»Die Leute freuen sich, die Soldaten zu sehen«, sagte Malin. »Sie betrachten unsere Truppen als Befreier, weil wir die Schlangen getötet haben. Sie müssen diesen Befreiern ein Gesicht geben, General Drakon. Sie müssen der Befreier sein, der Mann, der dieses Sternensystem aus den Klauen der Syndikatwelten gerissen und ihm die Angst vor dem ISD genommen hat.«
»Die Leute haben ihn gesehen«, hielt Morgan dagegen. »Alle haben ihn gesehen, als er die Ansprache gehalten hat.«
»Das ist zu distanziert, zu unpersönlich. Er muss sich unter das Volk begeben.«
»Wo jeder Idiot versuchen kann, ihn zu ermorden?«
Drakon ließ diese Diskussion in den Hintergrund rücken, bis er sie nur noch als ein leises Summen wahrnahm, damit er sich auf seine eigenen Gedanken konzentrieren konnte. Malin und Morgan hatten die gute Angewohnheit, ihre Meinung und die entsprechenden Argumente ohne Umschweife auszusprechen, aber sie hatten auch die schlechte Angewohnheit, anschließend bei einem endlosen Hin und Her wieder und wieder ihre Position darzulegen, ohne irgendetwas Neues hinzuzufügen. »Wir werden folgendermaßen vorgehen«, sagte er schließlich und setzte der Diskussion ein Ende.
Einige Minuten später verließ Drakon in seiner vom Kampf gezeichneten Rüstung, aber mit geöffnetem Visier das Hauptquartier und begab sich in die wartende Menge. Malin und Morgan folgten ihm in ihren hautengen schwarzen Anzügen, beide führten unauffällige, aber todbringende Waffen mit sich. Wie von Drakon erwartet, richteten sich alle Augen auf ihn, nicht aber auf seine Begleiter. In seiner Rüstung war er ein Stück größer und bulliger als die Bürger, sodass er buchstäblich überlebensgroß erschien.
Die erste Gruppe feiernder Bürger, der er sich näherte, verstummte abrupt und sah ihn unschlüssig an, als ihnen klar wurde, dass sich ein CEO mitten unter ihnen befand. Drakon lächelte sie auf jene kameradschaftliche Weise an wie seine Soldaten, eine Geste, die gleichzeitig die Botschaft vermittelte, dass er derjenige war, der hier das Sagen hatte. »Es ist ein wunderbarer Tag!«, rief er. »Das ist jetzt unser Sternensystem, unser Planet, und wir werden uns selbst um ihn kümmern!«
Der einsetzende Jubel bewegte sich wie eine Welle durch die Menge, als hätte jemand einen Stein in einen Teich geworfen. Bedächtig ging er weiter, während die allgegenwärtigen Kameras jeden seiner Schritte filmten und die Bilder überall auf dem Planeten verbreiteten. Bürger streckten fast ängstlich die Hände nach ihm aus, um seine Rüstung zu berühren, andere versuchten die Narben zu ertasten, die der Kampf gegen die Schlangen hinterlassen hatte. Drakon spürte die Macht dieser Menge, als wäre sie ein einziger, riesiger Organismus, und er musste die Angst niederringen, die in ihm aufsteigen wollte. Auf Allianz-Planeten hatte er miterlebt, wie Menschenmassen gepanzerte Truppen überwältigten, seitdem begegnete er jedem Mob mit einer gehörigen Portion Respekt. Doch er versuchte, sich seine Besorgnis nicht anmerken zu lassen, sondern ging in gleichbleibendem Tempo weiter, während er in die Menge winkte und die Leute mit vagen Worten dazu anspornte, die Ordnung zu wahren und die Gesetze zu achten.
Ein junger Mann, der alt genug zu sein schien, um in Kürze eingezogen zu werden, bahnte sich seinen Weg durch die Menge, bis er dicht vor Drakon stand. Die Waffen, die Malin und Morgan sofort auf ihn richteten, konnten ihn offenbar nicht beeindrucken. »Wann wird es Wahlen geben? Wann werden wir wirklich die wählen können, die uns regieren sollen?«
»Dazu werden wir noch kommen«, antwortete Drakon laut genug, um auch von den Umstehenden gehört zu werden. »Die Dinge haben sich verändert.« Wer ein Leben lang mit der Bürokratie der Syndikatwelten zu tun gehabt hatte, der entwickelte automatisch die Fähigkeit, Bedeutungslosigkeiten zu verkünden, mit denen scheinbar alles gesagt, aber nichts versprochen wurde.
Der leidenschaftliche junge Mann sah ihn unschlüssig an, dann wurde er von anderen Bürgern zur Seite gedrängt, die auch zu Drakon wollten, bis er sich in der Menge verloren hatte. Drakon hatte das ungute Gefühl, dass diese Fragen auf nicht allzu lange Sicht eine konkrete Antwort erforderlich machen würden.
