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„Bree, hast du nicht etwas vom Frühstücken gesagt?“ fragte er.

„Doch, das hab’ ich“, antwortete Bree. „Ich glaube, in den Satteltaschen müßte etwas sein. Sie sind da drüben am Baum, wo du sie heute nacht aufgehängt hast.“

Also untersuchten sie die Satteltaschen. Das Ergebnis war ermutigend – da gab es eine Fleischpastete, nicht mehr ganz frisch zwar, aber noch genießbar, einen Ring getrockneter Feigen, ein Stück grünen Käse und eine kleine Flasche Wein. Dazu noch Geld: alles in allem etwa vierzig Kreszent, mehr, als Shasta jemals gesehen hatte.

Während sich Shasta unter Schmerzen und sehr vorsichtig, den Rücken an einen Baum gelehnt, niedersetzte und sich an die Fleischpastete machte, verspeiste Bree noch ein paar Maulvoll Gras, um ihm Gesellschaft zu leisten.

„Ist es nicht Diebstahl, wenn wir das Geld verwenden?“ erkundigte sich Shasta.

„Oh“, meinte das Pferd und schaute mit einem Maul voller Gras auf.

„Daran habe ich noch gar nicht gedacht. Ein freies, sprechendes Pferd darf natürlich nicht stehlen. Aber ich glaube, daß in diesem Fall nichts dagegen einzuwenden ist. Wir sind Gefangene im Land des Feindes. Dieses Geld ist Kriegsbeute. Außerdem – wie sollten wir sonst Nahrung für dich besorgen? Genau wie die anderen Menschen wirst wohl auch du keine natürlichen Dinge wie Gras oder Hafer essen.“

„Nein, das kann ich nicht.“

„Hast du es jemals versucht?“

„Ja, das hab’ ich. Ich bekomme es einfach nicht hinunter. Wenn du an meiner Stelle wärst, ginge es dir genauso.“

„Ihr seid schon seltsame Geschöpfe, ihr Menschen“, bemerkte Bree.

Als Shasta mit seinem Frühstück fertig war – es war das beste Frühstück, das er jemals zu sich genommen hatte –, sagte Bree: „Ich glaube, ich werde mich noch ein bißchen am Boden wälzen, bevor du mir den Sattel wieder anlegst.“ Gesagt, getan. „Das tut gut! Das tut sehr gut!“ rief das Pferd, rieb sich den Rücken am Gras und fuchtelte mit allen vieren in der Luft herum. „Das solltest du auch tun, Shasta“, schnaubte es. „Das ist sehr erfrischend.“

Aber Shasta brach in Gelächter aus und sagte: „Wie komisch du aussiehst, wenn du auf dem Rücken liegst!“

„Ich sehe überhaupt nicht komisch aus!“ protestierte Bree. Doch dann wälzte er sich plötzlich auf die Seite, hob den Kopf, schnaubte ein wenig und sah Shasta durchdringend an. „Sieht es wirklich komisch aus?“ fragte er besorgt.

„Ja“, entgegnete Shasta. „Aber was macht das schon?“

„Du glaubst doch wohl nicht, daß sprechende Pferde das überhaupt nicht tun?“ erkundigte sich Bree. „Meinst du, es ist vielleicht nur eine alberne und lächerliche Sache, die ich von den gewöhnlichen Pferden übernommen habe? Es wäre schrecklich, wenn ich bei meiner Rückkehr nach Narnia feststellen müßte, daß ich mir eine Menge schlechter Angewohnheiten zugelegt habe. Was meinst du dazu, Shasta? Sag es mir ganz ehrlich! Glaubst du, die freien Pferde – die sprechenden Pferde – wälzen sich auch?“

„Woher soll ich das denn wissen? Aber ich an deiner Stelle würde mir keine Sorgen machen. Erst einmal müssen wir in Narnia ankommen. Kennst du den Weg?“

„Bis Tashbaan kenne ich ihn. Dahinter kommt dann die Wüste. Aber keine Sorge, die werden wir schon hinter uns bringen. Von dort aus können wir die Berge im Norden sehen. Stell dir das bloß einmal vor! Dahinter liegt Narnia und der Norden! Dann kann uns nichts mehr aufhalten. Aber ich werde froh sein, wenn Tashbaan hinter uns liegt. Außerhalb der Stadt sind wir sicherer.“

„Können wir Tashbaan nicht umgehen?“

„Dazu müßten wir weit landeinwärts reiten, und das bringt nur neue Gefahren, auch kenne ich dort den Weg nicht so gut. Nein, wir müssen an der Küste entlang. Hier auf den grasbewachsenen Hügeln treffen wir nur Schafe und Kaninchen und Möwen und ein paar Schäfer. Ach, übrigens – wir sollten uns auf den Weg machen.“

Shastas Beine schmerzten, während er Bree sattelte und dann aufstieg, aber das Pferd zeigte Mitgefühl und schlug eine gemächliche Gangart an. Als der Abend anbrach, gingen sie auf einem steilen Pfad ins Tal hinunter und gelangten zu einem Dorf. Shasta stieg ab und lief zu Fuß ins Dorf, um einen Laib Brot und ein paar Zwiebeln und Rettiche zu kaufen. Das Pferd trottete in der Abenddämmerung ums Dorf herum durch die Felder und stieß am anderen Ende wieder auf Shasta. So machten sie es von nun an jeden zweiten Abend.

