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»Allah ist nicht mein Gott«, sagte Robin. »Und von Eurem Propheten habe ich noch nie gehört.« Gleichzeitig fragte sie sich, ob sie eigentlich verrückt war. Irgendein Teil von ihr schien es darauf anzulegen, sich selbst um Kopf und Kragen zu reden.

Harun schüttelte aber nur weiter lachend den Kopf. »Ihr mögt den Propheten nicht kennen und Allah unter einem anderen Namen anbeten, aber auch bei euch ist ein Mann ein Mann und eine Frau eine Frau. Es wäre wider die Natur der Frauen. Eher bringe ich selbst einem plattfüßigen Trampel wie dir das Tanzen und einen damenhaften Gang bei, als dass man ein Weib zu einem Schwertkämpfer machen könnte.«

Robin atmete auf und biss sich auf die Zunge, um nicht noch mehr zu verraten.

Harun schien jedes weitere Interesse an dem Thema verloren zu haben, denn er schüttelte nur noch einmal den Kopf und griff erneut nach Robins Händen, diesmal aber nicht, um sie nach Schwielen oder anderen verräterischen Spuren zu untersuchen, sondern um die Schellen von ihren Fingern zu lösen.

»Die Stunde des abendlichen Gebetes ist nicht mehr fern«, sagte er. »Für heute wird meine Seele Frieden suchen und ich werde meine Augen an Weibern weiden, die mehr Talent als du haben, Ungläubige. Übe heute Abend die Tanzschritte, die Aisha dir gezeigt hat. Ich erwarte, morgen Fortschritte zu sehen.« Er stand auf und deutete auf die so gut wie nie fehlende Reihe mit wassergefüllten Krügen, die Omars Diener hereingeschafft und an der Wand neben der Tür aufgereiht hatte. »Versuche dich auch weiterhin im Gehen mit den Krügen. Wenn du es schaffst, mit einem Wasserkrug auf dem Haupt einherzuschreiten, ohne eine Hand zu gebrauchen, mit der du den Krug abstützt, dann hast du es geschafft, dir einen Gang anzueignen, der deinen zukünftigen Herrn erfreuen wird. Und nur dann kannst du gewiss sein, dass er dich nicht mit einem weißen Kamel verwechselt, wenn er dich gehen sieht.«

Robin schluckte die spitze Bemerkung herunter, die ihr auf der Zunge lag. Stattdessen sah sie schweigend zu, wie Aisha den Fächer, ihren Umhang, die Schellen und die kleine Handtrommel, die sie zuvor im Takt zu Robins unbeholfenen Tanzschritten geschlagen hatte, zusammenraffte und ihrem Herrn zur Tür folgte. Wie durch Zufall stieß sie dabei gegen einen der Krüge, der auch prompt umkippte. Ohne zu zerbrechen, vergoss er seinen Inhalt über den gefliesten Boden, und Robin presste ärgerlich die Lippen aufeinander.

Natürlich wusste Aisha, dass Robin die Überschwemmung selbst würde fortwischen müssen, und natürlich war sie nicht zufällig gegen den Krug gestoßen. Aber vermutlich konnte sie noch von Glück sagen, dass das Gefäß nicht zerbrochen war. Sie streifte Aisha mit einem Funken sprühenden Blick, den die Sklavin völlig ausdruckslos erwiderte.

Aisha war wirklich eine sonderbare Frau. Obwohl sie sich als zunehmend rücksichtslos erwies und Robins unbeholfenen Anstrengungen höchst unsanft nachhalf oder sie sogar untergrub, spiegelte sich niemals Zorn, Eifersucht oder gar Hass in ihren Augen. Ihr Blick schien völlig teilnahmslos zu sein, als wäre die Seele hinter diesen wunderschönen dunklen Augen vor langer Zeit schon gestorben.

»Bete zu Allah, oder meinetwegen auch zu deinem Gott, dass er ein Wunder geschehen lässt«, säuselte Harun im Hinausgehen. »Ich jedenfalls bin mit meinen Künsten fast am Ende, und es sind nur noch wenige Tage bis zum Sklavenmarkt.«

»Wartet!«, rief Robin.

Harun blieb tatsächlich stehen und drehte sich unter der Tür noch einmal herum. Nicht zum ersten Mal verspürte Robin angesichts seiner Eleganz ein Gefühl von Bewunderung. Obwohl dieser Koloss von einem Mann - der so massig war, dass er sich ohne fremde Hilfe scheinbar kaum zu erheben vermochte - bei jedem Schritt vor Anstrengung keuchte, hatte er doch einen schönen, fast schwebenden Gang, der sie sein Gewicht fast vergessen ließ. Seine Bewegungen hatten, bei allen körperlichen Unterschieden, etwas von der katzenhaften Eleganz, die sie auch an Aisha so bewunderte. »Was ist denn noch?«, fragte Harun unwillig.

