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Es war dieses Geräusch, das sie zwang, bei Bewusstsein zu bleiben. Das zweite Tier würde Nemeth angreifen. Robin hatte oft und lange genug bei der Ausbildung von Bluthunden zugesehen, um zu wissen, wie die Tiere vorgingen. Ähnlich einer domestizierten Wolfsmeute griffen sie meistens in Gruppen von zweien oder dreien an, - dabei waren sie geschulter, intelligenter und ungleich bösartiger als ihre wilden Vorfahren. Das zweite Tier würde sich auf das hilflose Mädchen stürzen und es zerreißen. Nemeth hatte nicht die allergeringste Chance.

Panik und Todesangst verliehen ihr schier übermenschliche Kräfte. Robin bäumte sich auf, achtete nicht auf den grausamen Schmerz, der wie flüssige Lava durch ihr rechtes Bein tobte, und stieß den Hund mit einer gewaltigen Kraftanstrengung von sich. Das Tier heulte vor Wut schrill auf, fiel auf die Seite und schnappte noch im Sturz nach dem Schild, mit dem Robin es davongeschleudert hatte. Ein entsetzlicher knirschender Laut erscholl und Robin fühlte sich zu Eis erstarrt, als sie sah, wie die Kiefer des Tieres ein fast handgroßes Stück aus dem Schildrand herausbissen. Und dann wuchs hinter der Bestie ein zweiter Schatten heran, klein, gedrungen, mit glühenden Augen und schnell, unglaublich schnell.

Robin warf sich blindlings nach vorne, ohne auch nur einen Sekundenbruchteil nachzudenken. Ihr hochgerissener Schild und der Hund trafen im Flug zusammen. Das Tier wurde zurückgeschleudert und schlug winselnd auf dem Boden auf, aber auch sie stürzte - und landete unmittelbar auf dem ersten Hund, der sich in diesem Moment wieder hochgerappelt hatte!

Das Tier brach unter ihrem Gewicht zusammen und heulte auf, während Robin versuchte, sich herumzuwerfen und an den Dolch zu gelangen, den sie unter dem Gewand trug.

Sie schaffte es nicht. Noch während sie sich auf den Rücken wälzte und den Schild hochriss, war die andere Bestie mit unglaublicher Schnelligkeit wieder auf die Füße gekommen und attackierte sie erneut. Wieder schnappten ihre Zähne nach ihrem Gesicht. Übel riechender Speichel troff aus ihrem Maul. Robin nahm noch einmal all ihre Kräfte zusammen, um den Hund mit dem hochgestemmten Schild von sich wegzudrücken. Doch vergebens. Es gelang ihr nur wenige Fingerbreit, kaum genug, um seine schnappenden Kiefer von ihrer Kehle fern zu halten.

Mit der anderen Hand versuchte sie ein letztes Mal, an den Dolch heranzukommen, aber ihre Finger verhedderten sich in den Falten des gestohlenen Gewandes und sie war plötzlich nicht einmal mehr sicher, ob sie das Messer nicht schon längst irgendwo verloren hatte. Blindlings trat sie aus. Aber der Schmerz, der dabei durch ihr verletztes Bein pulsierte, war zehnmal schlimmer als der, den sie dem Hund zufügen konnte. Das Tier heulte wütend auf, warf sich erneut gegen sie - und schließlich geschah, was Robin die ganze Zeit über befürchtet hatte: Die scharrenden Pfoten der Bestie rissen ihren Schildarm zur Seite und plötzlich war zwischen seinem geifernden Maul und ihrer Kehle nichts mehr. Spitze, gekrümmte Reißzähne bleckten nach ihrem Gesicht und das Heulen des Hundes klang mit einem Mal fast triumphierend.

Sie wusste, dass es wahnsinnig war, was sie nun tat. Mit einem verzweifelten Satz warf sie sich dem Hund entgegen, umschlang ihn mit beiden Armen und presste das Gesicht an seinen Hals, so fest sie nur konnte. Der Bluthund strampelte und wand sich unter ihrem Griff. Er war fast so schwer wie sie, doch doppelt so stark. Dennoch umklammerte Robin das Tier mit aller Kraft; gleichzeitig spürte sie, wie lächerlich ihre Anstrengung gegen die Gewalt dieser tobenden Bestie war. In einer letzten Kraftanstrengung warf sie sich herum, begrub den Hund unter sich und riss seinen Kopf zur Seite.

Ein trockenes Knacken erklang, ähnlich dem Geräusch eines brechenden Astes. Der Hund heulte noch einmal gellend auf, ehe er in ihren Armen erschlaffte. Keinen Augenblick zu früh, denn auch Robins Kräfte waren endgültig erschöpft. Ihre Hände öffneten sich. Sie rollte seitwärts von dem Hund herunter und auf den Rücken, wo sie sekundenlang bewusstlos liegen blieb.