Iceni und die anderen auf der Brücke des Schweren Kreuzers verfolgten die Übertragungen von der Oberfläche des Planeten mit, die von Drakons Triumphzug durch die Straßen und von der Bewunderung der Bürger für ihn berichteten. »Man könnte meinen, ich habe gar nichts gemacht«, kommentierte Iceni die Bilder mit einem Tonfall, der ein wenig verärgert, aber auch ein wenig amüsiert klang, um die Sorge zu überspielen, die sie bei diesem Anblick befand. Wenn Drakon zum Gesicht der Herrschaft über dieses Sternensystem wird, dann kann er mich noch einfacher zur Seite drängen. Es könnte sein, dass ich ihn mir doch vornehmen muss.
Fünf
Ihr Assistent Mehmet Togo meldete sich schließlich, als Icenis Kreuzer wieder in einen Orbit um den Planeten einschwenkte. »Es hat eine Weile gedauert, die Sperren in den Systemen zu überwinden, die vom ISD installiert worden sind«, erklärte er.
»Haben es irgendwelche Schlangen bis in meinen Bürokomplex geschafft?«
»Nein, Madam CEO. Mehrere Schlangen näherten sich gerade dem Eingang, als ihnen Bodenstreitkräfte entgegentraten.« Togo lächelte nicht, aber seine Augen ließen Schadenfreude erkennen. »Weiter sind die Schlangen dann auch nicht gekommen.«
»Befinden sich irgendwelche Bodenstreitkräfte in meinem Bürokomplex oder unmittelbar davor?«
»Die nächsten Bodenstreitkräfte sind draußen auf der Straße unterwegs. Sie sind damit beschäftigt, die Menschenmengen unter Kontrolle zu halten«, antwortete Togo. Wären Soldaten bei ihm gewesen, die außerhalb des von der Kamera erfassten Bereichs standen und ihre Waffen auf ihn richteten, hätte er einen Code verwendet und den Satz »Es ist alles in bester Ordnung« verwendet. Doch dieser Satz war nicht gefallen, schließlich war unter normalen Umständen niemals alles in Ordnung, denn es gab immer irgendein Problem.
»In weniger als einer halben Stunde komme ich mit einem Shuttle runter. Vor meinem Eintreffen will ich einen umfassenden Bericht über alles haben, was CEO Drakon treibt. Und ich will die Gewissheit haben, dass wir den gleichen umfassenden Zugriff auf alle Überwachungs- und Lautsprecheranlagen haben wie er.«
»Ja, Madam CEO.«
»Ich sende Ihnen ein paar Dateien von unserem Gefecht hier oben, bei dem wir CEO Kolanis Streitmacht geschlagen haben. Sorgen Sie dafür, dass die Bevölkerung diese Aufzeichnungen zu sehen bekommt und davon erfährt, dass meine Streitmacht ein orbitales Bombardement verhindert hat. Die Bürger sollen nach oben sehen und wissen, dass sie mir zu verdanken haben, dass die in diesem System verbleibenden Kriegsschiffe hier sind, um sie zu beschützen, nicht um sie zu bedrohen.«
»Eine gute Formulierung, Madam CEO. Ich werde sicherstellen, dass diese Nachricht von jedem gehört werden kann, noch bevor Ihr Shuttle gelandet ist.«
Iceni verzog missmutig den Mund. Es war ein langer Tag gewesen, und er war noch längst nicht vorbei. Es gab zu viele Variablen, die sie in Erwägung ziehen musste, gleichzeitig aber auch zu viele unbekannte Faktoren. Wenigstens lebte Togo noch, und Drakons Soldaten hatten sich nicht in ihrem Büro eingenistet. Falls Drakon tatsächlich vorhatte, die ganze Macht an sich zu reißen, dann ging er derzeit nicht allzu offensichtlich und forsch vor.
Vielleicht sollte sie noch mit ihm reden, bevor sie auf die Planetenoberfläche zurückkehrte, wo sie für Drakons Soldaten greifbar sein würde. Iceni wollte eben nach ihren Kontrollen greifen, da meldete sich endlich die C-625 von ihrer Position nahe dem Gasriesen.
Die Frau, die die Nachricht übermittelte, war nicht die Befehlshaberin der C-625, und sie trug den gleichen Anzug wie die verhassten Schlangen. Zwei böse Omen, deren gravierende Konsequenzen sich gleich darauf bestätigen sollten. »Hier spricht die ISD-Executive Jillan, ich wende mich an die Verräterin Iceni. Die vormalige Befehlshaberin dieser mobilen Streitkräfte sowie mehrere ihrer Executives wurden wegen Verrats hingerichtet. Der ISD hat die vorübergehende direkte Kontrolle über diese Einheit übernommen und wird nur auf Befehle von CEO Hardrad und CEO Kolani reagieren. Für das Volk. Jillan, Ende.«