Robin ging auf ihn zu, wobei sie einen übertrieben ausladenden Schritt über die Wasserpfütze machte, die sich langsam vor ihren Füßen auf dem Boden ausbreitete. Harun zog es vor, so zu tun, als begreife er nicht, was sie ihm damit sagen wollte. »Da ist etwas, was ich Euch fragen wollte«, sagte sie leise.

»Ja?«

Robin hob die linke Hand, um ihm den Ring zu zeigen, dann ließ sie den Arm schnell wieder sinken. Sie ekelte sich davor, wieder von Haruns plumpen Fingern betatscht zu werden, und außerdem hätte sie das Gefühl gehabt, den Ring zu besudeln, wenn er ihn berührte. »Was sind Ismailiten?«, fragte sie.

Haruns Reaktion war interessant. Er hatte sich fast sofort wieder in der Gewalt, aber für einen winzigen Moment glaubte sie, einen abgrundtiefen Schrecken in seinen Augen zu erblicken. Vergleichbar vielleicht mit dem Blick eines besonders gottesfürchtigen Mönchs, wenn jemand den Namen des Teufels erwähnte.

»Woher hast du das?«, fragte er.

»Aufgeschnappt«, log Robin. »Aber ich hatte das Gefühl, dass es...«

»Die Assassinen«, unterbrach sie Harun. Er schüttelte den Kopf. »Niemand, den du kennen lernen möchtest. Glaube mir. Und niemand, über den man redet. Am besten, du vergisst dieses Wort sofort wieder.« Und damit drehte er sich auf dem Absatz herum und ging.

Robin blieb verwirrt zurück. Schon die bloße Erwähnung der geheimnisvollen Ismailiten hatte Harun al Dhin sichtbar bis ins Mark erschreckt, und angesichts seiner Reaktion erschien auch Omars Bemerkung zu diesem Thema in neuem Licht. Ismailiten. Assassinen. Robin ließ die Worte ein paar Mal in Gedanken nachhallen, aber es war nichts Vertrautes in ihrem Klang, nichts, was sie jemals gehört hätte - auch nicht von Salim.

Auf der anderen Seite musste sie sich eingestehen, dass sie kaum etwas über Salim wusste. Er war der einzige Mensch - abgesehen von ihrer Mutter vielleicht -, für den sie jemals uneingeschränkte Zuneigung empfunden hatte. Er war sicherlich derjenige auf der Welt, dem sie am allermeisten vertraute, und dennoch hatte er niemals viel über sich erzählt. Über sein Volk, ja. Über seine Herkunft, das Land, in dem er aufgewachsen war, die unendlichen Weiten der Wüste, die Schönheit seiner Welt, die mit einer ebenso großen Härte und Unerbittlichkeit einherging. Aber über sich selbst hatte er so gut wie nichts offenbart. Dabei hatte sie ihn auch niemals mit Fragen behelligt, weil sie gespürt hatte, wie unangenehm ihm dies war, und weil sie seine Gefühle respektierte.

Robin machte einen weiteren Schritt auf die Tür zu, um sie hinter Harun und Aisha zu schließen, wobei sie nun doch in eine Pfütze aus eiskaltem Wasser trat und ärgerlich die Lippen verzog. Sie hatte bereits den Arm gehoben, als ihr klar wurde, wie ungewohnt diese Bewegung im Grunde für sie war. Die Tür hatte sie noch niemals von eigener Hand schließen müssen, seit sie in dieses Haus gekommen war. Es war stets jemand da gewesen, der diese Aufgabe für sie übernahm - schon, um zu verhindern, dass sie auf dumme Gedanken kam.

Jetzt war der Korridor vor ihrem Zimmer leer. Der Wächter, der so sehr zu einem Bestandteil ihres Lebens geworden war, dass sie ihn die meiste Zeit schon gar nicht mehr wirklich zur Kenntnis nahm, war verschwunden.

Robin zögerte einen Moment, ehe sie einen vorsichtigen Schritt auf den Flur hinaus machte, um sich rasch nach rechts und links umzusehen. In ihrem Zimmer herrschte noch das graue Zwielicht der späten Dämmerung, aber hier draußen auf dem fensterlosen Flur hatte die Nacht mit ihren Schatten und gedämpften Farben bereits Einzug gehalten. Sie spähte angestrengt nach vorne, um sich davon zu überzeugen, ob der schwarz gekleidete Krieger nicht ein Stück weiter unten Posten bezogen hatte. Aber sie konnte ihn auch im weiteren Verlauf des Korridors nicht erkennen.

Robin war überrascht. Eine Nachlässigkeit dieser Art sah dem Sklavenhändler nicht gleich, ebenso wenig wie seinen Kriegern, denn wie sie Omar kannte, würden sie ein solches Versäumnis zweifellos mit dem Leben bezahlen. Eine Falle? Robin dachte kurz über diese Frage nach, beantwortete sie sich dann aber mit einem Kopfschütteln. Eine solche Heimtücke hätte sie Omar durchaus zugetraut, aber sie machte überhaupt keinen Sinn. Wenn er ihr etwas antun wollte, brauchte er sich nicht erst die Mühe zu machen, einen Vorwand dafür zu finden.