Das Erste, was sie sah, als sich die schwarzen Schleier vor ihren Augen lichteten, war Nemeths Gesicht mit vor Schreck geweiteten Augen. Und dann war auch der Schmerz in ihrem Bein wieder so stark, dass sie laut wimmerte.

»Robin!«, keuchte Nemeth. »Was... was hast du?«

Robin war zu erschöpft, um zu antworten. Mit zusammengebissenen Zähnen richtete sie sich halb auf, drehte sich zur Seite und kroch ein Stück weit von dem Hund fort. Die Kreatur lag lang ausgestreckt und reglos neben ihr.

»Du... du hast ihm das Genick gebrochen«, stammelte Nemeth. »Aber wie... wie hast du das... gemacht?«

Das erzähle ich dir, wenn ich es selbst weiß, dachte Robin. Sie antwortete nicht laut auf Nemeths Frage, sondern kroch noch ein Stück weiter von dem toten Hund fort, ehe sie sich auf die Knie hochstemmte und schließlich die rechte Hand ausstreckte, um sich mühsam an der Wand in die Höhe zu ziehen. Sie konnte kaum stehen. Ihr rechtes Bein schien zwar nicht gebrochen zu sein, aber es schmerzte unerträglich, und ihr Schildarm, mit dem sie zweimal den Anprall des riesigen Hundes aufgefangen hatte, war nahezu taub. Sie blickte benommen auf das tote Tier hinab und der Anblick kam ihr irgendwie unwirklich vor. Nemeth hatte völlig Recht: Sie hatte dem Hund das Genick gebrochen, aber etwas in ihr weigerte sich einfach zu glauben, was ihre Augen sahen.

»Du hast sie beide getötet«, flüsterte Nemeth.

»Beide?«, murmelte sie verständnislos.

Nemeth nickte, und erst diese Geste brachte Robin wieder in Erinnerung, dass der Hund nicht allein gewesen war. Sie hatte das zweite Tier zurückgeschleudert, dann aber aus den Augen verloren.

Robin bedeutete Nemeth, das Schwert aufzuheben und ihr zu reichen, dann biss sie die Zähne zusammen und belastete vorsichtig ihr rechtes Bein. Es schmerzte, aber sie konnte gehen, auch wenn sie jeden einzelnen Schritt wie einen glühenden Dolch spüren würde, der sich in ihre Hüfte bohrte.

Erst nachdem sie das beruhigende Gewicht des Schwertes wieder in der rechten Hand spürte, wagte sie es, mit einem unbeholfenen Schritt über den toten Hund hinwegzusteigen und nach dem zweiten Tier Ausschau zu halten. In der fast vollkommenen Dunkelheit der Gasse sah sie den schwarzen Kadaver erst, als sie nur noch einen Schritt davon entfernt war. Der Hund lag reglos auf der Seite. Sie hörte kein Atmen, kein Knurren. Als sie ihn vorsichtig mit der Spitze des Schwertes anstieß, reagierte er nicht. Unendlich behutsam, das Schwert zum Zustoßen bereit am Hals des Tieres, ließ sie sich in die Hocke sinken.

»Du hast auch ihn getötet«, sagte Nemeth. »Du hast ihn mit dem Schild erschlagen.«

Robin antwortete nicht. Sie starrte aus weit aufgerissenen Augen auf den Kadaver des Hundes hinab, aber sie begriff nicht, was sie sah. Ein unheimlicher, eisiger Schauer kroch ihren Rücken hinab. Ihre Hand zitterte, als sie den Arm ausstreckte und den Metallgegenstand berührte, der aus der Kehle des Hundes ragte.

»Was ist das?«, murmelte sie. Sie musste eine Menge Kraft aufwenden, um das Ding, das den Hund getötet hatte, aus seinem Fleisch zu ziehen. Warmes Blut sprudelte aus der zerfetzten Kehle des Tieres, besudelte ihre Hand und ihren Kaftan.

Beunruhigt bewegte sie die Hand hin und her, um ihren Fund in der Dunkelheit besser erkennen zu können. Es war eine Waffe, ganz ohne Zweifel, aber eine, wie sie sie noch nie zuvor gesehen hatte. Was sie in den Fingern hielt, war ein fünfzackiger geschmiedeter Stern aus schwarzem Metall, der rasiermesserscharfe Kanten und nadelscharfe Spitzen hatte. Sie hatte den Hund nicht getötet. Ihr Schildstoß hatte ihn zurückgeschleudert und ihm allenfalls wehgetan. Getötet hatte ihn dieser sonderbare Stern, den ihm jemand in die Kehle gerammt hatte.

»Was ist das?«, fragte sie noch einmal. Sie drehte sich ein wenig herum und streckte den Arm aus, damit Nemeth sehen konnte, was in ihrer Handfläche lag. Das Mädchen sog erschrocken die Luft ein und prallte so hastig einen Schritt zurück, als hätte Robin ihr einen giftigen Skorpion entgegengestreckt, nicht ein Stück Eisen.