Es war eine großartige Zeit für Shasta, und jeder Tag war schöner als der vorherige. Shastas Muskeln wurden kräftiger, und er stürzte auch nicht mehr so oft. Als der Reitunterricht zu Ende war, behauptete Bree allerdings noch immer, Shasta säße im Sattel wie ein Mehlsack. Trotzdem war Bree ein geduldiger Lehrer. Shasta lernte traben, galoppieren und springen. Er lernte sogar, nicht herunterzufallen, wenn Bree plötzlich stehenblieb oder ganz unerwartet nach links oder nach rechts schwenkte.

Nachdem sie Woche um Woche an zahllosen Buchten und Landzungen, Flüssen und Dörfern vorübergeritten waren – mehr, als Shasta sich merken konnte –, kam schließlich eine mondhelle Nacht, in der sie sich gegen Abend auf den Weg machten, nachdem sie tagsüber geschlafen hatten. Die Grashügel lagen hinter ihnen, und sie überquerten gerade eine weite Ebene. Vor ihnen, eine halbe Meile im Westen, war ein Wald zu sehen. Versteckt hinter niedrigen Sanddünen, lag in der gleichen Entfernung zu ihrer Rechten das Meer. Sie waren ungefähr eine Stunde geritten, zuweilen im Trab und zuweilen im Schritt, als Bree plötzlich anhielt.

„Was ist los?“ fragte Shasta.

„Psssst!“ flüsterte Bree, drehte den Hals und zuckte mit den Ohren. „Hast du etwas gehört? Horch mal!“

„Hört sich an wie ein anderes Pferd – zwischen uns und dem Wald“, meinte Shasta, nachdem er etwa eine Minute lang gelauscht hatte.

„Es ist tatsächlich ein anderes Pferd“, sagte Bree. „Und das gefällt mir nicht.“

„Vielleicht ist es ein Bauer, der zu später Stunde nach Hause reitet?“ meinte Shasta und gähnte.

„Erzähl mir bloß nichts!“ widersprach Bree. „Das ist kein Bauer, der da reitet! Und das ist auch kein Ackergaul. Kannst du das nicht hören? Das ist ein edles Roß, auf dem ein richtiger Reiter sitzt. Ich sag’ dir, was das ist, Shasta. Dort am Waldrand reitet ein Tarkaan. Nicht auf seinem Streitroß – dafür ist es zu leicht. Auf einer edlen Stute – würde ich sagen.“

„Also jetzt ist es stehengeblieben, was immer es auch sein mag“, sagte Shasta.

„Du hast recht“, stimmte Bree zu. „Warum es wohl gerade jetzt, wo wir angehalten haben, ebenfalls anhält? Shasta, mein Junge, ich glaube wirklich, da ist uns zu guter Letzt einer auf den Fersen.“

„Was sollen wir tun?“ flüsterte Shasta. „Meinst du, der Tarkaan kann uns sehen und hören?“

„Nicht in diesem schwachen Mondlicht. Zumindest nicht, solange wir uns nicht rühren“, antwortete Bree. „Aber sieh nur! Da kommt eine Wolke. Ich warte, bis sie vor den Mond gezogen ist. Dann reiten wir so leise wie möglich nach rechts zum Strand hinunter. Im schlimmsten Fall können wir uns in den Dünen verstecken.“

Sie warteten, bis die Wolke den Mond verdeckte, und machten sich zuerst im Schritt und dann in einem leichten Trab auf den Weg zum Strand.

Die Wolke war größer und dicker, als es zuerst den Anschein gehabt hatte, und schon bald wurde es stockdunkel. Gerade als Shasta sich sagte: Wir müssen gleich in den Dünen sein, sank ihm das Herz in die Hosentasche.

Aus der Dunkelheit vor ihnen drang plötzlich ein schrecklicher Laut: ein langgezogenes Brüllen, schwermütig und gefährlich zugleich. Bree warf sich herum und galoppierte landeinwärts, so schnell er nur konnte.

„Was war das?“ keuchte Shasta.