einem grausamen Schicksal bewahren.«

»Der Junge wäre gestorben, wenn ihm niemand geholfen hätte.«

»Und er wird vielleicht auch so sterben«, sagte Omar ungerührt. »Du bist ein seltsames Mädchen, Robin. Wo bist du aufgewachsen? In einem Kloster oder bei einem Eremiten, der dir nichts über die Welt erzählt hat? So ist es nun einmal, sowohl bei uns als auch bei euch: Die einen müssen sterben, damit die anderen leben können.«

»Da, wo ich herkomme, nicht«, beharrte Robin stur. Irgendwie hatte sie das Gefühl, sich damit lächerlich zu machen.

Omar gab sich nicht die Mühe, darauf zu antworten, sondern wechselte übergangslos das Thema. »Ich habe mit Harun gesprochen«, sagte er. »Er sagt, du machst Fortschritte. Nicht so schnelle, wie er es sich wünschen würde, aber das hat bei Harun nicht viel zu sagen.«

»Wenn Ihr wisst, warum ich den Ring weggegeben habe«, sagte Robin, »warum habt Ihr Naida dann bestraft?«

Als Omar sie fragend ansah, wies Robin mit einer Geste zum Fenster. »Ich habe alles gesehen.«

»Vielleicht sollte ich das Fenster zumauern lassen«, überlegte Omar laut, »oder dir ein anderes Zimmer geben.«

»Damit ich nicht mehr sehe, wie grausam und ungerecht Ihr seid?«

Omar schüttelte mit einem tiefen Seufzen den Kopf. »Selbst, wenn alles genauso gewesen ist, wie du sagst - Naida hätte niemals zustimmen dürfen. Sie weiß, wie wertvoll dieser Ring ist und was er bedeutet, sowohl für dich als auch für mich.«

»Was bedeutet er denn?«

Omar überging auch diese Frage. »Du hast Naida als Sklavin kennen gelernt«, sagte er. »Vielleicht glaubst du, sie wäre nur eine Art Aufseherin oder das, was man bei euch wohl als Hausdame bezeichnet. Doch sie ist mehr.«

»Dann ist sie keine Sklavin?«

»Doch«, sagte Omar. »Sie war schon Sklavin in diesem Haus, als ich noch gar nicht auf der Welt war. Ich glaube, sie hat schon meinem Großvater gedient, zumindest aber meinem Vater.« Er lächelte flüchtig. »Ohne sie wäre dieser Ort nur ein Haus und kein Zuhause, fürchte ich. Ich kenne sie mein Leben lang und ich habe sie geliebt wie meine eigene Mutter. Vielleicht ist sie der einzige Mensch in dieser ganzen Stadt, dem ich wirklich trauen kann.«

»Und trotzdem habt Ihr sie fast umgebracht.«

»Sie hat mich enttäuscht«, antwortete Omar, plötzlich wieder mit harter Stimme.

»Ist ein Mann wie Ihr das nicht gewohnt?«, fragte Robin böse.

Der Sklavenhändler sah sie einen Herzschlag lang auf sonderbare Weise an. Er wirkte nicht zornig, eher traurig, und sie begriff, dass ihre Frage ihm wirklich wehgetan hatte. Sonderbarerweise empfand sie keine Freude bei dieser Erkenntnis. »Ja«, antwortete er schließlich. »Hintergangen zu werden ist niemals schön. Aber es ist umso schlimmer, je mehr du dem Betrüger zuvor vertraut hast.«

»Aber es ist doch nur ein Ring!«

Wieder schüttelte Omar den Kopf. »Das ist er nicht«, erklärte er. Er sah ein wenig überrascht aus. »Ich glaube fast, du hast die Wahrheit gesagt, als du behauptet hast, du wüsstest nicht, was dieser Ring bedeutet. Für dich ist er tatsächlich nur ein Andenken, nicht wahr?«

»Ist er denn mehr?«

»Hast du je von den Ismailiten gehört?«